Normalerweise erhält Valérie Populin am Sonntag keine Anrufe von ihrem Chef. Aber dieses eine Mal eilte es, sehr sogar. Die Grenze zwischen der und Frankreich könnte zugehen, fürchtete er. Nur eine Stunde später legte die Pflegefachfrau ihr Gepäck in den Kofferraum ihres Autos, umarmte ihren Mann, den sechsjährigen Sohn, die dreizehnjährige Tochter, setzte sich ans Steuer und fuhr von ihrem Haus im elsässischen Bartenheim nach Basel. Zwölf Kilometer, von Frankreich in die Schweiz.
Noch am selben Abend, es war der 15. März, checkte Populin ins Hotel Basel ein. "4 Sterne, wunderschöne Zimmer, aber einsam", sagt die 41-jährige Pflegefachfrau, als wir sie am Telefon erreichen. Sie wohnt seit bald drei Wochen im Hotel. Tagsüber arbeitet sie im Universitätsspital, nach Feierabend könnte sie nach Hause ins Elsass fahren. "Aber", sagt sie, "so fühle ich mich sicherer."
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sind in Europa die Schlagbäume wieder unten und wurden neue Grenzzäune hochgezogen. Am stärksten betroffen sind davon Kleinstaaten wie Österreich und die Schweiz. Sie sind, neben Luxemburg, am stärksten auf Grenzgänger angewiesen. In die Schweiz kamen 2019 fast 330.000 Menschen über die Grenze zur Arbeit, nach Österreich reisten mindestens 194.000; wobei die Datenlage gemäß Statistik Austria recht schlecht ist.
In Österreich stammen die meisten Grenzgängerinnen aus Ungarn, der Slowakei und Rumänien. In die Schweiz wiederum pendeln besonders viele Franzosen, gefolgt von den Deutschen, den Italienern und einigen Österreichern.
In beiden Alpenländern arbeitet die größte Gruppe unter den Grenzpendlern, und das ist in der Corona-Krise besonders brisant, im Gesundheitswesen.