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Erdogan-Berater: Gegen "Finanzlobby" und Assimilation

Einer der wichtigsten Berater des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan hielt am vergangenen Samstag einen Vortrag an der Wiener Wirtschaftsuniversität

"Ich bin mir sicher, in vielen Zentralen werden Telekinese, Fernbeeinflussung und andere Methoden angewandt, um Recep Tayyip Erdogan zu töten", sagte vergangenen Juni der heutige Chefberater des türkischen Ministerpräsidenten Yigit Bulut live im Fernsehen. Damit schaffte es der langjährige Journalist Bulut vom deutschen Magazin "Der Spiegel" als "Erdogans Verschwörungsberater" tituliert zu werden.

Bulut ist nicht der einzige, namhafte Berater des türkischen Ministerpräsidenten. Er ist nicht einmal der einzige Erdogan-Berater, der in der regierungsnahen Zeitung "Star" eine Kolumne hat (Yalcin Akdogan heißt der andere Berater und Kolumnist). Doch er ist der Einzige, der im Augenblick durch Europa tourt und Vorträge hält. So auch am vergangenen Samstag im Audimax der neuen Wiener Wirtschaftsuniversität.

Yigit Bulut ist der Sohn eines ehemaligen Parlamentsabgeordneten der konservativen Gerechtigkeitspartei. Er studierte an der renommierten Ankaraner Bilkent Universität, seinen Master machte der Wirtschaftswissenschaftler an der Sorbonne. In der türkischen Medienwelt ist er seit vielen Jahren ein bekanntes und auch umstrittenes Gesicht. Als in der Türkei die Proteste gegen die Regierung ("Gezipark"-Proteste") begannen, stellte sich der langjährige Erdogan-Kritiker Bulut auf Seiten Erdogans. In seiner Kolumne der regierungsnahen "Star" schrieb sich Bulut in Rage. In einer Diskussionssendung auf dem wiederum regierungsnahen TV-Sender "Kanal a haber" brachte Bulut seinen "Telekinese"-Sager. Damit empfahl er sich nicht nur dem AKP-Regierungslager, sondern versorgte die populären türkischen Satiremagazine mit Material.

"EU is a big loser"

Die AKP-nahe UETD (Union Europäisch-Türkischer Demokraten) hatte Bulut nach Wien eingeladen. Der neue Obmann der UETD Abdurrahman Karayazili ist kein gänzlich Unbekannter. Im Zuge der Gezipark-Proteste in der Türkei hatte Karayazili die Pro-Erdogan-Demonstration in Wien mitorganisiert. Verwirrung entstand in Vorfeld des Vortrags, weil auf den Plakaten der Veranstaltung mit Yigit Bulut die Bundes-ÖH als Mitveranstalter geführt wurde. Daraufhin distanzierte sich die ÖH am letzten Freitag in einer Aussendung von der Veranstaltung: "Die Veranstalter_innen haben zu Unrecht auf manchen Plakaten das Logo der ÖH verwendet. Es gab im Vorfeld weder Gespräche noch Anfragen. Die ÖH möchte mit einer derartigen Person nicht in Verbindung gebracht werden."

Die beanstandeten Plakate hingen am vergangen Wochenende dennoch im Foyer und dem Audimax der WU. Vor dem Eingang war eine geringe, aber sichtbare Polizeipräsenz, da sich wenige Gegendemonstranten vor dem Eingang zur WU zusammengefunden hatten, um gegen Erdogan zu skandieren. Drinnen im Vorlesungssaal begrüßten die knapp 500 Besucher Bulut mit Applaus. Zunächst wurde ein Video gezeigt, das unter anderem die Gezipark-Proteste als Gefahr für die Eintracht der Türkei darstellte. Schließlich begann Bulut zu sprechen und richtete den Anwesenden Grüße vom türkischen Ministerpräsidenten aus. Beifall. Just zu dem Zeitpunkt sei der türkische Ministerpräsident in Diyarbakir und zusammen mit dem Präsidenten der Kurdischen Autonomieregion im Irak Barzani arbeite man an einem neuen "Energieriesen". Beifall.

Bulut spricht sich - ganz auf AKP-Linie - gegen die "Assimilation" der türkeistämmigen Menschen in Europa aus. Aber lange verweilt er nicht in der "Diasporapolitik", die gerade mit den Gezipark-Protesten von Seiten der AKP intensiviert wurde. Seine zwei Hauptthemen an diesem Tag sind Deutschland bzw. die EU und die türkische Bourgeoisie. Deutschlands Rolle (und die des Magazin "Spiegel") im Zuge der Proteste der AKP wird von Bulut kritisiert. Deutschland wolle nicht, dass die Türkei die Atomkraft nütze, damit sie weiterhin auf Energieimporte angewiesen sei. Die EU sei keine Autorität, um über die politische Lage in der Türkei urteilen zu dürfen. In seiner, der Bulut'schen, neuen Weltordnung sei die EU ohnehin kein relevanter Akteur mehr. Bulut abschließend: "EU is a big loser." Gelächter unter den Besuchern, von denen viele Bildungsmigranten aus der Türkei sind.

Und schließlich widmet sich Bulut der Bourgeoisie. Der fließend Französisch sprechende, an der Sorbonne studierte Bulut mokiert sich über die frankophilen und europa-hörigen Eliten der Türkei. Ihre Zeit sei abgelaufen, so Bulut. Bulut ist kein großer EU-Befürworter, das macht er auch an diesem Tag klar. Er führt dabei ein oft gehörtes Argument an und zwar, dass die Türkei einfach zu groß für die EU sei. Dieses Argument wurde und wird gern von rechtspopulistischen Gegnern eines Türkei-Beitritts angeführt. Doch am vergangenen Wochenende wurde es vom Chefberater eines türkischen Ministerpräsidenten vorgebracht. (Rusen Timur Aksak, 18.11.2014, daStandard.at)

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