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Australien gehört zu den friedlichsten Ländern der Welt. Jetzt wird massiv aufgerüstet - aus einem Grund

"Down Under" will sich bewaffnen. Bis an die Zähne. Dabei galt Australien lange als eines der friedlichsten Länder der Welt. Im Global Peace Index landete der Staat im Jahr 2021 auf Platz 16 - hinter Ländern wie Irland, Dänemark und Neuseeland. 2022 rutschte Australien auf Platz 27. Und wahrscheinlich dürfte Australien noch weiter auf dem Index absteigen.

Der Grund: Australiens Regierung will sich mit Rüstungsgütern eindecken. U-Boote mit Nuklearantrieb, Munition "Made in Australia", Seeminen und Raketen, die auch weiter entfernte Ziele treffen könnten, stehen auf der Einkaufsliste.


Sie sind Teil der neuen Verteidigungsstrategie des 26-Millionen-Einwohner-Staates, den Premierminister Anthony Albanese am Montag vorstellte. Die Pläne seien "ambitioniert, aber notwendig" und eine Blaupause für die nächsten Jahrzehnte. Ziel der Albanese-Regierung: Australiens nationale Sicherheit stärken. Besonders an der Nordküste soll die Verteidigung ein Upgrade bekommen.


Australien setzt auf Langstreckenraketen

Und dafür nimmt man in Canberra viel Geld in die Hand. 19 Milliarden Australische Dollar will die Labor-Regierung ausgeben - rund 11,3 Milliarden Euro.


Allein 4,1 Milliarden Australische Dollar - umgerechnet mehr als 2,4 Milliarden Euro - will man für die Anschaffung von Langstreckenschlagsystemen und Herstellung von Munition mit größerer Reichweite ausgeben. Durch diese Investitionen soll die Reichweite der Artillerie der Armee von derzeit 40 Kilometern auf mehr als 500 Kilometer erhöht werden.

Zusätzlich will man weitere HIMARS- Raketen und sogenannte Precision Strike Missiles (PRISM) beschleunigt beschaffen - zusätzlich zu 220 Tomahawk-Raketen, die bereits im März von den USA bestellt wurden.


Für Australien ist es die größte militärische Umstrukturierung seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch warum diese massive Aufrüstung? Und wieso gerade jetzt?


Obwohl während des Kalten Krieges über Europa, Nordamerika und weiten Teile Asiens die ständige Gefahr eines nuklearen Armageddon schwebte, war Australien weit entfernt von all dem, sogar im wörtlichen Sinn: Die geografische Lage sorgte dafür, dass man nicht im Ost-West-Spannungsfeld in der nördlichen Hemisphäre lag. Direkte militärische Bedrohungen kannten die Australier nicht.


Doch die Zeiten haben sich geändert: Die Weltmächte entwickeln immer neuere und bessere Militärtechnologie, Raketen und Drohnen, die auch weit entfernte Ziele treffen können. Nur "Down Under" zu sein beschützt jetzt nicht mehr.


Und im pazifischen Raum nehmen die Spannungen zu: Atommacht China spielt schon seit einigen Jahren immer stärker mit seinen Muskeln. Die Angst vor einem Krieg gegen Taiwan, welches Peking als abtrünnige Provinz betrachtet, ist gewachsen. Und die Konflikte um Inseln im Südchinesischen Meer sind seit Jahren ein Pulverfass.


"Der Wettbewerb der Großmächte in unserer Region hat das Potenzial, unsere Interessen zu bedrohen, einschließlich des Potenzials für Konflikte. Die Art der Konflikte und Bedrohungen hat sich ebenfalls verändert", heißt es im 110-seitigen Strategiepapier der Regierung.

Chinas militärische Aufrüstung und wirtschaftliche Verflechtung im indopazifischen Raum seien intransparent, kaum jemand kenne die wahren Absichten. "Chinas Behauptung der Souveränität über das Südchinesische Meer bedroht die globale, auf Regeln basierende Ordnung im indopazifischen Raum in einer Weise, die sich negativ auf Australiens nationale Interessen auswirkt", ist das Urteil. Eine direkte Bedrohung für Australien sei China aber nicht.


Ein Bericht des Australian Strategic Policy Institute (ASPI) aus dem Jahr 2022 hingegen bezeichnete eine gegnerische Präsenz in der Region, die Australien von seinen Partnern und Verbündeten isolieren oder gar angreifen könnte, als "Worst Case Szenario". Die Angriffskapazitäten der chinesischen Armee wären dabei "der schlimmste Fall".


Australien will also einerseits Streitkräfte haben, die auf dem neuesten Stand sind und gleichzeitig damit China möglichst auf Abstand halten. "Wir versuchen, China davon abzuschrecken, Gewalt anzuwenden, um seine politischen Ziele zu erreichen, einschließlich Taiwan oder im Südchinesischen Meer. Es geht also um Abschreckung", erklärte Dr. Malcolm Davis, Analyst beim ASPI, der britischen BBC.


Schon vor einigen Jahren hat Australien daher erste Schritte unternommen, um besser vor feindlichen Aktivitäten geschützt zu sein. Man intensivierte seine militärischen Beziehungen zu den Verbündeten USA und Großbritannien. Ende 2021 schlossen sie die Militärpartnerschaft AUKUS. Zusammen wollen sie in den Bereichen Cyberwaffen, Überschallraketen und Unterseetechnologie arbeiten und ab 2023 im australischen Adelaide acht Atom-U-Boote bauen.


Die Verteidigungspläne Australiens stoßen in Peking aber sauer auf. Chinas Außenministerium äußerte Befürchtungen, dass der Atom-U-Boot-Deal zwischen den USA, Australien und dem Vereinigten Königreich ein Wettrüsten auslösen könnte. "Sobald die 'Büchse der Pandora' geöffnet ist, wird das regionale strategische Gleichgewicht gestört und die regionale Sicherheit ernsthaft bedroht sein", sagte ein Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums im März. AUKUS sei von der Mentalität des "Kalten Krieges" beherrscht, "nutzlos und äußerst schädlich".


Und auch das am Montag veröffentlichte Strategiepapier kritisierte Peking - wenn auch nicht direkt. Andere Staaten sollten die Bedrohung Chinas nicht hochspielen. Eine Außenministeriumssprecherin sagte am Montag, China sei "der Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität im asiatisch-pazifischen Raum und in der ganzen Welt verpflichtet". Man stelle keine Bedrohung für irgendein Land dar.


Australien versucht unterdessen, die Wogen mit China zu glätten. Außenministerin Penny Wong versicherte in der Zeitung "Guardian Australia", dass das Land kein Interesse an einer Eskalation militärischer Spannungen habe und wies die Kritik Chinas an AUKUS zurück. "Australiens Motivation ist der Frieden."


Die beschwichtigenden Töne dürften auch daher rühren, dass die Albanese-Regierung bemüht ist, die Beziehungen zu Peking zu stabilisieren. China ist für Australien weiterhin ein wichtigster Handelspartner. Und obwohl die Beziehungen in letzter Zeit unter Druck geraten sind, wolle die australische Regierung weiterhin "eine für beide Seiten vorteilhafte und respektvolle Beziehung zu China".


"Kooperieren, wo wir können, nicht übereinstimmen, wo wir müssen, unsere Differenzen klug verwalten und vor allem unsere eigenen nationalen Interessen mit Nachdruck verfolgen" - so skizzierte Außenministerin Wong die australisch-chinesischen Beziehungen.

Für Premier Anthony Albanese bleibt es diplomatischer Seiltanz. Denn trotz aller warmen Worte und ersten Schritten der Wiederannäherung: Australien und China stehen an den entgegengesetzten Polen im geopolitischen Wettstreit.

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