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Ronya Othmann

Autorin und Journalistin

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Erdbeben in der Türkei und Syrien: Geld abgezweigt und Hilfe blockiert

Das Erdbeben kommt zu einem Zeitpunkt, an dem alles nicht falscher sein könnte: Assad sitzt nach zwölf Jahren Kriegsverbrechen, 52 Jahren Diktatur (29 davon sein Vater) noch immer in seinem Palast in Damaskus. Auch Erdogan ist noch im Amt, füllt fröhlich die Knäste mit Journalisten, Künstlern und Kurden und bombardiert seit Jahren zuverlässig die kurdischen Gebiete in Syrien und im Irak, macht alles ohnehin schon Kaputte noch kaputter. Die Verbrechen beider Herren dürften regelmäßigen Lesern dieser Kolumne bekannt sein.

Es wird überall Hilfe benötigt

In einer Katastrophe braucht es erst mal Nothilfe, die Lebenden müssen geborgen, die Verletzten versorgt, die Toten bestattet werden. „Wenn du einen Menschen siehst, der Hilfe braucht, hilf und frage nicht, welchen Glauben er hat", lautet ein jesidisches Sprichwort. Hilfe wird überall benötigt, ob im kurdischen oder türkischen, ob im von Assad, von Rebellen, von Islamisten oder Kurden kontrollierten Gebiet. Zehntausende Menschen sind gestorben, Millionen obdachlos. Es ist Winter. 72 Stunden kann ein verschütteter Mensch überleben, selten länger. Es ist ein Kampf gegen die Zeit.

Doch nicht überall kommt die Hilfe gleich schnell. Und manchmal kommt sie gar nicht. Gerade kurdische und alevitische Orte wurden vom türkischen Katastrophenschutz vernachlässigt. Die Türkei setzt ihre rassistische Politik auch während der Katastrophe fort. Nur wenige Stunden nach dem Beben bombardierte das Militär wieder kurdische Gebiete in Nord-Syrien, die ja ebenfalls vom Erdbeben betroffen sind.

Krieg, Hunger, Corona

Und in Syrien, wo ohnehin schon alles am allerfalschesten ist, nach zwölf Jahren Krieg, Hunger, Corona und zuletzt noch Cholera, potenziert sich das Leid. In Afrîn, das seit 2018 von der Türkei und ihren dschihadistischen Söldnern besetzt ist, werden Nothelfer die ersten Tage nach dem Erdbeben nicht reingelassen. Menschen graben mit bloßen Händen nach Angehörigen. Sie berichten von großer Hilflosigkeit. Sie können die schweren Betonplatten nicht bewegen. Auch Assad blockiert. Kurdische Hilfskonvois werden aufgehalten, Grenzübergänge nicht geöffnet.

Auf der Website der „Syrien Arab News Agency" liest man die übliche Regimepropaganda. Der Westen sei schuld - natürlich. Die Sanktionen seien rassistisch und Kriegsverbrechen. Dabei waren humanitäre Hilfen, also Lieferung von Medizin und Nahrungsmittel, schon immer von den Sanktionen ausgeschlossen. Es war Assad, der mithilfe Russland und Chinas im UN-Sicherheitsrat alle Grenzübergänge bis auf einen schließen ließ; der verlangte, alles müsse über Damaskus laufen, und der es bestens verstand, humanitäre Hilfe als Waffe einzusetzen.

Hilfe floss in die Taschen des Regimes

UN-Hilfe floss übrigens all die Jahre auch in die von Assad kontrollierten Gebiete und, wie schon lange bemängelt wird, damit auch in die Taschen des Regimes. Die UN darf dort nämlich nur unter dessen Kontrolle arbeiten. Gerade ist ein Video aufgetaucht, in dem Lebensmittel, die für die Erdbebenopfer gedacht waren, in den Straßen von Damaskus verkauft werden.

In den letzten Jahren ist Syrien aus dem Blickfeld geraten. Die Lage dort, katastrophal und kompliziert, hat man schon fast als Normalzustand verbucht. Angesichts der Vielzahl an Verbrechern scheint längst der Überblick verloren. So wird auch die Meldung „Syrisch-Arabischer Roter Halbmond fordert Ende der Sanktionen" verbreitet, ohne zu erwähnen, dass der Syrisch-Arabische Rote Halbmond keine unabhängige Organisation ist, sondern zutiefst in das Assad-Regime verstrickt. Regimenahe Personen sind, das ist bekannt, in Leitungspositionen gesetzt worden und entscheiden nun über die Vergabe von Leistungen. Außerdem sind viele Gelder für verbrecherische Militärs und Milizen abgezweigt worden. Der Syrisch-Arabische Rote Halbmond ist übrigens bis heute Partner des Internationalen und Deutschen Roten Kreuz.

Bombardierung nach dem Erdbeben

Angesichts des Erdbebens hört man vermehrt Stimmen, die eine Aufhebung der Sanktionen fordern, etwa die päpstliche Stiftung „Kirche in Not", die Fraktion Die Linke, allen voran die chronisch antiimperialistische Sevim Dagdelen. Zeit, daran zu erinnern, wer all die Jahre Städte zerbombte und das humanitäre Desaster erst ausgelöst hat.

Übrigens bombardierte nicht nur Erdogan wenige Stunden nach der Katastrophe im Erdbebengebiet, sondern auch Assad. Fünf Tage später besuchte er Aleppo, zeigte sich lachend vor der Kamera, machte Selfies. Erdogan war etwas schneller und besuchte Maraş drei Tage nach dem Beben. Davor ließ er aber noch Twitter drosseln und drohte denjenigen, die fragten, wo denn die ganze Erdbebensteuer hin verschwunden sei, warum so viele Häuser eingestürzt seien, obwohl man doch längst erdbebensicher bauen könne und es Vorschriften dazu gebe.

Dass die Erde bebt, hat mit Plattentektonik zu tun. Dass es jetzt so viele Tote gibt, ist kein Schicksal. Und dass Geld abgezweigt und Hilfe blockiert wird, ist keine Naturkatastrophe, sondern ein Verbrechen.

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Erstellt am 08.03.2023
Bearbeitet am 08.03.2023

Quelle
https://www.faz.net/aktuell/feuille...

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Themen-Tags
vereinte nationen türkei recep tayyip erdogan naturkatastrophe erdbeben
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