Die Fesseln der gequälten Menschheit seien aus Kanzleipapier, schrieb Franz Kafka. Die Bürokratie also, der ganze Papierkram im wahrsten Sinne des Wortes, der erledigt werden muss, wenn man wohnen, leben, arbeiten, zum Arzt gehen, existieren will. So bekommt jedes neugeborene Kind in Deutschland - als Willkommensgeschenk - erstmal eine Steueridentifikationsnummer zugeteilt. Vieles mag ein wenig skurril anmuten. Ja, eine Steuererklärung ist nicht schön.
Besonders abenteuerlich wird die hiesige Bürokratie jedoch erst, wenn man sie als Flüchtling erlebt - und zum Beispiel ein Bankkonto eröffnen will. So erging es meinem Onkel, als er 2014 aus Syrien nach Deutschland kam und die Bank seine Papiere nicht akzeptieren wollte, weil sie, wie in Syrien üblich, mit einem Fingerabdruck statt einer Unterschrift gezeichnet waren. Oder mein Vater, dessen Geburtsdatum 00.00.1959 jahrelang für Verwirrung sorgte, weil man sich in Deutschland partout nicht vorstellen konnte, dass da einer als staatenloses Kind staatenloser Analphabeten in einem abgelegenen kurdischen Dorf in Nordostsyrien zur Welt kam und niemand sein Geburtsdatum vermerkte. Ja, das Leben ist manchmal sperriger, als es die Spalten und Kästen auf den Formularen deutscher Behörden zulassen.