Unbedingt jungfräulich in die Ehe: In vielen Kulturen wird das von der Braut verlangt.
Warum gibt es Jungfernhäutchen-Rekonstruktionen, wenn es das berühmte Häutchen gar nicht gibt? Wozu der ganze Stress, dem viele Frauen ausgesetzt sind?
Mein Aufklärungsunterricht in der Schule begann mit Kichern, das Klassenzimmer wurde abgedunkelt, die VHS-Kassette in den Rekorder geschoben. Wir sahen krisselige Bilder, und der Kommentator monologisierte von Oozyten und Spermatozoiden, bis alle in den üblichen Lehrfilmdämmerschlaf verfielen. Es hätte genauso um Fotosynthese oder hydraulische Bremsen gehen können. Und wer interessierte sich schon für hydraulische Bremsen?
Natürlich hatte ich mich selbst aufgeklärt. Ich hatte den Roman „Teleny" gelesen, der Oscar Wilde zugeschrieben wird, und wusste, dass „Sodomit" ein altertümlicher Begriff für „homosexueller Mann" war, ich las heimlich „erotische Literatur" in der Gemeindebücherei. Ich wusste also Bescheid, dachte ich. Bis mir dann zehn Jahre später meine liebe Freundin Marie beiläufig erzählte, dass es das Jungfernhäutchen nicht gebe und mir fast meine Kaffeetasse aus der Hand fiel. Wieso machen Ärzte dann Jungfernhäutchen-Rekonstruktionen? Wozu dann rote Bänder um die Hüfte der Braut? Wozu all der Stress, den Frauen in meiner Familie ausgesetzt sind?