Ein Generalstreik legt Argentinien lahm. Präsident Macri unterzieht das Land seit seinem Amtsantritt einer Schocktherapie, aber die Krise ist geblieben. Arbeitslosigkeit, Armut und Inflation treiben die Menschen in den Protest.
Von Roland Peters, Buenos Aires
Der Taxifahrer rast über eine rote Ampel, sucht aber den Augenkontakt über den mittleren Rückspiegel: "Macri bringt das Land endlich wieder in Ordnung. Cristinahatte es zugrunde gerichtet, völlig zerstört. Deshalb braucht er mehr Zeit." Diese Polarisierung, vorangetrieben von der linken Ex-Präsidentin Cristina Kirchner, bestimmt noch immer die emotionalen Alltagsdebatten über Politik. Der Taxista ist froh, dass nun Mauricio Macri an der Macht ist, aber viele seiner Kollegen sehen das anders. Die meisten von ihnen arbeiten heute nicht, weil die Confederación General del Trabajo (CGT) gemeinsam mit anderen Organisationen in Generalstreik tritt. Es ist das erste Mal unter Macri.
Die CGT hat drei Millionen Mitglieder, die Folgen sind also weitreichend: Krankenhäuser arbeiten nur in Notfällen. Der Flugbetrieb an den internationalen Flughäfen Ezeiza und dem Aeroparque in Buenos Aires ist eingestellt. Die Banken öffnen nicht. Die Müllabfuhr lässt den Abfall auf den Straßen liegen. Sämtliche Schulen des Landes bleiben geschlossen, weil auch die Lehrkräfte streiken. Und es steht noch viel mehr still als die gewerkschaftlich organisierten Betriebe. Der öffentliche Verkehr kommt praktisch zum Erliegen, denn die Arbeitskämpfer wollen Hauptverkehrsknotenpunkte blockieren.
Die in Argentinien so mächtigen Gewerkschaften hatten Macri nach seiner Wahl Ende 2015 schweigend eine Schonfrist eingeräumt. Doch nun beklagen sie, die Regierung habe die getroffenen Vereinbarungen nicht erfüllt, weil der Staat noch immer Jobs streiche. Vor wenigen Wochen scheiterte der Präsident mit seinem Vorhaben, den Arbeitsausstand mit Gesprächen zu verhindern. Nun bezeichnet er die Gewerkschaften als "Mafia" und den Streik als politisch motiviert, ohne direkte Ziele.
Hintergrund ist die wirtschaftliche Lage des südamerikanischen Landes: Trotz weggefallener Zollschranken, dem Werben um Investitionen und verstärktem Kampf gegen Steuerbetrug steckt die Wirtschaft in der Krise. Die Armutsrate liegt bei 30 Prozent, 6 Prozent der 43 Millionen Einwohner leiden Hunger. Der Argentinische Peso hat im vergangenen Jahr 40 Prozent seines Wertes verloren, mindestens 127.000 Menschen ihre Arbeit. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein. Zugleich wollte Macri den Lohn-Inflationsausgleich auf maximal 20 Prozent begrenzen - eine Kampfansage in einem Land, in dem etwa die Hälfte der legalen Beschäftigungsverhältnisse staatlich ist.
Viele Argentinier haben eine eindeutige Meinung - entweder pro oder contra Macri. Er ist der erste Politiker, der sich nicht als Peronist bezeichnete und trotzdem demokratisch zum Präsidenten gewählt wurde. Macri, der früher dem Fußballklub Boca Juniors vorstand, ist unternehmerfreundlich und setzt zugleich auf den freien Markt. Aus dem Arbeitsministerium heißt es, Macri wolle die alten Gewerkschaftsführer aus ihren Posten drängen. Die fordern Jobs, die auch deshalb nicht entstehen, weil die Investitionen, um die Macri auf der ganzen Welt wirbt, bislang ausbleiben. Die Gewerkschaften fordern ein Umsteuern; Sie wollen einen peronistischen, also linksnationaleren Kurs, der die produzierende Industrie stärken soll.
Geld in Tüten, Geld auf KontenAuch solche Dinge treiben die Menschen auf die Straße, weil sie sich betrogen fühlen um ihre Chancen. Der landesweite Arbeitsausstand ist ein Anlass dafür, ihre Wut zu zeigen. Der Generalstreik ist zugleich ein deutliches Signal an das marktliberale Staatsoberhaupt: Der Burgfrieden ist vorbei. Die CGT kündigte bereits vergangene Woche an, weitere Arbeitsausstände folgen zu lassen.
Quelle: n-tv.de
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