Roland Peters

Journalist, Korrespondent und Reporter

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Der "Feuerball" von Parsons Green

Auch Stunden nach der Explosion sind an der Station zahlreiche Krankenwagen zu sehen. (Foto: REUTERS)

Mehr als 100 Menschen drängen nach einer Explosion vom Bahnsteig in Parsons Green, überrennen selbst verletzte Kinder. Olaniyi ist in der kleinen Londoner Station, als die Stadt einen neuen Anschlag erlebt.

Von Roland Peters, London

Als die Panik kam, schützte Olaniyi sein Gesicht. Um ihn herum drängten die Menschen nach draußen, aus panischer Angst um das eigene Leben. Sie überrannten sich gegenseitig und dabei auch Kinder, manche verletzt von dem "Feuerball", der plötzlich durch den Zug im Londoner Underground geschossen war. Ein selbstgebauter Sprengsatz war explodiert - ein weißer Plastikeimer mit Zeitzünder, der jedoch nicht so hochging wie geplant. Mindestens 22 Menschen wurden verletzt, die Londoner Behörden sprechen von einem Terrorakt.

Olaniyi war auf dem Weg zur Arbeit, stand auf dem vollen Bahnsteig. Er hatte Kopfhörer auf und hörte die Schreie zunächst nur durch seine Musik. "Ich dachte es wäre ein Säureangriff, so etwas gab es in letzter Zeit öfter", sagt der 24-Jährige. Nervös fahren seine Augen von links nach rechts. Seine Lippen zittern leicht, wenn er nun darüber spricht, wie er "pures Glück" gehabt habe. "Ich bin froh, dass ich noch lebe."

Olaniyi sah Kinder und Frauen mit Brandverletzungen im Gesicht, schaffte es nach draußen, weg aus der kleinen Station Parsons Green. Da seine Schwester eine Schule in unmittelbarer Nähe besucht, rief er seine Mutter an und versuchte herauszufinden, ob es der Zwölfjährigen gut geht. Ihr war nichts passiert, aber die Verantwortlichen entschieden, es sei sicherer, die Kinder im Schulgebäude zu behalten. Niemand wusste, ob es die einzige Bombe gewesen sein würde.

Nun wartet Olaniyi darauf, dass seine Schwester herauskommt und er sie nach Hause bringen kann. Die Explosion geschah in einem Wagen der District-Linie, während er mit offenen Türen in der Station stand, berichtet Olaniyi. "Wer weiß, wie schlimm es im geschlossenen Waggon während der Fahrt gewesen wäre."

In einem Café nahe der Station sei ein lauter Knall zu hören gewesen, sagt eine Kellnerin dort der BBC: "Es waren mehr als 100 Menschen - Frauen kamen heraus ohne Schuhe, angeschlagen und zerschrammt." Ein verletzter Fahrgast, der im Waggon saß, sagte: "Ich telefonierte gerade und hielt mein Gesicht seitlich zum Ort der Explosion". Plötzlich habe er einen extrem heißen "Feuerball" über seinem Kopf gespürt. Die Hitze fügte ihm Brandwunden im Gesicht zu und versengte seine Haare. "Es gab Menschen, die sahen deutlich schlimmer aus als ich."

"Eine ruhige Gegend"


Immer wieder fahren Krankenwagen in die abgesperrten Straßen hinein und wieder hinaus, auch noch Stunden nach der Explosion ertönen die Sirenen in den Straßen der Umgebung. Die Linie ist auf ihrem Weg nach Süden zwischen Earl's Court und der Endstation Wimbledon unterbrochen, mindestens bis zum Betriebsschluss an diesem Freitag.

Parsons Green befindet sich in Fulham, einem zentralen Mittelklasse-Stadtteil. Die Polizeistation ist nur 500 Meter entfernt. Von dort aus in Richtung der Station gibt es auf der Fulham Road kleine Cafés und Kleidergeschäfte in englischen Wohnhäusern, aber auch einen Laden mit Werkzeug, Haushaltswaren, sowie einen Tattoo-Shop. Die Gegend ist abgesperrt, über dem Viertel kreisen mitunter zwei Hubschrauber gleichzeitig. Eine mobile Polizei-Einsatzzentrale mit Satellitenschüssel auf dem Dach hat sich zwei Blocks von Parsons Green entfernt positioniert. Beamte in Schutzkleidung passen auf, dass sich niemand der Station nähert.

Von den vorherigen Terroranschlägen in London war Olaniyi nie persönlich betroffen, hatte aber danach immer rund eine Woche lang ein komisches Gefühl. "Dann geht das Leben einfach wieder seinen Gang." Ob das diesmal auch so sein wird, das kann er nicht beantworten. "Dies ist eine ruhige Gegend, ich hätte nie erwartet, dass hier so etwas passiert", sagt er kopfschüttelnd. Seine Stimme wird leiser. "Ich verstehe es immer noch nicht wirklich."

Quelle: n-tv.de


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