Robert Schmidt

Freier Journalist, Straßburg

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Volvic: Versiegende Bachläufe

In der Werbung wirkt das Land bei Volvic wie eine grüne Idylle. Uralte Vulkane prägen die Landschaft rund um die kleine Gemeinde in der zentralfranzösischen Auvergne, aus der das Volvic-Mineralwasser stammt. Der Konzern lässt es hier fördern, in Flaschen füllen und verspricht dabei, stets "nur so viel Wasser zu entnehmen, wie es die Natur erlaubt".

Viele Bewohner der Gegend bezweifeln das. Seit Jahren beobachten Bürger und Bauern, dass die Bäche weniger Wasser führen. An nur einem Tag, so hat eine Bürgerinitiative gezählt, hätten mehr als 200 Lastwagen und einige Dutzend Güterzüge die Abfüllanlage von Danone in Volvic verlassen. Ihre Ladung: Mineralwasser in Plastikflaschen für die Supermärkte der Welt.

Vertrauliche Dokumente, die der ZEIT und der französischen Internetzeitung Mediapart vorliegen, erhärten nun den Verdacht eines Zusammenhangs zwischen der massenhaften Förderung von Mineralwasser und der Wasserknappheit der Region. Sie deuten außerdem darauf hin, dass Danone und die Behörden seit Jahren davon wissen.

Danone ist ein Weltkonzern aus Paris mit 25 Milliarden Euro Jahresumsatz, zu dessen größten Marken neben Volvic das Mineralwasser Evian und Milchprodukte wie Actimel gehören. Édouard de Féligonde dagegen ist ein ortsansässiger Unternehmer. Seit Jahrhunderten betreibt seine Familie in der Nähe von Volvic eine Fischzucht, die sogar zum historischen Erbe Frankreichs erklärt wurde. Das Wasser für seine 40 verpachteten Becken liefert normalerweise der Bach Gargouilloux. Doch seit zwei Sommern sitzt de Féligonde buchstäblich auf dem Trockenen. Einige Becken sind fast ganz leer, in den anderen schimmert nur noch eine feuchte Masse braunen Schlamms. "Hier sind sonst jeden Tag Familien mit Kindern aus dem Ort zum Angeln hergekommen", sagt de Féligonde.

Acht Millionen Euro dürfte es allein kosten, die Anlage wieder herzurichten, sagt der Unternehmer. Das Geld wolle er sich von Danone holen, denn der Konzern sei schuld am Wassermangel.

Doch den Zusammenhang zwischen Mineralwasserförderung und versiegenden Bachläufen konkret zu beweisen ist schwierig. Bisher war die genaue Vernetzung des Wassersystems nicht öffentlich bekannt. Der ZEIT liegen nun interne Dokumente vor, die de Féligondes Verdacht stützen. Sie stammen teils aus dem Innern des Lebensmittelkonzerns, teils vom Comité de suivi. Diese lokale Kommission besteht aus Behörden- und Unternehmensvertretern, die sich regelmäßig über die Auswirkungen der Danone-Entnahmen auf den Zustand des Grundwassers austauschen.

Los ging der Ärger 2015. Der Sommer war in diesem Jahr außergewöhnlich heiß. Die Regierung des Departements Puy-de-Dôme stellte eine halbe Million Euro für von der Dürre betroffene Landwirte bereit. Aus den Unterlagen der Kommission geht hervor, dass Danones Entnahmen in Volvic im besonders trockenen Juli 2015 um etwa 15 Prozent über dem Jahresschnitt lagen. Zwei Jahre später wiederholte sich das Szenario: Laut dem Protokoll der Kommission sei Danones Verbrauch auch 2017 in den Monaten Juli und August "leicht angestiegen". Zu der Zeit galten für Bürger und Bauern im gesamten Departement strenge Wasserspar-Auflagen.

Auch 2018 zog der Konzern die Produktion an, während für das Departement damals gar der Dürre-Notstand ausgerufen wurde. Und trotz vieler Proteste genehmigte die Präfektur im nahen Clermont-Ferrand während des heißen Sommers 2020 für die Dauer von sechs Monaten noch einmal eine "vorübergehende Erhöhung der Abflussmenge". Die Begründung: Danone wolle eine neue Entnahmestelle testen. Hier abgepumpte Wassermengen sollten dem Grundwasser später wieder zugeführt werden, ist in den Genehmigungsunterlagen zu lesen. Der Konzern solle das "Gesamt-Resultat" dieses Vorhabens selbst überwachen, heißt es weiter.

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