Robert Schmidt

Freier Journalist, Straßburg

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Rechtsextremismus: Parlez-vous Nazideutsch?

Kein Supermarkt, der Bus fährt nur alle paar Stunden, an jedem zweiten Haus hängt ein "Zu Verkaufen"-Schild: Das lothringische Volmunster hat vieles mit deutschen Dörfern gemeinsam. In einem Punkt unterscheidet sich der französische Grenzort mit 800 Einwohnern aber von der heimischen Provinz: Volmunster ist ein Anlaufpunkt für Verehrer des Nazi-Regimes aus ganz Europa. Französische Medien berichten immer wieder über von Deutschen organisierte Rechtsrock-Konzerte. Sie finden mindestens einmal im Jahr auf einem privaten Grundstück im Ortsteil Eschviller statt.

Folgt man den Einfamilienhäusern mit den schlichten Fassaden aus dem Ort hinaus auf einen Feldweg, stößt man auf einen freistehenden Garten. Im Gras liegen leere Bierflaschen und -dosen, es gibt eine Grillstelle, in der Mitte steht eine Bühne. Gleich am Eingang prangt auf einer Metallplatte ein Sticker der "Jungen Freiheit" mit einem durchgestrichenem "P.C.": Political Correctness unerwünscht.

Was das praktisch bedeuten könnte, ist nun durch die örtliche Tageszeitung Républicain Lorrain bekannt geworden. Auf dem Grundstück stand eines Morgens ein Gedenkstein zu Ehren einer Waffen-SS-Einheit. "Wir haben am Donnerstagmorgen von der Existenz des Gedenksteines erfahren", sagt Jean-Luc Jaeg, der zuständige Staatsanwalt. Die Tafel habe sich gut sichtbar auf dem Feld eines Deutschen befunden und sei noch am selben Tag entfernt worden. Mittlerweile ermittelt die örtliche Polizei gemeinsam mit einer nationalen Sondereinheit gegen den Grundstücksbesitzer, wegen "Verherrlichung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit".

Einwohner sind schockiert

Die Einwohner sind entsetzt, vor allem angesichts ihrer Geschichte. Ein Teil der verherrlichten SS-Division soll für ein Massaker 1944 im Dorf Maillé verantwortlich sein. Maillé liegt im Zentrum Frankreichs, 124 Menschen wurden damals ermordet. Manche Dorfbewohner erzählen, wie ihre Familie während des Krieges von den Deutschen vertrieben wurde. "Schockierend" sei das erneute Aufkommen von Rechtsextremen, "traurig" und "eine Provokation". So äußern sich die meisten der befragten Anwohner. "Ich bin zutiefst wütend und empört", schreibt auch Jacques Maréchal, Vorsitzender der kommunistischen Partei PCF, in einer Mitteilung. Ein Verein zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus, Licra, erwägt sogar eine Klage.

Weder der amtierende Bürgermeister noch der Ortsvorsteher antworten auf Anfragen. "Das ist doch skandalös, dass wir uns mit so etwas rumschlagen müssen", ärgert sich Claude Koeberle, der ehemalige Ortsvorsteher. "Man muss diesem Treiben nun endlich einmal Einhalt gebieten." Gemeinsam mit anderen Dorfbewohnern macht Koeberle schon seit Jahren darauf aufmerksam, dass Rechtsextreme am Rande seines Ortes aktiv sind. Da es bei den Veranstaltungen bislang nur zu geringfügigen Verstößen wie Falschparken gekommen sei, seien die Behörden aber nicht eingeschritten. Dabei steht auch in Frankreich die Verharmlosung von Kriegsverbrechen zur Strafe, wie die Reaktion auf den Gedenkstein zeigt. Allerdings sind die französischen Gesetze weniger streng als die deutschen. Der Hitlergruß ist zum Beispiel nicht generell verboten.

Saarländischer Verfassungsschutz beobachtet Grenzort

Auch die Sprachbarriere kommt den Rechtsextremen zugute. Von "lauter Rockmusik" an Sommerabenden sprechen die Anwohner des Ortes, die Texte habe man aber nicht verstanden. Nur ein Nachbar will mehrmals "Heil"-Rufe ausgemacht haben. Außerdem berichten die Dorfbewohner von Reisebussen voller Besucher und von "glatzköpfigen" und "tätowierten" Deutschen.

Diese Angaben decken sich mit Informationen aus dem Jahresbericht 2016 des saarländischen Verfassungsschutzes. Demnach finden auf dem betroffenem Grundstück seit Jahren "musikalische Großereignisse" mit rechtsextremen Szenebands statt. Beispielhaft dafür stehe ein "Open Air" mit der rechtsextremistischen Bremer Szeneband "Kategorie C - Hungrige Wölfe" im Sommer 2016, unterstützt durch den Gütersloher NS-Rapper Julian F. alias "MaKss Damage". Die Initiative zu den Veranstaltungen gehe von den saarländischen Hammerskins aus, einer Gruppe, die ein "rassistisches und nationalistisches Weltbild" pflegt. Nach Recherchen der Antifa im Saarland und in Freiburg gehört das Gelände dem Püttlinger Hammerskin Robert K. Er habe das Grundstück im Jahr 2009 für nur 1.500 Euro erworben. Vorher gehörte es laut Mitgliedern des Ortsrats einer deutschen Familie aus einer nahe gelegenen Gemeinde.

Grenzorte besonders lukrativ

Volmunster ist aber nur einer von vielen Veranstaltungsorten in der Umgebung. Im benachbarten Lengelsheim hat es mehrere Neonazi-Konzerte in einer Scheune gegeben, zuletzt im vergangenen Februar. Laut dem Bürgermeister der Gemeinde könnte ein gewisser Pablo A. verantwortlich sein, ein Veranstalter von Hammerskin-Konzerten aus dem baden-württembergischen Rastatt. Zuständig für den als Geburtstag getarnten Abend war offiziell aber ein deutscher Anwohner von Lengelsheim. Auch eine Feier mit 200 Teilnehmern zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers 2014 im Veranstaltungssaal des elsässischen Oltingue war unter einem Vorwand angemeldet worden. Bands, die den Nationalsozialismus verharmlosen, gab es zudem im nicht weit entfernt gelegenen Gemeinden Rohrbach-lès-Bitche und auf einem Privatgrundstück in Walschbronn. Und in der lothringischen Gemeinde Combres-sous-les-Côtes betreiben französische Hammerskins den Veranstaltungsort "Taverne de Thor", Thors Taverne.

"Die Initiative zu solchen Konzerten geht allerdings meist von Deutschen aus, die auch wenigstens die Hälfte der Besucher stellen", erklärt der Rechtsextremismusforscher Jean-Yves Camus. Die Organisatoren stammten nicht nur aus dem Hammerskin-Umfeld, sondern seien auch zur ebenfalls rechtsextremen Blood-and-Honour-Bewegung zuzurechnen. Um ungestört feiern zu können, suchten deutsche Organisatoren zunehmend Anlaufstellen im grenznahen Ausland. Lothringen und das Elsass bieten sich für die diskret organisierten Veranstaltung besonders an: "Die Nähe nicht nur zu Deutschland, sondern auch zu Ländern wie Luxemburg und Belgien sorgt dafür, dass es ausreichend zahlendes Publikum gibt." Und das gibt es: In der Stadt Toul kamen 2012 gar 2.000 Besucher zum Europa-Treffen der Hammerskins zusammen, dem sogenannten Hammerfest. Ein Journalist der Berliner Zeitung, der die Veranstaltung begleitet hatte, berichtete von "Neonazis in Hochwasserhosen" und "T-Shirts mit martialischen Logos von Bands, die 'Sturmwehr' heißen oder 'Blutzeugen'." Schon damals hieß der Treffpunkt Volmunster. An jenem Tag war der Garten aber offensichtlich zu klein.

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