Immer mehr Moskauer wollen ihre Wohnungen nicht an Ausländer vermieten. Am schwierigsten haben es Menschen aus dem Kaukasus oder Zentralasien, doch auch Deutsche können betroffen sein.
Klagen über horrende Mieten gehören zum Moskauer Alltag. Doch Geld alleine reicht mitunter nicht, um in Moskau eine Wohnung zu mieten. Da die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot in der Metropole Moskau weit übersteigt, können die Vermieter die Bedingungen definieren. Und immer öfter gehört zu diesen Bedingungen auch die nationale oder ethnische Herkunft der Mietinteressenten.
Moskaus größte Mietbörse im Internet ist cian.ru. Wer eine Wohnung sucht, landet fast unweigerlich hier - gegenüber anderen Plattformen hat cian.ru den Vorteil, dass gefälschte Lockangebote von Maklern hier schnell aussortiert werden. Im Telegrammstil sind in den Anzeigen auf der spartanisch designten Webseite Angebot und Anforderungen an Interessenten notiert. Immer häufiger ist hier zu lesen: „Nur für Slawen", „Slawische Familie" oder schlicht „Slawen".
Das Thema kommt in Variationen vor, manchmal wird das Kriterium auch negativ definiert: „Alle, außer Asien und Kaukasus." Manch einem ist die Staatsbürgerschaft wichtig, dann heißt es „Nur RF" nach der Abkürzung für „Russische Föderation", manchmal sollen es auch nur ethnische Russen mit russischer Staatsbürgerschaft sein. Einigen ist wohl auch das Urteil der Nachbarn wichtig, dann wird vom Mieter ausschließlich verlangt, dass er über ein „slawisches Äußeres" verfügt. Und Moskau wäre nicht Moskau, wenn sich nicht auch Toleranz noch vergolden ließe: Eine Zweizimmerwohnung zum Preis von 40 000 Rubel (etwa 900 Euro) wird „für alle" angeboten, gleichzeitig lässt der Inserent wissen, dass der Preis für „Asiaten" bei 43 000 Rubel liegen würde.
Erstaunlicher noch als die offene Diskriminierung, die aus knapp jeder zweiten Anzeige bei cian.ru spricht, ist die Tatsache, dass es kaum eine gesellschaftliche Debatte in Russland über das Phänomen gibt. Während Artikel zu den negativen Begleiterscheinungen von Arbeitsmigration aus Zentralasien und dem Kaukasus in russischen Zeitungen alltäglich sind, während Politiker darüber klagen, dass die „Gastarbeiter" ihren Wohnsitz an fiktiven Adressen registrieren lassen, wird die Ungleichbehandlung von Ausländern und sogar russischen Staatsbürgern bei der Wohnungssuche kaum als Problem wahrgenommen.
Einer, der darüber schrieb, ist der aserbaidschanische Journalist Gamid Gamidow. Auf der Webseite des Radiosenders „Echo Moskwy" schildert er seine Erfahrungen bei der Wohnungssuche in Moskau. Bis heute erinnert er sich an eine Anzeige, in der es hieß: „Ich bin bereit, meine Wohnung sogar Kirgisen zu geben, aber nur kein Kaukasus." Als Gamidow nach zahlreichen Absagen schließlich eine Wohnung fand, war es seine Vermieterin - nach seinen Worten eine intelligente, kultivierte Russin mittleren Alters -, die sich von ihren Nachbarn Vorwürfe anhören musste, warum sie ihre Wohnung einem „Schwarzen" gegeben habe.
Für Deutsche mag sich die Wohnungssuche in Moskau etwas einfacher gestalten als etwa für Tadschiken. Doch eine Garantie dafür, am Telefon nicht mit den Worten „Ihr passt uns nicht" abgespeist zu werden, gibt es nicht. Ausländische Mietinteressenten jeglicher Herkunft müssen sich darauf einstellen, gleich beim ersten Anruf bei einem Makler ausführlich ihr Äußeres zu beschreiben. Ein besonders erfahrener Vertreter seines Standes etwa fragte sofort nach: „Deutscher? Was für ein Deutscher? Neulich hatte ich hier einen Franzosen, der sich dann als schwarz herausstellte."