Auf meinen Reisen treffe ich immer wieder sehr ausgefallene Leute, die spannende Geschichten erzählen - zum Beispiel Pawel in Breslau / Wroclaw:
Breslau, Wroclaw, Polens mit 680.000 Einwohnern viertgrößte Stadt, entdeckt ihr deutsches Erbe wieder. Nachdem die Offiziellen jahrzehntelang die deutsche Geschichte der Stadt verschwiegen, ist die von Max Berg erbaute Jahrhunderthalle von 1913 inzwischen renoviert. Als Kulturhauptstadt entsteht derzeit WuWa 2, der Nachfolger der legendären Wohn- und Werkraumausstellung WuWa von 1929. Damals bauten schlesische Architekten Ikonen der heute klassischen Moderne wie das ehemalige „Ledigenheim", das die Polen wie andere WuWa-Bauten restaurieren. Keine andere europäische Stadt dieser Größe hat im 20. Jahrhundert den kompletten Austausch seiner Bevölkerung erlebt. Die Deutschen zogen 1945/46 nach Westen und Polen aus der heutigen Westukraine nach Schlesien. Die jüngeren haben keine Berührungsängste mehr mit der dramatischen Geschichte ihrer Stadt, die die Nazis noch 1945 zur „Festung" erklärten. Jenseits der damaligen Kaiser- und heutigen Grunwaldzki-Brücke rissen sie ganze Straßenzüge ab, um eine Start- und Landebahn zu bauen. So setzte sich der Gauleiter der Region beim Anmarsch der Roten Armee nach Westen ab. Zurück blieben Ruinen, aber auch komplett erhaltene preußische Altbauviertel wie Nadodrze (sprich Nadodsche), in dem zwischen uralten Werkstätten Kreative Start-Up-Unternehmen, alternative Cafés und Galerien eröffnen. Ihnen geht der deutsche Name ihrer Stadt Breslau inzwischen genau so locker über die Lippen, wie das polnische Wroclaw. 2016 wird das neue, alte Breslau zusammen mit dem baskischen Donostia / San Sebastián Europäische Kulturhauptstadt.
Mein Radiobeitrag zum nachhören: WDR5 Osteuropa-Magazin - Breslau Kulturhauptstadt