Robert B. Fishman

Journalist, (Hörfunk-)Autor, Fotograf, Moderator, Workshop-Trainer, Bielefeld

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Ackerland in Bauernhand | Forum - Das Wochenmagazin

große und schwere Landmaschinen verdichten die Böden und schaden auf Dauer der Bodenfruchtbarkeit

Eine Genossenschaft kauft von den Einlagen ihrer Mitglieder Ackerland für Öko-Landwirte - denn die Preise für urbares Land sind in den vergangenen Jahrzehnten rasch gestiegen, auch durch Finanzspekulation.

Bio-Landwirtschaft ist gesünder für Mensch und Umwelt, heißt es. Doch sie hat einen Nachteil, sie benötigt mehr Land für den gleichen Ertrag im Vergleich zu konventioneller Landwirtschaft. Und Deutschland geht der Agrarboden aus.


Das hat mehrere Gründe. Seit es für Sparkonten und Anleihen kaum noch Zinsen gibt, kaufen Anleger und Spekulanten immer mehr Agrarland. Im Umland der teuren Großstädte verkaufen Bauern zudem Flächen als Bauland. Mit den Erlösen erwerben sie Äcker weiter draußen. Gleichzeitig verschwinden jeden Tag in Deutschland rund 60 Hektar, also 600.000 Quadratmeter Land, unter Asphalt und Beton. In den letzten 15 Jahren wurden hierzulande rund 6.500 Quadratkilometer Fläche mit Straßen, Häusern und Industrieanlagen überbaut. Das entspricht ungefähr der achtfachen Fläche von Berlin oder rund einem Drittel des Landes Hessen.


Hohe Nachfrage und ein geringes Angebot treiben daher die Bodenpreise. Im Nordosten Deutschlands kostete ein Hektar Land 2009 rund 5.000 Euro. 2018 waren es durchschnittlich 15.000, im bundesweiten Durchschnitt sind es heute rund 25.000 Euro, nach 10.000 im Jahr 2008. In Osteuropa sind die Preise noch stärker gestiegen - in Rumänien zum Beispiel von 2002 bis 2012 nach Angaben des Boden-Atlas der Heinrich-Böll-Stiftung um fast 2000 Prozent.


 25.000 Euro pro Hektar

Deshalb kauft die Bio-Boden-Genossenschaft von den Einlagen ihrer Mitglieder, ein Anteil kostet 1.000 Euro, Acker und Grünland sowie ganze Höfe und verpachtet sie an Biobauern. Sie überlässt die Flächen nur Landwirten, die nach den Richtlinien der Anbauverbände wie Demeter, Naturland oder Bioland wirtschaften. Bio-Boden-Sprecher Jasper Holler: „Nur wer Land dauerhaft nutzen kann, kann wirklich die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität stärken. Der Flaschenhals ist das Kapital."


„Landwirtschaftliche Nutzflächen sind in der Regel ein langfristiges Anlageziel, mit dem zuletzt sehr gute Wertentwicklungen erzielt werden konnten", heißt es im Magazin Brokertest. Inzwischen kaufen sogar Versicherungskonzerne und Inhaber von Möbelhäusern immer mehr Ackerland, die private Stiftung des Aldi-Erben Theo Albrecht junior hat in Thüringen für 27 Millionen Euro 4.000 Hektar Acker- und Weideland erworben Der Thünen-Report des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) berichtete schon 2017, dass in zehn ostdeutschen Landkreisen gut ein Drittel der landwirtschaftlichen Unternehmen überregionalen Investoren gehöre - Tendenz weiter steigend.


Die industrielle Landwirtschaft verschärft das Problem. Mit der wachsenden Weltbevölkerung steigt die Nachfrage nach Lebensmitteln. So versuchen Bäuerinnen und Bauern, auf der gleichen Fläche immer mehr zu ernten. Die Folge: Böden laugen aus und die Erträge gehen langfristig zurück. Man braucht also auf Dauer für die gleiche Menge an Lebensmitteln immer mehr Land. Gleichzeitig verwandeln Betriebe Flächen in Maiswüsten und andere Monokulturen. Die Ernten wandern in Biogasanlagen oder in die Mägen von immer mehr Rindern und Schweinen. Der wachsende Fleischhunger der Menschheit braucht ebenfalls immer mehr Fläche. Inzwischen dienen 78 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Tierhaltung oder dem Anbau von Futtermitteln. Allein in Deutschland verlieren nach Angaben des Bodenatlas der Heinrich-Böll-Stiftung jedes Jahr 77 Hektar Land „ganz oder teilweise seine Funktion". Dies entspricht einer Fläche von mehr als 100 Fußballfeldern.


Mit den Bodenpreisen steigen auch die Pachten. Das Nachsehen haben vor allem junge Landwirte, die einen Betrieb kaufen oder erweitern wollen. Ihr Kapital reicht nicht, um bei diesen Preisen mitzubieten. Das trifft vor allem die kurzfristig weniger ertragreichen, meist kleineren Bio-Betriebe, die Landwirtschaft extensiver, nachhaltiger und klimafreundlicher betreiben wollen als ihre „konventionellen" Konkurrenten.


Gleichzeitig kommen die Bio-Bauern in Deutschland mit ihrer Produktion der steigenden Nachfrage nicht mehr hinterher. Die Folge: Immer mehr Produkte werden importiert. Aktuell werden etwa zehn Prozent der Felder in Deutschland nach den Bestimmungen der EU-Bio-Verordnung oder den strengeren Vorgaben der Anbauverbände wie Naturland, Bioland oder Demeter bewirtschaftet. Die EU und die deutsche Bundesregierung wollen den Anteil verdoppeln. Doch dafür braucht es mehr Land.


„Wir treiben die Preise nicht in die Höhe, weil wir uns am Bodenrichtwert und nicht nur an Marktpreisen orientieren und uns nicht an Versteigerungen beteiligen", so Bio-Boden-Sprecher Jasper Holler auf den Einwand, die Genossenschaft treibe als weitere Nachfragerin die Preise ebenfalls.


Bio-Boden kauft nur Grundstücke, die Landwirte gerade brauchen. Beispiel: Ein Verpächter will oder muss Ackerflächen verkaufen. Der Landwirt, der die Flächen bewirtschaftet, kann sie sich nicht leisten. Bevor das Land nun an branchenfremde Investoren oder an einen konventionell wirtschaftenden Betrieb geht, kauft es Bio-Boden und verpachtet es dem Bauern, damit er weitermachen kann.


Einen Markt für Land wird es auch weiterhin geben: „Rund ein Drittel der heute aktiven Landwirte wird in den nächsten acht bis zwölf Jahren in Rente gehen. Viele von ihnen werden ihr Land und ihre Höfe verkaufen, um vom Erlös im Alter zu leben."


Investition in bessere Böden

Die Nachfrage ist gewaltig, berichtet Holler. In den sechs Jahren seit ihrer Gründung hat die Genossenschaft nach eigenen Angaben 5.600 Mitglieder gewonnen, die zusammen 44 Millionen Euro eingebracht haben. Davon habe Bio-Boden 4.100 Hektar Land und 71 Bauernhöfe gekauft, zum Beispiel in der Uckermark eine komplette Agrargenossenschaft mit mehr als 800 Hektar Land. Dieses nutzt jetzt der Ökolandbau-Betrieb Brodowin. Auch kleine Höfe von der Gärtnerei bis zum Weingut lassen von der Genossenschaft Land sichern. Im Stettiner Haff beweiden Rinder eines Ökobauern dank der Hilfe von Bio-Boden eine Vogelschutzinsel. Und in Brandenburg baut ein Landwirt erfolgreich Bio-Walnüsse auf Bio-Boden-Äckern an. Diese werden bisher zu 95 Prozent importiert.

Jasper Holler, Initiator der Bio-Boden-Genossenschaft - Foto: BioBoden Genossenschaft

Wer bei Bio-Boden drei Anteile à 1.000 Euro kauft, finanziert damit im Durchschnitt den Erwerb von 2.000 Quadratmetern Land. Das ist rein rechnerisch die Fläche, die man braucht, um einen Menschen zu ernähren.


Professor Alfons Balmann forscht am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) unter anderem zum Wandel der Landwirtschaft in Ostdeutschland und osteuropäischen Ländern wie der Ukraine. Auch er sieht die Probleme vor allem junger Landwirte, die einen Betrieb gründen oder übernehmen wollen. In Westdeutschland brauche man dafür etwa eine Million Euro Startkapital. Die Konkurrenz in der Landwirtschaft nennt der Agrarökonom „extrem scharf". Wer da nicht hochrentabel arbeite, könne sich auf diesem Markt nicht behaupten. BioBoden finanziert bei Übernahme ganzer Höfe auch die Technik mit.


Bisher sei die Bio-Boden-Genossenschaft „so klein, dass sie auf dem Gesamtmarkt noch keine spürbare Rolle" spiele. Balmann warnt vor der Gefahr, dass zu wenig qualifizierte Landwirte über Bio-Boden Land bekämen und dann im Wettbewerb nicht bestehen könnten. Die Genossenschaft argumentiert dagegen, dass sie Land nur an erfahrene Bauern vergebe und die Landwirte bei Betriebsübernahmen oder Gründungen weiter begleite.

2020 verzeichnete die Bio-Boden den größten Zuwachs ihrer kurzen Geschichte. Die Mitglieder investieren aus Idealismus. Eine Rendite bekommen sie vorerst nicht. Auch wenn das in der Zukunft „nicht ausgeschlossen" sei.


www.biododen.de

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