Gabriel Hartmann

Journalist, Wien | München | Kocaeli

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Nach Beben: Roter Halbmond verkaufte überteuert Zelte

Titelbild: LOUAI BESHARA / AFP / picturedesk.com

Der Türkische Rote Halbmond, die größte Hilfsorganisation des Landes, verkaufte nach den Beben zum Teil überteuert Zelte. Indes löste die Polizei in İstanbul gewaltsam eine entsprechende Demonstration auf.

Wien/İstanbul | Der Türkische Rote Halbmond (Kızılay), die Schwesternorganisation des Roten Kreuzes, wird dafür kritisiert, dass er Zelte für Erdbebenopfer überteuert verkauft habe. Kızılay hat drei Tage nach der Erdbebenkatastrophe in Maraş unter anderem 2050 Zelte für circa 2,3 Millionen Euro an die soziale Hilfsorganisation AHBAP verkauft. Das berichtete Murat Ağırel von der Zeitung Cumhuriyet. Dabei soll man sich auf einen ermäßigten Sonderpreis von 19.000 Türkische Lira (ca. 950 Euro) pro Zelt geeinigt haben.


Selbst Lebensmittelrationen wurden verkauft

Der Gründer von AHBAP, der bekannte türkische Rockmusiker Haluk Levent, bestätigte den Verkauf. Er verwies außerdem darauf, dass selbst die Katastrophenschutzbehörde AFAD, die dem Innenministerium unterstellt ist, von Kızılay Zelte gekauft haben soll. Zusätzlich soll das Tochterunternehmen Kızılay Lojistik A.Ş (Roter Halbmond Logistik) 30.000 Lebensmittelrationen an AHBAP verkauft haben. Levent rechtfertigte den Kauf damit, dass unmittelbar nach den Beben nirgendwo anders soviel Zelte so schnell hätten organisiert werden können. Der Leiter von Kızılay Kerem Kınık verteidigte den Kauf weiters als moralisch, rational und legal.


Verkauf überteuerter Zelte an Apothekerverband

Kızılay verwehrte sich auch gegen Kritik die Zelte nicht gespendet zu haben. Ein Tochterunternehmen namens Kızılay Çadır ve Tekstil A.Ş (Roter Halbmond Zelt und Textilie) habe die Zelte zu Produktionskosten verkauft. Die Erlöse seien an die Hauptorganisation zurückgeflossen, die damit die Produktion weiterer Zelte finanzieren könne. Der Journalist Ağırel zweifelte an der Darstellung, die Zelte seien nur zu Produktionskosten verkauft worden. So habe beispielsweise der türkische Apothekerverband fünf Zelte mit 75 Quadratmeter für jeweils circa 7990 Euro gekauft.


TİP-Demonstration gewaltsam aufgelöst

In der Nacht von Sonntag auf Montag demonstrierten Anhänger der Türkischen Arbeiterpartei (TİP) im İstanbuler Stadtteil Kadıköy gegen Kızılay und den als profitorientiert wahrgenommenen Zeltverkauf. Die Polizei griff mit dem Einsatz von Schlagstöcken hart durch und verhaftete über 100 Parteimitglieder, darunter auch Erdbebenopfer. Außerdem wurden Journalisten daran gehindert eine Pressekonferenz von TİP-Parlamentariern, sowie den Polizeieinsatz gegen die Demonstration zu filmen. Die Organisation und der Abtransport von Hilfsgütern durch TİP wurden erheblich auch dadurch behindert, dass die Polizei Barrieren rund um die lokale Parteizentrale errichteten.

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