Gabriel Hartmann

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"Zynisches Ping-Pong-Spiel": Babler zu Asyl-Debatte

Titelbild: Christian Lendl

Wien, 12. Dezember 2022 | Die Initiative „Courage - Mut zur Menschlichkeit" hat heute Medienvertreterinnen zu der Pressekonferenz „Asylquartiere - Grundrechte sind kein Gnadenakt" im Presseclub Concordia geladen. Dabei kritisierte SPÖ-Bürgermeister Andreas Babler Bundeskanzler Karl Nehammer, mit „Asyltourismus" einen rechten Kampfbegriff zu nutzen. Traiskirchen helfe seit 1956 Menschen auf der Flucht. Die Politik sei zu menschenwürdigen Unterkünften verpflichtet. Die geringen Ankunftszahlen stehen im Kontrast zu den von ÖVP und FPÖ gewollten Massenunterkünften.


Lange Schlangen, keine Schuhe

Derzeit befänden sich 1.828 Menschen (Stand: 6. Dezember) im Traiskirchener Erstaufnahmezentrum. Das sind mehr Asylwerber als in der gesamten Landesgrundversorgung in Niederösterreich (1.353 Personen). Die Folge: lange Schlangen bei der Essensausgabe im kalten Freien sowie kaum sozialpädagogische Betreuung.

Babler warf dem Innenministerium zudem vor, Menschen obdachlos zu machen, indem Dokumente vorenthalten würden. Es gebe bereits verhandelte Quartiere, wie in Hollabrunn, die von ÖVP und FPÖ verhindert werden. Es kämen geflüchtete Familien, die seit mehr als 20 Tagen keine warme Mahlzeit gehabt hätten. Politische Entscheidungsträger nähmen bewusst den gesundheitlichen Schaden von Menschen in Kauf. Kinder hätten keine warmen Schuhe, teils nicht einmal Socken. Doch Traiskirchen bleibe bei seinem Grundsatz: „Niemand wird zurückgelassen."


30 Euro pro Tag für ein Bett

Privatquartiergeber Hannes Gollowitzer berichtete vom Spießrutenlauf bei den Behörden, wenn es um Sozialversicherung oder Schulanmeldung für Ukrainerinnen gehe. Er forderte eine Kompetenzverteilung und administrative Stabstellen. Gollowitzer beklagte, dass Wirte für die Unterbringung von Geflüchteten 30 Euro pro Tag bekommen, private Unterbringende dagegen nur einen Bruchteil davon. Es brauche einen höheren Mietzuschuss sowie ÖPNV-Karten für Geflüchtete.


"Lose-lose-Situation"

Migrationsforscherin Judith Kohlenberger meinte, solange es keine legalen Fluchtwege gibt, würden irreguläre Wege bleiben. Österreich sei „sehenden Auges und mit Anlauf" in die Unterbringungskrise gesteuert. Neben der Visapolitik Serbiens und Ungarn, wo man keinen Asylantrag stellen kann, sei die nicht funktionierende Umverteilung aus Griechenland ein wichtiger Faktor. Die Spirale nach unten, das „Nach-unten-Unterbieten" der EU-Partner, sei eine „lose-lose Situation".

Außengrenzschutz allein sei zu kurzsichtig, nachhaltige Lösungen wären legale Fluchtwege. Österreichs Schengen-Veto sei reine Ablenkung, hätte eine EU-Isolation Österreichs zur Folge und sei eine Annäherung an die Visegrad-Staaten oder sogar an Russland.

Die Grundversorgungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern werde nicht angewandt und nicht sanktioniert, dabei würde genau das bei einer fairen Verteilung und würdigen Unterbringung helfen, hieß es weiter auf der Pressekonferenz.


Obdachlosigkeit

Asylrechtsexperte Gahleitner-Gertz widersprach Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der behauptet hatte, die Zusammenarbeit funktioniere "gut". Tatsächlich gebe es steigende Obdachlosigkeit, während die Forderungen der Hilfsorganisationen verhallen.

Im Vergleich zu 2017 seien es dreimal soviel private Quartiergeber. Parlamentarische Anfragen zeigen, dass die Bundesländer-Quoten nicht eingehalten werden und so Mehrkosten geschaffen werde, da Bundesquartiere teurer seien. Statt sich um Lösungen zu kümmern, setze die türkis-grüne Bundesregierung lieber auf ein „zynisches Ping-Pong-Spiel zwischen dem ÖVP-geführten Innenministerium und ÖVP-geführten Bundesländern", von denen sich der Traiskirchner Bürgermeister „komplett gefrotzelt" fühle: „Die sollen endlich aufhören, Forderungen an sich selbst zu stellen und anfangen, ihre Arbeit zu machen." Machbare und vernünftige Lösungen dafür gäbe es, „entweder man setzt die um oder man soll den Platz bitte für Leute freimachen, die das können", so Babler.


"Gewolltes Symbol"

Auf ZackZack-Nachfrage nach Vorschlägen zu einer besseren Versorgung, meinte Babler: „Es braucht nur den politischen Willen, mehr nicht. Das Massenlager in Traiskirchen ist ein politisch gewolltes Symbol, die Ankunftszahlen gehen stetig zurück. Es stehen viele Unterkünfte leer."

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