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Unsere Autorin quartiert sich immer wieder bei fremden Menschen auf dem Sofa ein. Hier sind ihre fünf schönsten Erlebnisse.
<p>Im März 2012 plante ich einen Wochenendtrip nach Lyon, <strong>zum ersten Mal per Couchsurfing</strong>. Meine Gastgeber waren <strong>Barbora und David</strong>, sie Tschechin, er Amerikaner, <strong>beide von Beruf Uni-Dozenten</strong>. Das klang solide und vertrauenswürdig, fand ich. Ich war neugierig, aber auch ein bisschen nervös: Warum boten sie einer 21-Jährigen ihr Sofa an?<strong> Würde der Aufenthalt steif werden oder gar unangenehm?</strong> </p> <p>Beim gemeinsamen <strong>Willkommensessen mit Brot, Wurst und Käse </strong>verflogen meine Bedenken schnell. "Wir mögen es, Menschen aus aller Welt zu treffen", erklärten mir die beiden, und weiter: "Wenn wir selbst reisen, couchsurfen wir auch. <strong>Es ist definitiv interessanter als Hotelurlaub.</strong>"<br></p> <p>Am Tag darauf zog David mit mir los, um mir die Altstadt von Lyon zu zeigen. <strong>Ein erfahrener Dozent als enthusiastischer Privatführer</strong>, wie könnte man besser in die Stadtgeschichte eintauchen? Am Sonntagmorgen blickte ich von Barboras und Davids Balkon über die Dächer Lyons und wusste: <strong>Mein Couchsurfing-Abenteuer hat gerade erst begonnen.</strong></p>
Was ist Couchsurfing?
Couchsurfing.com ist ein kommerzielles Netzwerk, in dem User kostenlose Übernachtungen suchen und anbieten - oder sich einfach zu gemeinsamen Unternehmungen verabreden. Nach einem Aufenthalt können Gäste oder Gastgeber Referenzen auf dem Profil eines Users hinterlassen. Der User kann diese Referenzen nicht löschen, sie sind also ein wichtiger Sicherheitscheck.
Obwohl Couchsurfing gerade von jungen Reisenden oft gehyped wird, bekommt die Plattform immer wieder Kritik, beispielsweise wegen Datenschutzmängeln und für die Umstellung von Non-Profit zu For-Profit im Jahr 2011. Eine nicht-kommerzielle Alternative ist bewelcome.org. Weitere beliebte Gastgeber-Netzwerke und Tipps findest du hier.
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<p>Seit dem Lyon-Trip ist Couchsurfen <strong>Routine auf meinen Reisen - und manchmal meine Rettung</strong>. Als ich während einer Reise durch Zentralmexiko von Liebeskummer geplagt wurde, munterten mich vier verschiedene Gastgeber wieder auf. <strong>Die größte Überraschung darunter war Alfredo:</strong> Mit perfekt gestylter Gelfrisur und weit aufgeknöpftem Hemd wirkte er zunächst wie das personifizierte Latin-Lover-Klischee.<br></p> <p>Doch hinter der Fassade verbarg sich nicht nur ein einfühlsamer Zuhörer, <strong>sondern auch ein exzellenter Pianist</strong>: "Entspann dich erst mal, ich spiele für dich", sagte er, als wir das Haus seines Onkels betraten, <strong>und setzte sich ans Klavier</strong><strong>.</strong> Ich versank im flauschigen Wohnzimmerteppich, blickte an die hohe Stuckdecke und lauschte einer Bachsonate. Nach kurzer Zeit ging es mir besser, ein bisschen zumindest.</p>
Couchsurfing ist keine Dating-Webseite, aber...
In Mexico City wohnte ich zwei Wochen mit Miguel, seiner Mutter und seinem Hund zusammen. Ob Taco-Essen mit der gesamten Familie, mexikanisches Ritual (Limpia) auf einem Esoterikmarkt oder Klassikkonzert in seiner Uni - mit Miguel lernte ich die Stadt kennen und lieben. Aus Sympathie wurde Nähe, aus Nähe wurden Schmetterlinge im Bauch. Miguel und ich sahen uns danach noch einige Male, reisten gemeinsam durch mehrere Länder - und natürlich couchsurften wir dabei auch, zum Beispiel bei einer Familie in Istanbul.
Die Suche nach Dates sollte nie die Motivation für Couchsurfen sein; es ist sehr unangenehm, wenn man merkt, dass der Gast oder Gastgeber eigentlich auf etwas Sexuelles aus ist. Trotzdem: Beim Surfen lernt man oft großartige Menschen kennen. Obwohl Miguel und ich kein Paar mehr sind, ist und bleibt er ein wichtiger Freund und enger Vertrauter für mich.
Als ich fünf Monate in Berlin arbeitete, wohnte ich mit meiner besten Freundin in einer WG. Dort hatten wir genug Platz, selbst Gäste zu empfangen. Die ersten waren zwei Argentinier, Diego und Pedro, Hobbys laut Profil: Träumen, Theater, Tango. Wir verstanden uns super und genossen drei entspannte Tage.
Am letzten Abend schabten wir Spätzle mit einer alten Versicherungskarte, um unseren Gästen ein heimisches Gericht zu präsentieren. Während das Wasser blubberte, suchte Diego seinen Lieblings-Tango heraus und gab uns Tanzunterricht in der Küche. Kulturaustausch par excellence
<p>Quito verzauberte mich von Anfang an. <strong>Die Hauptstadt von Ecuador liegt versunken im Nebel zwischen den Anden und hat ein fast dörfliches Flair. </strong>In Quito couchsurfte ich bei Ana, einer kolumbianischen Schauspielerin. Mein Besuch bei ihr fiel mit einem traditionellen kolumbianischen Fest zusammen, dem <strong>Día de las Velitas </strong>(Tag der kleinen Kerzen).</p> <p>Am 7. Dezember zünden die Kolumbianer Lichter an, <strong>sprechen Wünsche aus</strong>, huldigen gegebenenfalls der Jungfrau Maria und läuten die Weihnachtszeit ein. So auch Ana und ihre Freunde: Ich stand neben ihnen, nahe des Äquators, <strong>setzte meine Kerze vorsichtig in eine Papierhülle</strong> und flüsterte meine Wünsche in die weite Nacht. Ein magischer Moment.</p>
Ein Restrisiko beim Couchsurfing bleibt, aber du kannst es minimieren.
Hier sind Tipps, um Gefahren zu umgehen und die Begegnung für beide Seiten so angenehm wie möglich zu gestalten:
Lies das Profil deines potentiellen Gastes oder Gastgebers vollständig durch, achte auf Beschreibung, Fotos und Referenzen. Zehn positive Referenzen sind eine gute Faustregel, gerne noch mehr. Checke gegebenenfalls auch die Profile der User, die die Referenzen geschrieben haben. Achte dabei nicht nur auf Anzahl, sondern auch auf Inhalt der Reviews: Wird die Person trotz positiver oder neutraler Gesamtbewertung als "etwas zu flirty" beschrieben? Dann lieber Finger weg! Du kannst die Suche auch filtern und dich erst mal bei Frauen, Familien, Paaren oder WGs einquartieren. Trotzdem gilt natürlich: Referenzen checken! Schreib eine nette, persönliche Anfrage und frage nach: Wie ist die aktuelle Wohnsituation? Wird dein Schlafplatz in einem separaten Zimmer, einem Gemeinschaftsraum oder dem Zimmer des Gastgebers sein? Couchsurfing bedeutet nicht, dass du tatsächlich auf einem Sofa schläfst - dein Schlafplatz könnte alles sein, von der Luftmatratze bis zum luxuriösen Gästebett. Erweise deinem Gastgeber eine kleine Aufmerksamkeit - bring ein Souvenir mit oder koche etwas Leckeres.
Ob die persönliche Chemie zwischen Gast und Gastgeber stimmt, kann natürlich niemand garantieren. Das merkte ich bei einem Aufenthalt in Spanien, meiner einzigen seltsamen Couchsurfing-Erfahrung. Obwohl mein Gastgeber ein sympathisches Profil und gute Referenzen hatte, wurde ich nicht richtig mit ihm warm.
Er schien das anders zu empfinden: Bei einer Party legte er mir mehrmals die Hand auf den Rücken, machte mir zahlreiche Komplimente. Obwohl er mir in seinem Ein-Zimmer-Appartement nie zu nahe kam, fühlte ich mich unwohl. Ich hörte auf mein Bauchgefühl und zog nach drei Nächten zu einem Bekannten um.