Reinhard Stegen

Journalist, Filmautor, Fotograf, Ettringen

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Eine Türkheimer Ausnahmeerscheinung

Reinhard Stegen

Theo Waigel erinnert an Leben und Werk des Türkheimer Ehrenbürgers. Der Katholik hatte es selten leicht Von Reinhard Stegen

Als Ausnahmeerscheinung bezeichnen ihn bis heute noch die Zeitzeugen. Der Türkheimer Steinmetz Gerhard Schröder erinnert sich an Joseph Bernhart: In seinem Arbeitszimmer im obersten Stock seines Hauses an der Wörishofer Straße habe der Schriftsteller auch nachts im Gespräch nur abgehobene Sätze über die Lippen gebracht.

Des Philosophen gedachten bei ihrer Jahrestagung im Türkheimer Gymnasium auch die Mitglieder der Joseph-Bernhart-Gesellschaft. Der Protektor des Vereins ist der frühere Bundesminister Theo Waigel. Er erinnert sich an eine Begegnung aus respektvoller Entfernung in seinem Geburtsort Ursberg. Dort habe ihn eine Nachbarin auf den Mann mit dem weißen Haar in der Klosterkirche aufmerksam gemacht mit der Bemerkung: „Der redet so schlau, dass man es gar nicht versteht".

In seinem Vortrag „Joseph Bernhart als widerständiger Dichter im Ersten und Zweiten Weltkrieg" beleuchtete Professor Klaus Wolf, wie klar Bernhart die gesellschaftliche und politische Lage in der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg bereits gedeutet hat. Anders als Thomas Mann und Bertolt Brecht habe der gläubige Katholik im Krieg eben keine „reinigende Wirkung" auszumachen geglaubt.

Seine tiefe Gläubigkeit wurde Bernhart in seinem Privatleben aber zum Verhängnis. Zwar hat er den Zölibat niemals angezweifelt. Aus eigener Fehleinschätzung heraus hatte er sich allerdings zum Priester weihen lassen, bevor er mit Elisabeth Nieland eine Beziehung einging, die immer wieder auf die Probe gestellt wurde. Nach der heimlichen Heirat in England trafen ihn die kirchlichen Sanktionen hart. Kirchliche Ämter blieben ihm verwehrt und er wurde aus der Katholischen Kirche ausgeschlossen. Anschließend musste er sich als freier Schriftsteller durchschlagen - teils veröffentlichte er sogar unter Pseudonym. Seinen Überzeugungen blieb er dennoch stets treu und ließ sich auch vom aufkommenden Nationalsozialismus nicht verbiegen.

Noch nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schrieb er in der Zeitschrift „Hochland" die alles andere als regimekomforme Weihnachtsbetrachtung „Hodie". Diese führte zwei Jahre später zu seinem Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer und damit zu einem Publikationsverbot. Sein Umzug von München nach Türkheim, wo er den Rest seines Lebens verbrachte, bewahrte ihn wohl vor weiteren Nachstellungen der Nazis. Theo Waigel wies auf das Versagen eines großen Teils der Intellektuellen in jener Zeit hin. Bernhart habe zu den wenigen gehört, die resistent waren gegen jegliche Anpassung.

Am Türkheimer Gymnasium wurde im Rahmen der diesjährigen Jahreskonferenz eine neue Stele zum Gedenken an Joseph Bernhart eingeweiht. Diese segnete der Pfarrer Martin Skalitzki, zusammen mit der Büste Joseph Bernharts.

Bei der Büste handelt es sich um ein Duplikat des im Schulgebäude befindlichen Originals. Bis vor Kurzem habe es noch vor Bernharts Türkheimer Haus gestanden, berichtete der Steinmetz Schröder. Das Haus habe aber inzwischen ein neuer Eigentümer bezogen. Dass dieser keinerlei Bezug zu Joseph Bernhart und seinem Werk habe, bedauert Schröder außerordentlich.

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