Anmelden
Passwort vergessen?

Neu bei torial?

Neu registrieren
Kleingedrucktes
Impressum Hilfe AGB Datenschutz
Kontakt
Newsletter

DE
Deutsch Englisch Französisch
  • Über torial
  • Blog
  • Portfolio
  • Recherche
  • {{{$value}}}

torial

Reiner Reitsamer

Journalist, Wien

Kontakt
Abonnieren
Feed Empfehlen
  • Portfolio
  • Profil
33 Abos und 8 Abonnenten
Reportage

Luft, Liebe und Leberkäs

Das Album von "Marjan & Lukas" mit dem Ohrwurm aus der Hölle

Luft, Liebe und Leberkäs Das Schlager-Duo Marjan & Lukas präsentiert sein Debütalbum "Luft und Liebe". Eine der beiden Zutaten wird heiß serviert.

Mittags reißt mich eine SMS von meinem guten Freund M aus dem Schlaf. „Gehe heute Abend zu einem Schlager-Showcase. Bock mitzukommen?", schreibt er. Wenig später folgt ein Nachtrag: „Es gibt gratis Leberkäs!"


Das Event, zu dem M mich locken will, ist die CD-Präsentation des Schlager-Duos Marjan und Lukas im Gürtelbogenlokal Local. Als ich dort ankomme, gibt es zwar keinen Leberkäs, dafür steht Alfons Haider mit stolzem Gockelblick und blauem Ledersakko am Eingang. Nicht weit von ihm tummeln sich die Kamerateams von ATV und Chili. Vielversprechende Vorzeichen also für einen unvergesslichen Abend.


M ist gerade in ein Gespräch mit einem Arbeitskollegen vertieft, der, wie sich herausstellt, ebenfalls mit der Aussicht auf Gratisleberkäse geködert wurde. Ich sehe mich um und überlege, ob wohl irgendwer aus einem anderen Grund hergekommen ist. Tatsächlich scheint der Großteil des Publikums aus einer Mischung von Leuten zu bestehen, die überall anders lieber wären als hier: Society-Reporter, Kameramänner und Vertreter der Plattenfirma, die sich phlegmatisch betrinken. Vereinzelt sieht man auch ältere Damen und präpubertäre Mädels, reine Seelen, die Eintrittskarten gewonnen haben und sich ehrlich auf das anstehende Konzert freuen.


Wenige Meter von uns entfernt stehen Marjan Shaki und Lukas Perman, die Stars des Abends, und geben Interviews. Sie tun dies scheinbar ausschließlich in Löffelchenstellung. Lukas ist manchen vielleicht noch als Teilnehmer der ersten Staffel von „Starmania" in Erinnerung, bei der er vor Boris Uran und Andreas Schneider ausgeschieden ist (was eine ganze Menge über das Charisma dieses Mannes verrät). Heute ist Lukas Musical-Sänger. Bei der Arbeit an einer Inszenierung von „Romeo und Julia" lernte er Marjan kennen. „‚450 Abende lang Küsse und gemeinsames Sterben auf der Bühne", schwelgt er. „Wir konnten gar nicht anders als uns zu verlieben."


Das "verflixte" siebte Jahr einer Beziehung nutzen viele Paare, um sich zu trennen. Marjan & Lukas haben ein Schlager-Album aufgenommen: „Luft und Liebe". Heute Abend wollen sie das Werk der Welt präsentieren.


Wir betreten das Lokal und erhalten ein paar willkommene Bons für Freigetränke. Es dauert nicht lange, dann erklimmen Marjan & Lukas die Bühne. „Toll, dass so viele gekommen sind!", sagt Lukas mit dem Charme eines Vorzugsschülers, der sich freiwillig zur Stundenwiederholung meldet. „Hoffentlich wird das Wetter morgen auch so schön, damit die aus Deutschland angereisten Journalisten Wien auch so richtig genießen können." Leider setzt das Playback ein, bevor er noch ein schnelles Gebet für die Familien der angereisten Journalisten sprechen kann.


Ich gehör dir/Dein Herz hat mich eingekreist", croont sich Marjan in Rage. Jetzt geht's richtig los: Händchenhalten, Grinsen, Glücklichsein - so muss es sich Sven Regener erträumen, wenn er bei Konzerten die Arme hochreißt und ungestüm Romantik einfordert. Uns wird schnell klar, dass wir mit den wenigen uns gegebenen Freigetränken nicht das Auslangen finden werden.


Zwischen den Songs redet Lukas gerne und viel. Er wolle den Schlager wieder zurück zu seinen Wurzeln führen, meint er, zurück zu Katharina Valente und Peter Alexander. „Als Schlager einfach so viel bedeutete wie ‚Hit' - a guh-ade Scheibn halt!" Dann setzt er sich eine rosa Sonnenbrille mit Herzchengläsern auf die Nase und turtelt mit Marjan wie einst Peter Kraus mit Connie Froboess. Dabei wird unablässig gegrinst. Wenn man in der U-Bahn so angegrinst wird, sieht man besser zu, dass man weiterkommt, bevor man ein Messer im Rücken hat.


Ich mache mir ein wenig Sorgen um M, der schon seit längerem das Gesicht verzieht, als hätte er Zahnschmerzen. Das hat er jetzt von seinen Leberkäs-Lügen. Immer wieder blenden uns die Scheinwerfer der TV-Kameras, also versuche ich, einen ostentativ gelangweilten Gesichtsausdruck aufzusetzen, um im Fernsehen später möglichst cool auszusehen.


Vielleicht, stelle ich mir vor, wird Schlagerhören durch uns das nächste ironische Hipster-Ding nach Schnurrbärten und geschmacklosen Strickpullovern von Humana. (Meine Hoffnung erweist sich bald als unbegründet: Am nächsten Tag werden M und ich in einem Beitrag auf ATV als „biertrinkende Touristen" bezeichnet.)


Auf der Bühne haben sich unterdessen ein Pianist und ein Gitarrist eingefunden. Marjan äußert den Wunsch, dass sich die beiden während des nächsten Stücks ineinander verlieben. Hier muss wirklich alles Liebe sein. Liebe bis zum Abwinken. Wollt ihr die totale Liebe? Seit 5:45 Uhr wird zurückgeliebt!


Und wie heißt das nächste Stück? „Überall ist Liebe" natürlich! Es enthält die eigenwillige Textzeile „Zwei Männer Hand in Hand auf einem Bahnhof". Obwohl es erfreulich ist, dass Homosexualität im Schlagergenre scheinbar mehr Akzeptanz findet als beim Pfarrer von Stützenhofen, erscheint das Setting, in dem diese beiden Herren präsentiert werden, eigenartig. Vielleicht wäre eine Autobahnraststätte draus geworden, wenn es das Versmaß zugelassen hätte.


Schließlich hat Marjan die erste wirklich gute Idee des Abends: Jedes Mal, wenn sie das L-Wort sagt oder singt, sollen wir, das Publikum, ein Stamperl Schnaps trinken - ein grandioser Vorschlag, doch leider ist die Leber, die so viel Schnaps verträgt, noch nicht geboren. (Aber ich bitte dich, komm zur Welt!) So kämpfen wir uns einigermaßen nüchtern durch den letzten Song, "Luft und Liebe", ehe der Spuk ein Ende nimmt.


Als Marjan & Lukas von der Bühne gehen, werden sie von Kamerateams eingekreist, und Alfons Haider stürzt sich auf die beiden wie ein hungriger Löwe auf ein trächtiges Gnuweibchen. Schnell suchen wir den Weg ins Freie, wo weniger Liebe und mehr Luft ist.

Auf dem Nachhauseweg hole ich mir meine wohlverdiente Leberkässemmel vom Würstelstand. Während ich sie verspeise, geht mir „Luft und Liebe" noch immer im Kopf herum. Ein Ambros-Titel kommt mir in den Sinn: „Von Liebe ka Spur". Ich muss mehr Ambros hören...

Zum Original
Original anzeigen

Erstellt am 15.09.2014
Bearbeitet am 15.09.2014

Quelle
http://theboywhobloggedwolf.wordpre...

Lizenz
Alle Rechte vorbehalten
Alle Rechte vorbehalten

Themen-Tags
marjan und lukas marjan & lukas luft und liebe schlager peter kraus musical boris uran andreas schneider starmania dominic heinzl marjan shaki lukas perman peter alexander katharina valente connie froboess atv musik kultur blog events event
Dies ist ein öffentliches Journalisten Portfolio von torial.
Weitere Portfolios und Beiträge in den Themen.
torial