Der Erfinder von Kindheitsträumen sieht überraschend seriös aus: "Star Wars"- und "Indiana Jones"-Drehbuchautor Lawrence Kasdan Foto: AP
Wenn Sie in den 70ern oder 80ern geboren wurden, ist die Chance groß, dass Lawrence Kasdan Ihre gesamte Kindheit beeinflusst hat. Er schrieb die Drehbücher zu den ikonischen Filmabenteuern der damaligen Zeit: "Indiana Jones - Jäger des verlorenen Schatzes", "Das Imperium schlägt zurück", "Die Rückkehr der Jedi-Ritter". Später drehte er als Regisseur modernen Film-Noir ("Heißblütig - Kaltblütig"), Dramen ("Der große Frust") und Komödien ("French Kiss"). Neben George Lucas wurde Kasdan zum wichtigsten Schöpfer im "Star Wars"-Universum, zum Ziehvater der Jedi-Ritter.
Als Lucas Ende der 90er-Jahre mit der Arbeit an den "Star Wars"-Prequels begann, schrieb ein anderer die Drehbücher. Das Ergebnis waren drei blutleere Filme, denen die Magie und der Charme der Originale fehlte. Ein Fehler, der korrigiert werden musste. Um "Star Wars" wieder zu dem zu machen, was alle lieben, brauchte man Kasdan. Also kehrte er zurück zu Luke und Leia, Han und Chewie und ließ sie in "Das Erwachen der Macht" auferstehen.
Die Welt: Herr Kasdan, die ersten beiden Drehbücher, die je von Ihnen produziert wurden, waren "Jäger des verlorenen Schatzes" und "Das Imperium schlägt zurück".
Lawrence Kasdan: Ein guter Anfang, oder?
Die Welt: Und ob! Ich würde sagen, dass diese Filme so einflussreich waren wie "Citizen Kane" und "Der Pate".
Kasdan: Oh, wow. Dass Sie diese Titel im selben Atemzug nennen, ist sehr schmeichelhaft.
"Star Wars: Das Erwachen der Macht"
Die Welt: Wie kam es denn dazu, dass Sie das Drehbuch zu "Imperium" schreiben durften?
Kasdan: Ich hatte damals bereits zwei Drehbücher verkauft, aber ich bekam kaum Jobs in Hollywood. Steven Spielberg mochte mein Skript zu "Zwei wie Katz und Maus" und wollte mich kennenlernen. Nach ein paar Treffen bekam ich den Auftrag, den Indiana-Jones-Film zu schreiben, den George Lucas mitproduzierte. Als ich mein Drehbuch später ablieferte, warf Lucas es auf seinen Schreibtisch, ohne es gelesen zu haben, und sagte: "Lawrence, ich stecke in Schwierigkeiten. In ein paar Wochen sollen die Dreharbeiten zum zweiten 'Star Wars'-Film beginnen, und ich habe kein Drehbuch." Leigh Brackett, die großartige Drehbuchautorin, hatte daran gearbeitet, aber sie war gestorben, bevor sie richtig loslegen konnte. Also fragte George, ob ich übernehmen könnte. Ich sagte: "Du solltest vorher erst mein anderes Drehbuch lesen." Er antwortete: "Ich lese es heute Nacht. Wenn es mir nicht gefällt, ziehe ich mein Angebot zurück." Aber es gefiel ihm, und ich habe sofort mit der Arbeit an "Das Imperium schlägt zurück" begonnen.
Die Welt: Stimmt es, dass Sie da selbst noch nichts von Luke Skywalkers und Darth Vaders Verwandtschaftsverhältnis wussten?
Kasdan: Ja, George kam eines Tages zu mir und erwähnte ganz nebenbei: "Übrigens: Darth Vader ist Lukes Vater." Ich war schockiert, aber begeistert. Für mich wurde die Geschichte dadurch noch viel spannender.
Die Welt: In einem Interview mit der "Vanity Fair" haben Sie gesagt, dass Sie von Vater-Sohn-Beziehungen fasziniert sind. Warum?
Kasdan: Die Frage bestimmt alles: unsere Geschichte, unsere Politik, unser gesamtes Leben. Alle Probleme basieren auf den Sünden der Väter, die auf die Söhne übertragen werden. Es ist ein essenzielles Problem der Menschheit: Wer bist du gemessen an deinen Eltern? Wie erschaffst du eine Identität für dich selbst? Die Leute haben viele gute und schlechte Dinge getan, einfach nur um - im metaphorischen Sinn - ihre Nabelschnur zu durchtrennen.
Die Welt: Ihre Söhne Jake und Jon sind beide im Filmgeschäft. Sie haben wohl die Nabelschnur nicht so sauber durchtrennt, oder?
Kasdan: (lacht) Wahrscheinlich nicht. Wir sehen das ja immer wieder, dass Karrieren von einer Generation an die nächste vermacht werden. Die Kinder von Ärzten werden wieder Ärzte, die Kinder von Anwälten Anwälte und so weiter. Was gibt es da für ein genetisches Mysterium, das dazu führt, dass die Generationen einander folgen - oder sich überraschend ganz anders verhalten? Die Frage fasziniert mich.
Die Welt: Zurück zu "Star Wars": Einer der besten Dialoge der Filmgeschichte stammt aus "Das Imperium schlägt zurück". Prinzessin Leia sagt: "Ich liebe dich" und Han Solo antwortet: "Ich weiß." Nur fünf Worte, aber sie sagen sehr viel über diese beiden Figuren.
Kasdan: Toll. Aber das Lob gebührt leider nicht mir. Da haben Harrison Ford und Carrie Fisher am Set mit dem Regisseur Irvin Kershner improvisiert.
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Die Welt: Mit "Imperium" ist "Star Wars" zum Phänomen geworden. Hatten Sie das erwartet?
Kasdan: Klar. Es war ja, das Sequel zu dem größten Film aller Zeiten.
Die Welt: Hat Sie das unter Druck gesetzt?
Kasdan: Ja. Wir mussten ja in sechs Wochen fertig sein. George steckte sein eigenes Vermögen in die Produktion. Das erhöhte den Druck noch einmal.
Die Welt: Heute ist fast jede große Hollywood-Produktion ein Sequel, Remake oder eine Comic-Buch-Adaption. Dass jemand so viel Geld in eine originelle Idee steckt, kommt kaum vor. Glauben Sie, hätte ein Film wie "Star Wars" heute noch eine Chance?
Kasdan: Es ist auf jeden Fall schwieriger. Man braucht eine etablierte Marke, um so ein großes Projekt auf die Beine zu stellen. Die Filmstudios wollen ihr Risiko so gering wie möglich halten. Deswegen setzen sie auf bekannte Stoffe. Das nennt sich Branding. Filme werden verkauft wie Seife. Für ihre Qualität ist das bestimmt nicht von Vorteil.
Die Welt: Nach "Imperium" haben Sie auch das Buch zur "Rückkehr der Jedi-Ritter" geschrieben.
Kasdan: Nach "Imperium" bekam ich viele Angebote, Drehbücher zu schreiben. Ich habe alle abgelehnt. Ich wollte immer nur Regisseur werden. George half mir, "Heißblütig - Kaltblütig", meinen ersten Film als Regisseur, zu realisieren. Danach kam er zu mir und sagte: "Lawrence, ich stecke schon wieder in Schwierigkeiten." (lacht) Es ging um "Die Rückkehr der Jedi-Ritter". Ich wollte eigentlich nie wieder für jemand anders Drehbücher schreiben. Aber George war so eine große Hilfe gewesen. Also sagte ich: "Okay, ich helfe dir."
Die Welt: Danach hatten Sie über 30 Jahre nichts mehr mit "Star Wars" zu tun. Haben Sie in der Zeit manchmal über Luke, Han und die anderen Charaktere nachgedacht?
Kasdan: Ständig. Diese Filme sind einfach so populär, du kannst ihnen nicht entkommen. Zuerst haben meine Kinder sie geliebt, jetzt lieben meine Enkelkinder sie. Als ich den neuen Film geschrieben habe, musste ich mich also nicht erst wieder auf dieses Universum vorbereiten. Denn es hatte mich ja nie verlassen. Dass Mark Hamill, Harrison Ford und Carrie Fisher als Schauspieler zurückgekehrt sind, hat auch geholfen. Wir sind alle ungefähr im selben Alter. Es war fast wie früher.
Die Welt: Haben Sie damit gerechnet, dass Sie die Geschichte eines Tages fortsetzen?
Kasdan: Nein, es kam völlig unerwartet. George und ich hatten uns ab und zu gesehen, aber wir standen uns nicht nahe. Und eines Tages - das war noch vor der Übernahme von Lucasfilm durch Disney - rief mich Kathy Kennedy (US-Filmproduzentin, seit 1982 bekannt für ihre Filme mit Spielberg - Anm.) an. Sie konnte noch gar nichts von dem Disney-Deal wissen. Aber George wusste es wahrscheinlich. Er hatte sie gebeten, mich anzurufen. Sie sagte: "Hast du Lust, auf Georges Ranch vorbeizuschauen? Wir machen ein paar neue 'Star Wars'-Filme."
Die Welt: Lassen Sie mich raten: Sie haben sich bitten lassen, oder?
Kasdan: Ich war hin- und hergerissen. Aber letztlich bin ich hingefahren. Schließlich sind die beiden alte Freunde von mir. Sie erklärten mir, sie wollten neun "Star Wars"-Filme drehen und fragten mich, an welchen Projekten ich interessiert wäre. Ich sagte, ich würde gerne einen Han-Solo-Film machen. Sie willigten ein, baten mich aber, als Berater bei "Star Wars VII" zur Seite zu stehen. Michael Arndt sollte das Drehbuch schreiben. Ich war also neun Monate lang Berater, während ich gleichzeitig an dem Han-Solo-Film arbeitete. Aber dann hatte Michael ein paar Probleme beim Schreiben, und ich sollte seinen Job übernehmen.
Durch Paris mit J. J. AbramsDie Welt: Was hat Sie überzeugt?
Kasdan: Meine Frau und meine Kinder wollten, dass ich es tue. Sie hatten das Gefühl, dass "Star Wars" wieder in eine andere Richtung gelenkt werden musste. Sie dachten da genauso wie viele Fans.
Die Welt: Warum war eigentlich George Lucas nicht als Drehbuchautor dabei?
Kasdan: George hat seine Produktionsfirma für 4 Milliarden Dollar verkauft. Ich glaube, er hat das getan, weil er bereit war, "Star Wars" hinter sich zu lassen. Er möchte wohl nicht mehr so stark in die neuen Filme involviert sein. Ich denke, er will ins Kino gehen und die neuen Filme wie ein normaler Zuschauer schauen.
Die Welt: Es ist erstaunlich, dass er sein Baby einfach so loslassen kann.
Kasdan: Ja. Wie er sich dabei fühlt, weiß ich nicht, aber er hat J. J. (Abrams, Regisseur und Co-Autor von "Das Erwachen der Macht" - Anm.) und mich die ganze Zeit nur unterstützt.
Die Welt: Wie war denn die Arbeit mit Abrams?
Kasdan: Wir beiden verstanden uns von Anfang an. Wir sind durch einige der schönsten Städte der Welt spaziert - New York, London, Paris - und haben uns stundenlang über die Geschichte unterhalten. Er liebt die Filme, mir war klar, dass er der richtige Regisseur war. Das war ein tolles Gefühl. Aber wir mussten sehr schnell arbeiten, weil in England schon die Sets gebaut werden sollten.
So ist der neue "Star Wars"-Film entstanden
Die Welt: Ganz ähnlich wie damals bei "Imperium".
Kasdan: Es war eigentlich haargenau dieselbe Situation - nur dass bei "Imperium" keine 40-jährige Geschichte und die Erwartungen von Millionen von Fans auf unseren Schultern lasteten.
Die Welt: Sie haben einmal gesagt, Sie lieben Helden, die ihr Leben für einen Gehaltsscheck riskieren. Ist das der Grund, warum sie einen Han-Solo-Film machen wollten?
Kasdan: Ja, ich finde diesen Typen einfach interessant. Einer meiner Lieblingsfilme ist "Yojimbo - Der Leibwächter" von Akira Kurosawa. Der hat mich vor 40 Jahren schon zu meinem Drehbuch zu "Bodyguard" inspiriert. Mich interessiert die Frage: Wer riskiert sein Leben für ein bisschen Geld?
Die Welt: Den Han-Solo-Film schreiben sie gemeinsam mit ihrem Sohn Jon. Wie läuft denn die Arbeit?
Kasdan: Großartig. Es ist das erste Mal, dass ich mit Jon zusammenarbeite. Man könnte glauben, dass es zwischen Vater und Sohn zu allen möglichen Spannungen kommt. Aber so ist es gar nicht. Wir haben viel Spaß, und daraus entstehen gute Ideen.
Die Welt: Und danach wollen Sie nie wieder einen "Star Wars"-Film schreiben?
Kasdan: Ich habe bereits vier geschrieben. Es reicht jetzt wirklich.
Die Welt: Steven Spielberg möchte noch einen "Indiana Jones"-Film mit Harrison Ford drehen. Gibt es eine Chance, dass Sie auch zu der Franchise zurückkommen?
Kasdan: Nein, ich werde nie wieder für jemand anderes ein Drehbuch schreiben.
Die Welt: Aber wir sprechen hier über "Indiana Jones".
Kasdan: (bestimmt) Nie wieder!