Ganz am Anfang, da flackern die Augen von Dennis Stock auf wie der Blitz seiner Kamera. James Dean steht am Pool, lässig an die Bar gelehnt, blutjung, schön. Auch in seinen Augen blitzt es. "Ich bin Jimmy", sagt er und streckt eine Hand aus. "Willst du eine Spritztour mit meinem Motorrad unternehmen?" Kein Jahr später ist er tot. Das Licht von James Dean war kaum aufgeflammt, da blies es ein 1950er-Ford schon wieder aus. Dean starb bei einem Autounfall. Er wurde nur vierundzwanzig Jahre alt. Es blieben drei wichtige Filme - und ein besonderes Foto: der Schauspieler auf dem verregneten Times Square. Die Zigarette im Mundwinkel, den Kopf im Kragen seines Mantels vergaben.
Die Aufnahme, die 1955 als Teil einer Fotoserie im "Life"-Magazin veröffentlicht wurde, stammt von Dennis Stock. Sie hat auch ihn berühmt gemacht. Er fotografierte noch viele weitere Hollywood-Stars: Audrey Hepburn auf dem Rücksitz einer Limousine. Marilyn Monroe im Bademantel. Humphrey Bogart und Lauren Bacall mit ihren Kindern. Sein berühmtestes Bild aber blieb jenes von James Dean im Regen in Manhattan. In "Life" erzählt der Niederländer Anton Corbijn von der schwierigen Beziehung zwischen dem Fotografen und dem Künstler. Davon sollte gerade er etwas verstehen. Immerhin ist Corbijn einer der wichtigsten Pop-Fotografen seiner Generation. Seine grobkörnigen Schwarz-Weiß-Bilder prägten das Image von Joy Division, Depeche Mode, U2 und vielen anderen. Seit 2007 dreht er auch Filme. Die waren bislang nicht nur überaus ästhetisch in Szene gesetzt, sie erzählten vor allem auch mitreißende Geschichten. Umso verblüffender, dass nun ausgerechnet sein vierter Film, dessen Thematik Corbijn so naheliegen müsste, nicht in die Tiefe geht und auch sonst nicht wirklich vom Fleck kommt.
Dabei beginnt es recht spannend. Als sich Dennis Stock und James Dean am Pool des Chateau Marmont kennenlernen, sind beide noch unbekannt. Dean soll eine Hauptrolle in Nicholas Rays nächstem Film "... denn sie wissen nicht, was sie tun" übernehmen. Ob wirklich etwas daraus wird, ist ungewiss. Doch Stock erkennt sein Potenzial. Er will Dean fotografieren, der ist einverstanden. Es knistert. In jeder Hinsicht.
Über die sexuellen Neigungen des Schauspielers ist viel spekuliert worden. Und auch hier scheint sich eine vage homoerotische Beziehung anzubahnen. Doch dann verfolgt Corbijn diese Spur nicht weiter. Stattdessen verwandeln sich Stock und Dean in eine Art ungleiches Brüderpaar.
Der eine, Stock, ist zäh und verbissen. Was er erreicht hat, musste er sich hart erarbeiten, und seine Ansprüche sind hoch. Er hat genug von den roten Teppichen, den Filmsets und den Partys, wo er die Reichen und Schönen fotografieren muss. Er will kein Dienstleister sein, sondern Künstler. Das ist ihm wichtiger als alles andere, auch als sein siebenjähriger Sohn, mit dem er eher widerwillig Zeit verbringt.
Der andere, Dean, muss sich nicht anstrengen. Er ist mit einem schönen Gesicht gesegnet, mit Charisma und Talent. Stock ist fasziniert davon. "Was siehst du in ihm?", fragt der Bildredakteur John G. Morris (Joel Edgerton). "Etwas Reines", antwortet der Fotograf. Revolution liegt in der Luft. Und James Dean, da ist Stock sicher, wird ihr Gesicht sein.
Also umgarnt er ihn, aber der lässt sich bitten. So geht das den ganzen Film hindurch, ohne dass sich die Figuren groß weiterentwickeln würden - was schade ist, weil sie schon zu Beginn weder sympathisch noch besonders interessant sind. Und so schaut man ihnen zu, wie sie in Diners sitzen (und streiten), sich schwere Telefonhörer unters Kinn klemmen (und streiten), Benzedrin nehmen (und streiten) und tun, was man sonst im Amerika der Fünfzigerjahre getan hat (und dabei streiten). Wie sie da herumlungern, schick angezogen, zweifelnd und überheblich, hungrig, unzufrieden und immer nur mir sich selbst beschäftigt, könnte man sie sich aber durchaus auch in einer beliebigen Bar im heutigen Berlin-Mitte vorstellen.
Seltsamerweise findet Corbijn zu den Fotografien genauso wenig Zugang wie zu den Figuren. Pflichtschuldig rekonstruiert er Stocks berühmteste Bilder: Dean beim Frisur. Dean beim Lesen. Dean beim Trommeln auf der Bongo zwischen Schweinen und Kühen. Wenn die Originalaufnahmen am Ende im Abspann zu sehen sind, werden sie mehr über James Dean erzählen als der gesamte Film davor.
Armer Robert Pattinson. Seit "Twilight" sucht er sich nur Rollen, die Prestige versprechen. Er arbeitet mit Arthouse-Regisseuren wie David Cronenberg und Werner Herzog - und landet doch nur in schlechten Filmen. Auch mit Corbijn hat er kein Glück. Dabei ist Pattinson in seiner Rolle durchaus überzeugend, vielleicht weil er sich gut hineinversetzen kann in einen Mann, der sich nach künstlerischer Anerkennung sehnt und sie nicht bekommt.
Auch Dane DeHaan macht seine Sache gut. Nach Lucien Carr (in "Kill Your Darlings") spielt er bereits zum zweiten Mal eine amerikanische Ikone. Bis auf den Nachnamen hat er zwar kaum Ähnlichkeiten mit Dean, Körperhaltung und Manierismen stimmen aber. Leicht gebückt, die Augen auf Halbmast, kommt er ihm näher als James Franco, der Dean 2001 in einem TV-Film gespielt hat. Hinter der coolen Fassade lässt DeHaan Unsicherheit durchscheinen. "Ich will nur Schauspieler sein", behauptet Dean. Und doch zieht es ihn ins Blitzlichtgewitter, wo er vermutlich früher oder später zugrunde gegangen wäre.
In New York gibt er den Lebemann und Rebellen. Er trinkt und raucht, gibt Journalisten rotzfreche Antworten. In Indiana, auf der verschneiten Farm seiner Quäker-Eltern, ist er Familienmensch. Und in Los Angeles, da wird er dann ganz klein und still, als ihm Ben Kingsley als Studioboss Jack Warner droht: "Wenn du kein braver Junge bist, dann werde ich dich ficken, bis es sehr wehtut." Natürlich ist James Dean trotzdem kein braver Junge. Zur Premiere von "Jenseits von Eden" erscheint er entgegen Jack Warners ausdrücklicher Anweisung nicht. Dafür ist Dennis Stock da. Als er James Dean zum ersten Mal auf der Leinwand sieht, leuchten seine Augen wieder. "Wer ist das?", wispert eine Stimme im Kinosaal ehrfurchtsvoll. Eine gute Frage. Leider wird sie in "Life" nicht beantwortet.