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Rechter Terror, gestern und heute

Zur Zeit der Wende markierten Neonazi-Gruppen erstmals in Neukölln ihr Revier. Was mit geheimen Symbolen begann, wird heute mit deutlicher Sprache gesprochen.

Die NPD versucht derzeit wieder regelmäßig in Neukölln Präsenz zu zeigen. Im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt sollte gar der Bundesparteitag abgehalten werden, was allerdings von der Bezirksverwaltung abgesagt wurde. Wie im taz-Artikel berichtet, wurde außerdem der Mietvertrag eines Neonazi-Treffpunkts in Rudow gekündigt.

Die Geschichte von Neonazis in Neukölln ist jedoch kein neues Phänomen, sondern reicht bis Mitte der Achtziger Jahre zurück. Wie die Antifa Neukölln in ihrer Chronik aufzeigt, waren es rechte, gewaltbereite Gruppen wie die "Berliner Türkenbeseitigungs Gang", die "Britzer Befreiungsfront" oder die "Terrorbande Wutzkyallee", die in den südlichen Teilen Neuköllns, vor allem in der Gropiusstadt, immer wieder Linke und Ausländer angriffen. Während es sich dabei eher um Schlägertrupps gehandelt haben musste, traten wenig später organisiertere, aber nicht weniger gefährliche Gruppen auf den Plan, wie die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP), die 1995 verboten wurde. Seit vielen Jahren Ziel von Anschlägen: Das Anton-Schmaus-Haus, in dem die Sozialistische Jugendgruppe "Die Falken" ihren Sitz hat (wir berichteten).

Seit 15 Jahren gehören vor allem für die Bevölkerung in Rudow, Buckow und Britz rechtes Gedankengut in Form von Flugblättern, Schmierereien und Aufklebern zum Alltag. Wer sich gegen Rechts engagiert, wird überwacht, schickaniert, angegriffen. Die kürzlich in der ARD ausgestrahlte Doku "Terror im Kiez" zeigte, dass eine Frau aus der Hufeisensiedlung den Zorn der Rechten allein dadurch auf sich zog, dass sie den NPD-Vertretern vor ihrer Haustür verbot, Flyer in ihren Briefkasten zu werfen. Umso mutiger ist deshalb der Zusammenschluss von Bürgern zum Aktionsbündnis Rudow zu bewerten, das sich seit 2006 gegen rassistische Hetze stark macht.

Aufnahmen aus dem Archiv des Museums Neukölln zeigen, wie Neonazis Ende der Achtziger ihre ersten Reviermarkierungen setzten: Keltenkreuz

Das Keltenkreuz war ursprünglich ein heidnisches Sonnensymbol, später christlich konnotiert. Für Neonazis steht es für die Überlegenheit der weißen Rasse. Strafbar ist die Verwendung nur in Verbindung mit einem nationalsozialistischen Kontext, etwa als Logo der verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit.

S.H., Triskele, Hakenkreuz, Othala

Ein Schild der Berliner Wasserbetriebe wird zum Ziel rechter Graffitis. S.H. steht vermutlich für "Sieg Heil", links von der Swastika ist die Triskele und ganz rechts Rune Othala zu sehen. Die Triskele, der Dreifuß, hat seine Wurzeln bereits im antiken Griechenland und im steinzeitlichen Irland. Neonazis benutzen das Symbol als eine Abwandlung des verbotenen Hakenkreuzes. Othala, die Odal-Rune, wurde von der Hitler-Jugend und dem Rasse- und Siedlungsamt verwendet. Die Rune bedeutet soviel wie Grundbesitz und repräsentiert die "Blut und Boden"-Politik der Nazis. Die Symbole sind ebenfalls in rechtsradikalem Zusammenhang verboten.

Othala, Wiking-Jugend, FAP 100 Jahre Führer & Pro Kühnen

Othala wurde auch von der Wiking-Jugend verwendet, die an diesem Stromkasten ihre Spuren hinterlassen hat mit einem Schablonengraffiti und einem Aufkleber ("Wiking-Jugend - Jedem Sturm gewachsen"). Die Organisation, 1952 gegründet und erst 1994 verboten, kann als Nachfolge der Hitlerjugend verstanden werden. Zu den Inhalten zählten militärisches Training und eine ideologisch verklärte Indoktrinierung. Viele heute führenden Köpfe der Neonazi-Szene und der NPD waren in der Wiking-Jugend aktiv, genauso wie in der FAP, der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei, die 1995 verboten wurde.

Archivmaterial ©Museum Neukölln - In Zusammenarbeit mit dem Geschichtsspeicher des

Neuköllner Neonazis gedenken dem 100. Geburtstag von Adolf Hitler am 20.4.1989. Wie in einem Spiegel-Artikel aus dem Januar 89 zu lesen ist, markierte das Datum einen Wendepunkt in der Neonazi-Bewegung: Nicht mehr in den Hinterzimmern deutscher Kneipen solle an A.H. erinnert werden, sondern mit groß angelegten Propaganda-Aufmärschen auf den Straßen. Ganz vorne mit dabei: Michael Kühnen mit seiner Organisation Nationale Sammlung, die im Februar '89 verboten wurde. Doch die Naziparolen wurden nicht einfach hingenommen; mit blauer Farbe sprühte jemand "Tod dem Faschismus" darüber.

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