Wir treffen Menschen, die etwas bewegen. Treffpunkt ist ihre Lieblingsecke. Heute: ein Spaziergang mit Franziska Giffey, der designierten Nachfolgerin von Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky.
Unser Spaziergang beginnt in einer Neuköllner Schule, wo sonst. Noch ist Franziska Giffey ja Bildungsstadträtin, auch wenn das kaum noch jemanden interessiert. Kommen Sie mit in den Klassenraum, hat Franziska Giffey am Telefon gesagt, im Gespräch mit den Schülern kriegen Sie gleich mit, was ich über bestimmte Themen denke. Anschließend habe sie dann noch eine Stunde, um ein bisschen zu laufen und alles Weitere zu besprechen. Typisch Giffey, denke ich: pragmatisch und gut organisiert.
Sie hat kaum Zeit, nachdem am vergangenen Dienstag bekannt geworden ist, dass sie schon im April für Heinz Buschkowsky übernehmen soll, der wider Erwarten früher ausscheidet. Insgeheim galt sie schon lange als Nachfolgerin für das Bürgermeisteramt in Neukölln, nun ist es so weit. Neben ihrer täglichen Arbeit muss Giffey jetzt jede Menge Anfragen beantworten, "FAZ", "Süddeutsche", "Zeit" - Neukölln ist deutschlandweit als Bezirk bekannt, in dem Menschen aus der ganzen Welt zu Hause sind. Aber auch als Brennpunkt, weil der bisherige Bürgermeister medienwirksam auf die Probleme in seinem Bezirk aufmerksam gemacht hat, etwa mit dem Buch "Neukölln ist überall".
Brote von MamaWir treffen uns im Oberstufenzentrum Lise-Meitner in Britz. Es ist der letzte Unterrichtstag vor den Winterferien. Die Schüler haben Franziska Giffey eingeladen, um mit ihr über Flüchtlinge und Migration zu diskutieren. Um hier zu sein, hat sie einen anderen Termin abgesagt. Probleme könne man nur lösen, wenn man darüber redet. Immer wieder darüber redet.
Franziska Giffey trägt an diesem Vormittag einen dunkelblauen Blazer und ein buntes Seidentüchlein, die blonden Haare hat sie hochgesteckt. Sie wirkt wach und freundlich, will mitreißen, wie immer, wenn sie öffentlich auftritt. Von Stress keine Spur.
Dabei hat ihr Tag viel zu spät angefangen, sie hat verschlafen. Kurz nach 8 Uhr hat ihr fünfjähriger Sohn sie geweckt und gefragt, wie viele Millionen Stunden sie eigentlich noch schlafen wolle. Giffey lacht, als sie das erzählt, sie spricht gern von ihrem Sohn. Ihr Wecker klingelt sonst jedenfalls immer um 6 Uhr, weil sie wenigstens morgens Zeit haben will für ihn. Sie liest ihm vor, sie frühstücken zusammen, dann bringt sie ihn in die Kita. Abholen muss ihn meist ihr Mann. "Heute war zum Glück meine Mutter da, weil der Kleine krank ist und nicht in die Kita kann", sagt Giffey. Nur deshalb war sie pünktlich. Sogar Brote habe sie heute dabei, Stullen von Mama.
Die Butterbrote sind ein Sinnbild für die Rolle ihrer Eltern in Franziska Giffeys Leben. Oft kommen sie mit dem Regionalzug nach Berlin gefahren, um sich um den Enkelsohn zu kümmern. Ohne die beiden würden sie und ihr Mann es nicht schaffen, dieses Leben zu führen. Beide sind voll berufstätig. Giffey ist 36 Jahre alt, sie ist Verwaltungswirtin samt Promotion und seit fast fünf Jahren Bildungsstadträtin von Neukölln. Ihr Mann ist Veterinärmediziner, er arbeitet beim Landesamt für Gesundheit und Soziales.
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