Eine zentrale Herausforderung in der Auseinandersetzung mit der Shoah ist die Frage ihrer Darstellbarkeit. Wissenschaftler*innen stehen bis heute vor der Fragestellung, wie das Unvorstellbare zu verstehen, vermitteln und damit weitertragen werden kann. Sich mit der Vernichtung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten, sei es auf künstlerisch-ästhetischer oder wissenschaftlicher Ebene auseinanderzusetzen, bedeutet immer wieder sich der Herausforderung der Unvorstellbarkeit und Undarstellbarkeit der Thematik zu stellen. Schon einer der frühen Holocaust-Historiographen wie Raul Hilberg setzte sich mit dieser Frage auseinander und suchte im Medium der Sprache ein Mittel der wissenschaftlichen Erfassung und Darstellung der Vernichtung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten. Im Jahr 1951 schrieb Theodor Adorno den bis heute als wichtigste Sentenz einer Kulturkritik nach Auschwitz diskutierten Satz:
„Kulturkritik findet sich der letzten Stufe der Dialektik von Kultur und Barbarei gegenüber: nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frisst auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben."[1]
Auch wenn Wissenschaftler*innen, die sich mit dem Thema Shoah auseinandersetzen, sich der Unmöglichkeit stellen müssen, die Schreckensereignisse (sprachlich) adäquat darzustellen, gibt es einige Forschungsbegriffe, die sich in den Jahren der Holocaustforschung für dessen Beschreibung herausgebildet haben: Vernichtung, Massenmord, Völkermord bzw. Genozid u.v.m. Während in der Forschung bis heute vor allem über Begriffe und deren semantische Ausdeutung diskutiert wird, ist die Frage nach der Repräsentation und Darstellung der Vernichtung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten eine Kunst, Kultur, Film und Wissenschaft übergreifende.
In den 75 Jahren, die seit der Befreiung der Konzentrationslager vergangen sind, waren mehrere Generationen mit Darstellbarkeit des Schreckens konfrontiert. Die zentrale Frage lautete: Mit welchen Mitteln kann das Verbrechen Auschwitz in der Kunst, der Literatur, der Wissenschaft dargestellt bzw. vergegenwärtigt werden? Dabei umspannt die Darstellungsdebatte die Begriffe: Unbegreiflichkeit, Angemessenheit, Authentizität und Trivialisierung.
Auf der Suche nach „angemessenen" oder „authentischen" Formen der Repräsentation finden sich unterschiedliche Lösungsansätze. Ästhetisch-intellektuelle Maßstäbe für die Repräsentation des Völkermords setzt bis heute Claude Lanzmanns Film Shoah (1985), ein bewegendes, filmisches Denkmal für die ermordeten Juden Europas, das bis heute ein Meilenstein der Filmgeschichte ist.[2] Der französische Journalist Claude Lanzmann begann die Arbeit am Film Shoah dreißig Jahre nach dem Ende des Genozids. Ziel seines Filmprojektes war es, den Holocaust-Überlebenden als Primärzeug*innen, die aus eigener Erfahrung berichten können, was Verfolgung, Krieg und Massenmord bedeutet hatte, eine Stimme zu geben und diese festzuhalten.
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