Raphael Markert

Freier Journalist und Reporter, Köln

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Notfallmediziner fordern mehr Rettungshubschrauber im Nachteinsatz

Von Raphael Markert

Zehn Rettungshubschrauber fliegen tagsüber in NRW und retten Menschenleben. Nachts aber gibt es nur noch einen - ganz im Norden des Landes. Notfallmediziner und Opposition schlagen Alarm.

Gerade erst ist am Flughafen Dortmund die Sonne aufgegangen, doch Notarzt Christian Afflerbach und seine Crew der DRF Luftrettung müssen schon in die Luft: Ein Patient muss dringend schonend von einem anderen Krankenhaus in ein anderes verlegt werden. Lebenswichtige Organe haben versagt.

Nach fünfzehn Minuten Flug mit dem Rettungshubschrauber landet die Besatzung in der Borkener Klinik. Nach der Übergabe des Patienten fliegt ihn der Hubschrauber weiter nach Wesel - Ankunft am Krankenhaus nach weiteren fünf Minuten. Mit dem Rettungswagen hätte der eilige Transport ungefähr eine halbe Stunde gedauert.

Der einzige Nachthubschrauber steht in Greven

So wie hier sind am Tag zehn Rettungshubschrauber in NRW unterwegs, verteilt über das ganze Bundesland. In der Nacht fallen sie fast alle weg. Zwar ist noch rund um die Uhr ein SAR-Hubschrauber der Bundeswehr in Nörvenich bei Köln stationiert, doch der ist für Rettungseinsätze aktuell eigentlich nicht vorgesehen.

Es bleibt ein einziger Hubschrauber. Und der ist stationiert in Greven bei Münster. 2020 hatte er nachts 280 Einsätze; nach Köln bräuchte er etwa eine Dreiviertelstunde.

SPD-Fraktion mahnt bessere Versorgung an

Für die Frage, wie viele Rettungshubschrauber es im Land geben soll, ist das NRW-Gesundheitsministerium zuständig. Die Behörde müsste den Bedarf nach weiteren Rettungshubschraubern ermitteln. Doch eine angekündigte Untersuchung steht noch aus, laut Ministerium aufgrund der Corona-Pandemie.

Die SPD-Fraktion im Landtag hält das für einen Skandal. "Der Bedarf muss schleunigst ermittelt werden, und für mich ist klar, dass das Ergebnis nur sein kann, dass wir auch nachts eine bessere Versorgung mit Rettungshubschraubern bekommen", sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Josef Neumann. Die SPD im Landtag mahne die Versorgung bereits seit Jahren an.

Beispiel zeigt: Der Bedarf ist da

Dabei zeigen aktuelle Fälle, wie wichtig der einzige Nacht-Hubschrauber im Norden von NRW sein kann: Mitte April 2021 stürzte eine 19-Jährige 40 Meter tief in eine Kalkgrube in Rheine. Mit schweren Verletzungen wurde sie in die Klinik in Münster geflogen. " Mit dem Rettungswagen hätte das 40 bis 45 Minuten gedauert", sagt der Einsatzleiter der Feuerwehr Rheine, Jürgen Koch.

Außerdem kann ein Transport mit dem Rettungswagen bei solchen Unfällen mehr schaden als nutzen, denn er ist weniger schonend. Warum es im Land nicht auch im Süden von NRW nachts eine solche Versorgung gibt, können viele Experten nicht nachvollziehen. Womöglich wollen die Krankenkassen die höheren Kosten nicht tragen, heißt es. Das Land erklärt dagegen, dass die Luftrettung in NRW " gut aufgestellt" sei. Daran hätten auch erste Erkenntnisse aus dem noch erwarteten Bedarfsplan nichts geändert.

"Da gibt es keinen Interpretationsspielraum"

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin, Marcus Lehnhardt, kann dagegen nicht verstehen, warum im Süden des Landes nachts kein Hubschrauber stationiert ist. Er erlebe immer wieder, dass in der Nacht kein Helikopter bereit sei, um Verbrennungspatienten auf seine Station im Bochumer Bergmannsheil-Klinikum zu fliegen. " Das ist hoch ärgerlich", sagt Lehnhardt. " Da gibt es keinen Interpretationsspielraum, der Patient ist schlechter versorgt, als es in NRW möglich wäre."

Und auch Notarzt Christian Afflerbach würde sich wünschen, auch nachts Patienten helfen zu können. Gerade ist er mit seiner Crew wieder am Flughafen Dortmund gelandet, bereit für den nächsten Einsatz. Doch sobald die Sonne untergeht, ist auch für sie Feierabend. Für sie ist es ein unbefriedigendes Gefühl, nur Menschenleben nur bei Tageslicht retten zu können.

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