Von einer verlassenen Open-Air-Location zum weltbekannten Techno-Club, wo experimentelle Nischenmusik neben Mainfloor-Brettern funktionierte, Berliner DJ-Nerds auf aufgeschlossenen Nachwuchs stießen: Für die GROOVE durfte ich mehr als acht Jahre Griessmuehle an der Sonnenallee Revue passieren lassen – mit zehn zuckersüßen Anekdoten und historischem Fotomaterial von Macher*innen und Residents wie Darwin, Esposito und Tham & Acierate. Unser Nachruf auf einen der wildesten Abenteuer-Spielplätze, die Berlin im letzten Jahrzehnt hervorbrachte – und wo ich mit Franklin De Costa und seinem Baby Mother's Finest zumindest ein Jahr lang monatlich amtliche Partys abhalten durfte.
Trotz des gewaltigen medialen Echos und politischen Drucks, den die Berliner Griessmuehle mit ihrer SOS-Kampagne erzeugte, standen die Betreiber*innen und befreundeten Party-Crews Ende Januar ziemlich plötzlich vor vollendeten Tatsachen. Die ehemalige Nudelfabrik am Neuköllner Schifffahrtskanal wie der angeschlossene Latitude Record Store und das Bistro CC müssen tatsächlich Neubauten weichen – die GROOVE berichtete. Nach einer schnell angeleierten Closing-Party, die dann doch mal eben zwölf Stunden länger als geplant ging, erklang auf der Cocktail d’Amore mit DJ Citys „Torreyson Drive” am Montagmorgen des 3. Februars 2020 der letzte (?) Tune an der Sonnenallee 221.
Ausgerechnet der punkige Technoschuppen am Neuköllner S-Bahn-Ring wurde zum deutschlandweiten Aushängeschild des Clubsterbens, sogar der Bundestag beschäftigte sich erstmals mit dem Thema – wir waren vor Ort. Schnell wurde die Ausweich-Location im Keller der Alten Münze in Berlin-Mitte hergerichtet, während die Mittwochs- und Donnerstagsveranstaltungen in den Polygon Club am Ostkreuz zogen. You can’t kill the Griessmuehle Spirit: Auf der ersten Synoid wurde in feinster Warehouse-Manier so hart geravet, dass von der Decke tropfender Schweiß mehrere CDJs zerstörte.
Einen knappen Monat später erwischt die Griessmuehle der nächste Rückschlag: Das Coronavirus zwingt alle Clubs der Republik zur temporären Schließung, ein Ende ist derzeit nicht absehbar. Laut Pressemitteilung ruhen daher die Verhandlungen um eine weitere Zwischen- und Nachnutzung der Neuköllner Location mit dem neuen Eigentümer. Immerhin wurde in der Zwischenzeit eine neue langfristige Bleibe gefunden, mehr dürfen wir aber noch nicht verraten. [...]
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