So mancher nimmt sich ein ganzes Leben lang vor, nur eines davon abzuschließen. Der Londoner Senkrechtstarter haut in Kürze alles auf einmal raus: Novelle, Kurzfilm, Album. Mit so einem muss man sich unterhalten, klar. Und das habe ich im Sommer 2018 im Berliner Ninja-Tune-Headquarter, nach etlichen Reviews übrigens mein erstes Interview fürs HHV Mag: Über das Debütalbum für Ninja Tune, die ganz persönliche Spurensuche in seiner Familiengeschichte und wie seine Großeltern in den 60er-Jahren von Großbritannien nach New York einwanderten.
Es ist ein Riesenprojekt. Vier Jahre hat Leon Vynehall in sein Debütalbum gesteckt. Halt, warte Debütalbum? Was ist mit »Music For The Uninvited«, mit »Rojus«? »Ich habe die beiden nie wie richtige Alben gesehen. Sie waren eher Mini-EPs für mich. Die Konzepte und Geschichten dahinter und ihr Stil verlieh ihnen nicht genug Gewicht. Sie sind immer noch wichtige Teile meines Schaffens, aber »Nothing Is Still« fühlt sich wie die erste Arbeit an, bei der ich mich wohlfühle, dazu Album zu sagen«, antwortet Leon Vynehall im Interview. Und es ist noch mehr als das, mehr als ein Langspieler voller Musik: »Nothing Is Still« ist Novelle, Liveshow, Kurzfilm. In zehn Tracks oder Kapiteln geht es aufs Schiff über den Atlantik ins schimmernde Amerika, ein poetisches Abenteuer rund um Familie, Freiheit, Verlust und Heimat. Sein Händchen für selige Melodien brachte ihm schnell und zurecht den Ruf eines Ausnahmeproduzenten ein. Die hört man auch auf der Vorab-Single »Envelopes« wie auf der ganzen Platte deutlich heraus, sonst zeigt sich Vynehall vielseitig wie nie, setzt auf gebrochene Rhythmen, leise Zwischentöne und dichte Atmosphären statt 4/4-Dancefloor-Beats. »Nothing Is Still« ist ein cineastischer Trip durch die USA der 60er-Jahre und hält die Spannung mühelos von Anfang bis Ende. [...]