Ramona Seitz

Freiburg im Breisgau ; Mwanza, Tanzania

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Mwanza im Wandel: 50 Jahre Städtepartnerschaft

Mwanza im Wandel - 50 Jahre Städtepartnerschaft

Von Ramona Seitz, veröffentlicht in der Main-Post am 05. Februar 2016 und aktualisiert am: 17. Oktober 2017

Seit 1966 pflegt Würzburg mit der afrikanischen Stadt in Tansania eine Partnerschaft. Wie lebt es sich dort im Jubiläumsjahr 2016?

Der „Bulldozer“ wird er genannt, der neue tansanische Präsident John Magufuli und er räumt kräftig auf. Seit 100 Tagen – auf den Tag genau – ist er im Amt. Und das Tempo, das dieser Präsident vorlegt, versetzt nicht nur die Tansanier in Staunen. Als Magufuli jüngst während einer Militärveranstaltung als Oberbefehlshaber der Streitkräfte in Militäruniform zu seinen Landsleuten sprach, sprach er damit eine deutliche Sprache: Das sonst so friedliche Tansania ist im Krieg. Aber es zieht nicht etwa in den Krieg gegen ein anderes Land, sondern gegen Korruption und Misswirtschaft in den eigenen Reihen.

Es weht also ein anderer Wind durch Tansania – ist das auch in Würzburgs Partnerstadt Mwanza zu spüren? Wie ist das Leben dort im Jubiläumsjahr 2016, dem 50. Jahr der Städtepartnerschaft mit Würzburg?

Eines ist klar: Mwanza ist eine Stadt im Wandel. Einst ein verschlafenes Städtchen an den Ufern des Viktoriasees, leben heute rund 1,2 Millionen Menschen in der Metropolregion rund um „Rock City“, wie die Stadt aufgrund der charakteristischen Felsformationen genannt wird. Doch Mwanza ist nicht nur die zweitgrößte Stadt Tansanias, sondern auch eine der am schnellsten wachsenden Städte in Ostafrika, sagt zumindest Stanslaus Mabula, Parlamentsabgeordneter für Nyamagana (Mwanza-Stadt).

Mwanza ist im Umbruch. Denn wenngleich die Einwohner noch immer stolz sind auf „ihren“ Viktoriasee und auf den Fischfang, hat die Fischerei längst als Wirtschaftsfaktor an Gewicht verloren. Neue Hotels und Bürogebäude schießen aus dem Boden, erzählt Mabula. Und die größte Shoppingmall des Landes, die „Rock City Mall“, steht kurz vor ihrer Fertigstellung. Sie soll eine Attraktion werden. Denn Mwanza solle zum Tourismus-Hotspot ausgebaut werden und künftig noch mehr von der Nähe zur Serengeti profitieren, verdeutlicht Mabula.

Die baumarme Savanne, die sich vom Norden Tansanias bis in den Süden Kenias erstreckt liegt nur wenige Fahrstunden entfernt, östlich des Victoriasees, und ist damit von Mwanza aus einfacher zu erreichen als vom üblichen Safari-Start Arusha aus, so Mabula.

Seinen Charme von einst hat Mwanza trotz der baulichen und wirtschaftlichen Veränderungen aber nicht verloren. Die traditionellen Märkte, deren Vielfalt und Lebendigkeit das Stadtbild prägen, sind unverändert Orte, an denen sich das Leben abspielt. Hier werden Lebensmittel und Kleidung gekauft, hier werden Neuigkeiten ausgetauscht, hier werden Geschäfte gemacht.

Stanslaus Mabula gehört der seit vielen Jahren herrschenden Partei CCM an. Und doch verkörpert er eine neue Politiker-Generation. Von 2012 bis 2015 war er der jüngste Bürgermeister, den Mwanza je hatte. Im Jahr 2014 hat er Würzburg besucht. Jetzt, mit gerade einmal 38 Jahren, ist er Mitglied des Parlaments in Dodoma. Er, der nach seinem ersten Studienabschluss sein Einkommen mit Nachtschichten als Security Guard verdient hat, ist ein Mann des Volkes. Seine Wähler setzen hohe Erwartungen in ihn.

„Es ist ein schwerer Job“, sagt er. Und kann doch seinen Wählern in Mwanza bereits einen ersten Erfolg verkünden: Die Regierung Magufuli hat zum Januar 2016 die Schulgebühren für öffentliche Schulen abgeschafft. Ein historischer Schritt. Möglich sei dies, da die Regierung konsequent Steuern eintreibe. Das hilft, auch wenn Eltern weiterhin für Schuluniform und Schulmaterialien aufkommen müssen. Bildung ist auch im Jahr 2016 ein teures Gut in Mwanza.

Ein Spiegelbild der Gesellschaft Mwanzas sind seine Straßen. Zwischen den großen Geländewagen der Oberklasse ziehen Verkäufer nur mit ihrer Körperkraft mit allerlei Gütern beladene Ziehwägen durch die Stadt. Eine Armada von Minibussen, „Dalla Dallas“ genannt, bringt die Menschen zur Arbeit, zu Freunden, ins Krankenhaus. Dazwischen schlängeln sich Motorradtaxis, die um Kunden buhlen. Und immer wieder Fußgänger: Menschen in zerschlissener Kleidung, die sich offensichtlich keinen Transport leisten können, aber auch gut gekleidete stolze Frauen, die auf ihren Köpfen Waren balancieren oder Kinder, die scherzend mit ihren Freunden zur Schule gehen. Es herrscht Fröhlichkeit und emsiges Treiben auf den Straßen. Und doch können auch sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stadt vor großen Herausforderungen steht.

Im sozialen Bereich ist Arbeitslosigkeit das am Dringendsten zu bewältigende Problem. Längst betrifft dies nicht nur ungelernte Arbeiter. Eine immer größere Schicht gut gebildeter Universitätsabsolventen drängt auf den Arbeitsmarkt, doch es gibt zu wenige Jobs.

Außerdem ist die Stromversorgung ein großes Problem. Wirtschaft und Privathaushalte leiden unter regelmäßigen Stromausfällen. Als Folge rationiert der Anbieter regelmäßig den Strom, erzählt Mabula. „Es kann zum Beispiel sein, dass man für drei Stunden Strom hat und danach bekommt jemand anderes für drei Stunden Strom.“

Auch die Auswirkungen des Klimawandels spürt Mwanza immer stärker. „Das Wetter verläuft nicht mehr nach Plan“, sagt Mabula. Die Region der großen Seen um Mwanza leidet zunehmend unter den Auswirkungen des Wetterphänomens El Nino. Wie die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Vereinten Nationen kürzlich mitgeteilt haben, werden die starken Regenfälle in der Region wohl noch bis April anhalten. Es könnte sogar schlimmer kommen als 1997/98, als El Nino hier ähnlich stark war. Als Folge steige das Risiko für Malaria, Denguefieber oder Rift Valley Fieber, so die WHO. Keine guten Nachrichten für eine Stadt, die seit Monaten akut gegen einen Choleraausbruch kämpft.

Weitere ständige Gesundheitsrisiken sind Billharziose oder auch HIV/AIDS, wobei letzteres inzwischen routiniert behandelt wird. Die Diagnose „HIV positiv“ ist kein Todesurteil mehr. Moderne Medikamente ermöglichen ein fast normales Leben.

Die Kooperation mit Würzburg ist eine wichtige Säule bei der Bewältigung der Herausforderungen. Zwischen den Stadtverwaltungen besteht auch eine Klimapartnerschaft, so werden beispielsweise gerade auf den Dächern von versorgungswichtigen Einrichtungen, wie dem Nyamagana-Krankenhaus oder dem City Radio, Photovoltaikanlagen installiert. „Mit der Klimapartnerschaft soll die Versorgung mit Strom verbessert sowie der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid reduziert werden“, erklärt Charles Amani, Abteilungsleiter Umwelt der Stadt Mwanza. Dies sei ein einzigartiges Pilotprojekt, so Amani, was auch genutzt werden solle, um die Öffentlichkeit zu motivieren, erneuerbare Energien zu nutzen.

Im Kampf gegen Bilharziose planen das Würzburger Missio und das Mwanzaer Bugando Krankenhaus ein groß angelegtes Projekt, wie kürzlich bei einer Pressekonferenz im Würzburger Rathaus verkündet wurde.

Die Politiker von Mwanza seien sich bewusst, sagt Mabula, dass ihre Stadt in besonderem Maße von der Städtepartnerschaft profitiert. Doch ist ihm wichtig zu betonen, dass es nicht nur um Geben und Nehmen gehe, sondern darum, Ideen auszutauschen und von Freunden zu lernen. Insbesondere beim Thema Klimapartnerschaft habe Mwanza schon viel dazugelernt.

Und auch Würzburg kann von Mwanza lernen. Angesichts des Flüchtlingszustroms nach Deutschland zum Beispiel, wie es gelingen kann, Menschen unterschiedlichster Ethnien und Religionen zu integrieren. In Mwanza mag vieles chaotisch sein und nicht reibungslos funktionieren, aber eines ist vorbildhaft: Das friedvolle Miteinander von Christen, Muslimen, Hindus, Buddhisten und Anhängern traditioneller Kulte, die sich alle mit ihrer Stadt „Rock City“ identifizieren.

All diese Bürger, aber auch Besucher Mwanzas spüren, dass in Tansania nach den Wahlen ein anderer, ein frischer Wind weht. Plötzlich werden Regeln und Gesetze umgesetzt – im Großen wie im Kleinen. Im großen Stil verlieren korrupte Beamte ihre Jobs und mehr Steuern werden eingetrieben. Im Kleinen weisen beispielsweise Taxifahrer ihre Fahrgäste darauf hin, man möge doch bitte den Sicherheitsgurt anlegen. Vor wenigen Monaten noch wäre das undenkbar gewesen und Sicherheitsgurte nur Dekoration.

Veröffentlicht: 05. Februar 2016 05:40 Uhr
Aktualisiert am: 17. Oktober 2017 11:00 Uhr