Ralph Stieber

Autor, Journalist, Brand Storyteller & Co-Founder, Poet , Kleinmachnow

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Artikel

The Art of Brand Storytelling: Wie kreative Marken schon mit einem kleinen Claim eine große Story erzählen (könnten)

Nicht unsere Aufmerksamkeitsspanne hat sich verändert, unsere Interessenspanne hat sich verändert.

Früher hatten es große Marken leicht. Die behaupteten einfach: "Wir sind die Besten, die Ersten, die Schnellsten. Wir sind neuer, schöner, besser als die Konkurrenz." 

Aber diese Behauptungen und Prahlereien funktionieren heute nicht mehr. Wen interessierts? Da hat keiner mehr Bock drauf. Und schon gar nicht die jüngere Generation. Die wollen keine Versprechen, keine Worthülsen, keinen griffigen Claim, der behauptet: "Das Beste oder nichts" “Freude am Fahren” "Vorsprung durch Technik" oder "Das Auto" - so what? 

Das sind Markenclaims, gemacht von Werbern für Werber und Firmen-Mitarbeiter. Aber nicht für die Menschen da draußen. Was sollen sie heute damit anfangen?


Niemand mag mehr Prahlerei. Jeder will eine gute Story.

Kreative und smarte Marken haben schon vorher gute Stories erzählt – bevor das Wort “Storytelling” in der Werbung ankam. Angefangen bei ihren Claims: “Think different” von Apple erzählt uns in nur ZWEI WORTEN eine große Story – ganz ohne Prahlerei und die Story geht in etwas so: 


Wenn du dich von der Masse abheben willst, dann kannst du das schaffen. Du willst anders sein als die Masse? Dann denke einfach anders als die anderen. Du bist du und du bist anders. Tue das, was du liebst, mit Leidenschaft. Sei verrückt, rebellisch, ungewöhnlich – sei so, wie du sein willst und nicht wie andere dich haben wollen. Glaube an dich, dann kannst du alles schaffen. Du kannst mit deiner Arbeit, deiner Kunst, deiner Musik, deinen Ideen die Welt verändern.


An alle, die anders denken: Die Rebellen, die Idealisten, die Visionäre, die Querdenker, die, die sich in kein Schema pressen lassen, die, die Dinge anders sehen. Sie beugen sich keinen Regeln, und sie haben keinen Respekt vor dem Status Quo.
Apple - TBWA/ Chiat Day

Ja, ich weiß, wir alle kennen das Apple Manifesto. Aber daraus resultiert der Claim "Think different" und schon der Apple Claim erzählt eben eine brillante und inspirierende Story für die Menschen da draußen. Genau wie es gute Songs schon immer getan haben und Filme und Kunst und Literatur. 


Nimm den Claim von Nike: drei Worte, die eine vielleicht noch größere Story erzählen  ich denke, sie geht in etwas so:


Egal wer du bist und wo du herkommst, du bist ein Athlet. Du bist fett, faul, ein Loser? Vielleicht, aber da tief in dir drin, da steckt ein anderes DU. Das Du, das du immer sein wolltest. Du musst nur eine Entscheidung treffen und anfangen zu trainieren. Dann wirst du dich schon bald besser, gesünder und fitter fühlen – in deinem Körper, in deinem Kopf. Du wirst selbstbewusster durch die Welt gehen, voller Energie und Tatendrang. Du wirst glücklicher sein. Du wirst dich lieben und andere werden dich lieben. Aber hey, wir behaupten nicht, es wird leicht. No way – es wird verdammt hart. Du wirst fluchen. Du wirst weinen. Und du wirst zweifeln. Aber am Ende wird sich das alles lohnen. Wir unterstützen dich dabei. Du schaffst das. Wir glauben an dich. Gib dir einen Ruck. Tu’s einfach – Just do it.


Oder nimm den Claim von Airbnb: Belong anywhere  wunderbar! Erzählt eine großartige Story, an der wohl viele Menschen teilhaben wollen. 


Apple, Nike – sie verkaufen Technologie und Schuhe, aber in erster Linie verkaufen sie Inspiration. Keine Prahlerei, keine falschen Versprechen, stattdessen eine gute Story, von der man nur zu gern ein Teil sein möchte. 


Werben kommt von umwerben – das wissen wir alle, aber warum hält sich kaum jemand daran? 

Jede Marke, jedes Produkt, jedes Unternehmen könnte eine relevante, inspirierende, motivierende Story erzählen. Die meisten Marken verzichten nur leider darauf, weil sie sich viel zu sehr auf sich selbst konzentrieren. Sie drehen sich nur um sich selbst. Wollen dir was verkaufen, aber im Grunde bist du ihnen scheißegal. Sie werden nicht müde immer wieder zu behaupten: "Unser Produkt ist besser, schneller, neuer!” Auch wenn sie vielleicht ein wirklich gutes Produkt produzieren, noch besser sind sie darin, dich zu nerven und zu langweilen. 


Umwerben sieht anders aus.


Die meisten Leute lassen sich gerne was verkaufen, sie wollen nur nicht für dumm verkauft werden.

Viele Agenturen und Unternehmen denken: Jeder hasst Werbung. Aber das stimmt nicht. Viele Leute mögen Werbung. Wenn sie gut ist. Die meisten Leute lassen sich gerne was verkaufen, sie wollen nur nicht für dumm verkauft werden. Wenn Unternehmen ihre Nabelschau beenden und sich als Ziel setzen, wirklich relevante Werbung zu produzieren, dann könnte die Werbung viel mehr Spaß machen – für alle. 


Werbung, die die Zielgruppe begeistert, begeistert auch Unternehmen. 


Klingt so einleuchtend, ist es aber leider für die wenigsten. Ein guter Anfang für Unternehmen, wäre sich selbst zu fragen: 


Warum gibt es unser Unternehmen? Woran glauben wir? Und warum zur Hölle sollte das irgendjemanden da draußen interessieren?  


Der innovative Unternehmensberater und Speaker Simon Sinek bricht diese unternehmerischen Glaubensfragen runter auf eine einzige, mit der Unternehmen starten sollten:


START WITH WHY? By “why ” I mean: What’s your purpose? What’s your cause? What’s your belief? Why does your organisation exist? Why do you get out of bed in the morning? And why should anyone care? 
- Simon Sinek

Danach folgen die Fragen “How?” und “What?” Die meisten Unternehmen starten mit “What” und bleiben bei “What” und wundern sich dann, wenn die Leute genervt und gelangweilt fragen: “So fucking what?”


Anstatt ihr Geld in eine gute Brand Story zu stecken, verbrennen immer noch viel zu viele Kunden und Agenturen ihr Geld für unterirdische 20-Sekünder, die dich allein 15 von den 20 Sekunden lang mit irgendwelchen hyperaktiven, Tourette-Syndrom-artigen Tics und schrillen Call to Actions befeuern – die 5-Sekunden-Story davor?


Ein schlechter Witz.


Dabei ist es heute leichter denn je, der Story deiner Marke eine Bühne zu geben und zu platzieren – auf allen Plattformen und in allen Kanälen, dort wo sie ihr Publikum erreichen (können) und gehört werden – wenn die Story relevant ist. Und dann ist es egal, ob deine Story 5 Sekunden lang ist oder 5 Minuten. 


Millennials sind (leider) keine Goldfische

Auch wenn überall behauptet wird, unsere Aufmerksamkeitsspanne läge unter der eines Goldfischs. Das gilt vielleicht für einige Werber, Marketingchefs und so manchen Firmen-Boss, aber nicht für die meisten von uns und schon gar nicht für die Millennials – nicht umsonst sind die ganz groß erzählten Netflix- und Amazon-Serien so beliebt.


Nicht unsere Aufmerksamkeitsspanne hat abgenommen, sondern unsere “Interessenspanne”  


Unter all den vielen, schwachsinnigen, nervigen Werbebotschaften wollen wir nur noch das hören, lesen oder sehen, was uns interessiert. Wir alle wurden viel zu lange von nerviger und langweiliger Werbung zugeballert, die nichts – rein gar nichts – mit uns zu tun hat. 

Was soll uns die blütenweiße Raffaello-Dame am wunderschönen Strand erzählen, die sich den ganzen Tag Raffaellos zwischen die Lippen drückt und dabei einfach nur “glücklich” ist? Was soll uns diese immer glückliche Katalog-Family erzählen, die vor Glück fast wahnsinnig wird, nur weil sie sich diese fettfreie, locker-leichte Margarine aufs Brot schmiert? Und was soll uns der junge, dynamische, bärtige Business-Hipster erzählen, der voller Ekstase in seinem BMW durch die Großstadt gurkt? 


Hat sich der Typ auch nur ein einziges Mal bei Feierabendverkehr durch Berlin schieben müssen? Da ist es gleich vorbei mit der Extase und der Freude am Fahren und da hilft dir auch nicht "Das Beste". Da hilft dir nichts. Da willst du nur noch schnell zu Hause ankommen, ohne einen verdammten Nervenzusammenbruch zu bekommen. 


The Art of Storytelling oder warum Brand Storytelling eine Kunst ist 

Also – bevor wir weiter in diesem Werbe-Einheitsbrei herumrühren und vielleicht ein bisschen davon und hiervon dazu geben, in der Hoffnung uns so von der Konkurrenz absetzen zu können, sollten wir mal ganz grundsätzlich darüber nachdenken, welch wirklich gute Story in der Marke steckt. Eine Story, die nicht nur Werber und Mitarbeiter begeistert, sondern Menschen. Echte Menschen.


Ja, ja – Storytelling ist zum Modewort verkommen und jeder wirft damit im Moment um sich – I know. Nenn es von mir aus auch Content Marketing oder nenn es wie du willst, aber es gibt noch einen alles entscheidenden Grund für Brand Storytelling: Gut erzähltes Storytelling oder Content Marketing ist die effektivste Methode in unserem schnellen, lauten und hyperaktiven “Zeitalter der Ablenkung” die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu gewinnen. 

Punkt. 


Erfunden oder nicht: eine gute Story ist eine gute Story ist eine gute Story

Gutes Brand Storytelling ist eine Kunst und kann Menschen dazu bringen, sich für deine Marke, dein Produkt und dein Unternehmen zu begeistern. Gutes Brand Storytelling schafft auf authentische Weise relevante Aussagen dort (auch wenn es eine erfundene, aber gute Brand Story ist – und die meisten sind erfunden!), wo klassische Werbung heute leider oft versagt.


Für gute Stories gibt es kein zu kurz oder zu lang.


Darum glaube ich, dass großartiges Storytelling auch wieder die gute alte Longcopy zurückbringen kann. Und wird. 


Das meine ich ernst. 


Die lang totgeglaubte Longcopy wird bald ihr großes Comeback feiern. Damals haben die besten Texter in ihren seitenlange Longcopies genau das gemacht: Großartige Brand Stories erzählt, die man gerne gelesen hat, wenn sie interessant waren – egal wie lang sie waren. Das hat schon der große Howard Gossage ganz gut auf den Punkt gebracht:

Die Leute lesen keine Anzeigen. Sie lesen, was sie interessiert – und manchmal ist es eine Anzeige.
- Howard Gossage

Und meistens ist es eine gute Story.

Die schon beim Markenclaim beginnen kann ...


In diesem Sinne:

#whatsyourstory?

Dieser Artikel ist zuerst auf XING erschienen.

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