Ralph Bauer

Freier Redakteur, Würzburg

1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Bildungsschub ohne Beraterhonorar

Ein Zeitungsartikel, den sein Heimbetreuer las, hat das Leben von Alex verändert. Der 12-jährige Würzburger kommt aus einem schwierigen Elternhaus. Weil es dort zunehmend Probleme gab, lebt er mit seinem 19 Jahre alten Bruder im Heim. Nicht eben ideale Voraussetzungen für einen höheren Schulabschluss. Darum sollte der zurückhaltende Junge eigentlich auf die Hauptschule. "Er hat massiv gestört in der Schule", erinnert sich sein Betreuer Tadeusz Wyrzykowski. Wie sich herausstellte, weil er schlicht unterfordert war.

Da las Wyrzykowski über das deutsche Schülerstipendium der "Roland Berger Stiftung". Ziel der Stiftung des ehemaligen Unternehmensberaters ist, "begabte, lernwillige und engagementbereite Schüler aus sozial benachteiligten Familien" zu Abitur und Studium zu bringen. Darum werden sie individuell gefördert und in Gruppen mit maximal 18 Schülern betreut. Das Projekt läuft in Profilklassen seit September 2013 am Matthias-Grünewald-Gymnasium (MGG) in Würzburg sowie am Dürer-Gymnasium in Nürnberg mit insgesamt 31 Kindern. Sogenannte freie Stipendiaten, die vor Ort ein ehrenamtlicher Mentor betreut, gibt es bundesweit 570.

Ab September wird in Ingolstadt eine ganze Schule mit zwei Vorläuferklassen laufen. Im Endausbau ist der Plan der Stiftung, mit der Staatsregierung, der Stadt sowie Audi Kinder von der ersten bis zur zwölften Klasse nach den Berger-Methoden auszubilden. Von einer Eliteschule will Roland Berger dabei nichts wissen: "Wir wollen keine Privatschule für besonders privilegierte Kinder, sondern eine öffentliche Schule für alle, die begabt und lernwillig sind, mit schwierigen Startbedingungen zu kämpfen haben und sich zudem für andere einsetzen." Also Kinder wie Alex aus Würzburg.

Er hat das schriftliche und mündliche Verfahren bestanden. Darin schilderte er selbst seine Motivation und schrieb einen Aufsatz zum Thema "Wie stelle ich mir meine Zukunft vor". Zudem gab ein Lehrer sein Fachgutachten ab. Die Vorjury prüfte und lud den Jungen zu einem 20-minütigen Gespräch ein. Bei Alex verlief all das erfolgreich. "Es wird allgemein mehr gefördert als in meiner alten Schule. Ich habe gedacht, es wird viel, viel schwerer", sagt er heute.

In beiden bayerischen Förderklassen finanziert die Stiftung eine Sozialpädagogenstelle. Die zusätzlich für die Nachmittagsbetreuung notwendigen Stunden der Lehrer übernimmt das Kultusministerium. Abweichend vom staatlichen Lehrplan hat die Stiftung zehn weitere Lernbereiche für ihre Stipendiaten festgelegt. Dazu gehören Persönlichkeitsentwicklung und Werteorientierung, Sprachkompetenz, aber auch Gesundheit, Ernährung und Sport. Für die Kosten einschließlich Ganztagesbetreuung kommt die Stiftung auf, pro Stipendiat und Jahr mit bis zu 14.000 Euro.

MGG-Internatsleiter Holger Saurenbach sieht das Projekt als beispielhaft, wie man langfristig Schüler individuell fördern kann. Sein Nürnberger Kollege Volker Gerner ergänzt: "Ich glaube, dass ein Großteil der Kinder in den typischen Innenstadtgymnasien genau dies auch bräuchte." Am Dürer-Gymnasium sei die gebundene Ganztagsschule wie in dem Projekt komplettes Neuland. Musikschule, Chor oder Theater böten Erfahrungen, die die Kinder, "zu Hause nie machen könnten". Bei den Würzburger Stipendiaten geht es darum, dass das Elternhaus aufgrund des eigenen Bildungshintergrundes, des Einkommens oder der beruflichen Situation die Kinder nicht wie notwendig auf dem Weg zum Abitur unterstützen könne: Hier springe eben die Stiftung ein. "Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Kinder einfach nach unten durchgereicht werden."

Das soll auf jeden Fall das engmaschige und langfristige Betreuen der Kinder verhindern. "Bei uns fällt definitiv keiner raus. Wenn es in der Pubertät schwierig werden sollte, kann man das Stipendium ein Jahr ruhen lassen", sagt Projektleiterin Martina Wiese.

Die Bewerbungsfrist für das kommende Schuljahr an den beiden Profilklassen endet am 7. März.

Zum Original