Rainer Dr. Werning

Sozial- und Politikwissenschaftler & freier Publizist, Frechen-Königsdorf

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Philippinen: Marcos-Regierung die Leviten gelesen

Die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zum Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung hat die philippinische Regierung von Präsident Ferdinand Marcos Jr. aufgefordert, wesentliche Schritte einzuleiten, um die im Lande gängige Praxis des sogenannten Redtagging und das anhaltend hohe Maß an Straflosigkeit zu beenden. " Redtagging", das Brandmarken von Sozialaktivisten und Regierungskritikern als "prokommunistisch", hat zu zahlreichen außergerichtlichen Morden geführt, die im Zeichen staatlicher Counterinsurgency (Aufstandsbekämpfung) stillschweigend toleriert, häufig sogar öffentlich begrüßt wurden.

Die seit 2020 amtierende Irene Khan erklärte am Freitag zum Abschluss ihres zehntägigen Besuchs in den Philippinen, dass vor allem die sogenannte Nationale Taskforce zur Beendigung des lokalen kommunistischen bewaffneten Konflikts (NTF-ELCAC) im aktuellen Kontext obsolet sei und abgeschafft werden sollte. Die NTF-ELCAC war Ende 2018 qua unterzeichneter Exekutivorder Nr. 70 vom damaligen Präsidenten Rodrigo Duterte aus der Taufe gehoben und mit beträchtlichen Summen aus dem Staatshaushalt ausgestattet worden. Duterte vollzog diesen Schritt aus Frust darüber, dass die von ihm selbst zuvor so überschwenglich gepriesenen Friedensverhandlungen mit der linken Untergrundorganisation der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) nicht vom Fleck kamen. Hatten Dutertes Unterhändler noch Monate zuvor in Norwegen und den Niederlanden offizielle Gespräche mit NDFP-Vertretern geführt, erklärte er eben diesen in einer brüsken 180-Grad-Kehrtwende "den totalen Krieg" und entfachte so eine aufgeheizte Stimmung antikommunistischer Hysterie.

Vor allem die ehemaligen NTF-ELCAC-Sprecher Lorraine Badoy sowie Exgeneralleutnant Antonio Parlade Jr. entpuppten sich in dieser Hatz als Personen mit einem geschlossen manisch-repressiv antikommunistischen Weltbild. In wüsten Rundumschlägen bezichtigten sie regierungskritische Personen - von Gewerkschaftern, Studenten bis hin zu Medienvertretern und Kirchenleuten -, "Mitglieder oder Sympathisanten der NDFP" zu sein.

"Die Abschaffung der NTF-ELCAC wird einige der kritischsten Faktoren für das ›Redtagging‹ beseitigen", führte Khan auf ihrer Pressekonferenz aus. Immerhin habe die amtierende Regierung ja signalisiert, die Friedensgespräche mit der NDFP wieder aufzunehmen, die Freilassung von Senatorin Leila de Lima erwirkt und den Vorwurf des Steuerbetrugs gegen die Journalistin und Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2021, Maria Ressa, fallengelassen.

"Es gibt also eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, das sind alles positive Signale, aber sie reichen nicht aus, um das Blatt entscheidend zu wenden", sagte Khan weiter. Und fügte hinzu: "Die Bewältigung der schwerwiegenden und tiefgreifenden Menschenrechtsprobleme in den Philippinen, von denen viele mit meinem Mandat zusammenhängen, erfordert grundlegendere und nachhaltigere Reformen sowie ein klares Bekenntnis zur Rechenschaftspflicht". In diesem Zusammenhang erinnerte die UN-Sonderemissärin, die während ihrer Landesvisite auch inhaftierte Journalistinnen besuchte, daran, dass die Philippinen in bezug auf Straflosigkeit weltweit noch immer auf Platz acht rangieren: "Die Philippinen sind nach wie vor ein gefährliches Land für Journalisten, und es muss noch viel mehr getan werden, um die Straflosigkeit zu bekämpfen."

Unter Berufung auf Daten der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) konstatierte Khan, dass 81 Fälle von Journalistenmorden weder strafrechtlich verfolgt noch untersucht worden seien. Seit Ferdinand Marcos Jr. im Sommer 2022 das Präsidentenamt übernommen hatte, wurden mindestens vier Journalisten getötet. Die Philippinen liegen auf Platz 132 von 180 Ländern auf dem Weltindex für Pressefreiheit.

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