Rainer Dr. Werning

Sozial- und Politikwissenschaftler & freier Publizist, Frechen-Königsdorf

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Massaker eingeräumt

Indonesiens Präsident spricht über antikommunistische Massentötungen

Es war eine erstaunliche Geschichte, die am Mittwoch von der Washington Post publiziert wurde. Unter dem Titel "Indonesien räumt historische Rechtsverletzungen ein - drückt sich aber vor der Rechenschaftspflicht" zitierte die Zeitung den indonesischen Präsidenten Joko Widodo, der zuvor anlässlich einer Pressekonferenz vor dem Präsidentenpalast in Jakarta sein Bedauern über die ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen der vergangenen sechs Jahrzehnte in seinem Land zum Ausdruck gebracht hatte. Dazu gehörte auch eine von den USA unterstützte "antikommunistische Säuberungsaktion", die auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zu einem Massaker an mindestens 500.000 Indonesiern führte. "Mit klarem Verstand und aufrichtigem Herzen gebe ich als indonesisches Staatsoberhaupt zu, dass es in vielen Fällen zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist", sagte Widodo. "Ich habe Mitgefühl und Empathie für die Opfer und ihre Familien", fügte er hinzu und versprach, ähnliche Übergriffe zu verhindern, ohne jedoch die Rolle der Regierung bei den Greueltaten ausdrücklich einzugestehen oder sich zu verpflichten, die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Widodo erwähnte in seiner Rede insgesamt zwölf Ereignisse in der Geschichte des Landes, die "bedauerlich" seien, darunter außergerichtliche Hinrichtungen unter dem damaligen Präsidenten Haji Mohammed Suharto in den 1980er Jahren und die Entführung von prodemokratischen Aktivisten in den 1990er Jahren. Widodo, der sich dem Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit nähert, ist nach Abdurrahman Wahid (1999-2001) der zweite indonesische Präsident, der sich öffentlich zu den Ungerechtigkeiten der vom Militär geführten "antikommunistischen Säuberung" von 1965/66 bekannte.

Bis heute behaupten die Einsatzkräfte des südostasiatischen Inselstaates - allen voran das Militär -, dass die seinerzeit weltweit drittgrößte kommunistische Partei, die Kommunistische Partei Indonesiens (PKI), im Zuge eines von ihr angeblich angezettelten Putschversuchs für die Ermordung sechs hochrangiger Generäle verantwortlich gewesen sei. Ein hartes Vorgehen gegen die PKI, so die Lesart des Militärs, sei schon allein aus Gründen der Wahrung nationaler Sicherheit und Ordnung notwendig gewesen. Überdies hätte der damalige Präsident und Staatsgründer Sukarno sozialistische Sympathien gehegt und engere politisch-diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik China angestrebt.

Was folgte, war ein Massaker, in dessen Verlauf tatsächliche und/oder vermeintliche PKI-Mitglieder und -Sympathisanten liquidiert wurden. Die Opferzahlen rangieren zwischen 500.000 bis annähernd drei Millionen getöteter Menschen. In Zeiten des Kalten Krieges galt diese präventive Konterrevolution als "gutartig", vollzog sie sich doch innerhalb der Parameter von "Freiheit und Demokratie". Kein Wunder, dass sich der heute gern als "Wertegemeinschaft" gerierende Westen - darunter die USA, das Vereinigte Königreich, Australien und die BRD - dem neuen Militärmachthaber Suharto mit logistischer und geheimdienstlicher Unterstützung andienten. Selbst Nazis und ein SS-Obersturmbannführer sorgten dafür, Suharto international hoffähig zu machen.

Widodos nunmehrige Äußerungen sind zwar das bis dato deutlichste Eingeständnis der problematischen Menschenrechtslage in Indonesien, doch Kritik gab es unter anderem von Human Rights Watch. Andreas Harsono konstatierte gegenüber der Washington Post: "Die Behörden sagen, sie wollen Versöhnung. Aber auf welcher Grundlage?" Statt dessen fordern Aktivisten wie Harsono endlich die Einrichtung eines Menschenrechtstribunals nach dem Vorbild der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission.

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