Das Format findet von der Ideenfindung bis zur Premiere online statt und funktioniert so: Die Nutzerinnen und Nutzer kommentieren auf dem Instagram-Kanal des Staatsschauspiels ihre Inspirationen. Aus diesen Kommentaren schreibt dann ein Dramaturg oder eine Dramaturgin an nur einem Tag einen Text.
Beim ersten Durchlauf im Januar musste oder durfte Chefdramaturg Jörg Bochow aus 165 Anregungen auswählen. Er entschied sich intuitiv für knapp 60 Kommentare, auch um möglichst viele Menschen aus dem virtuellen Publikum einzubinden, erzählt er. Daraus entstand der Text: ein Monolog für die Schauspielerin Luise Aschenbrenner. "Natürlich ist die Schwierigkeit, da einen Sinn zu produzieren", sagt Bochow. "Dass es eben nicht nur eine Anhäufung von Reizworten ist, sondern es soll ja ein kleines Format, ein Monolog entstehen." Keine leichte Aufgabe, aber gerade deswegen für Jörg Bochow reizvoll. In der Spontanität und in dem kurzen Zeitfenster von einem Tag, in dem der Monolog entstehen soll, liegt für ihn auch das theatrale Moment.
Der weitere kreative Prozess lag in der Hand der Schauspielerin Luise Aschenbrenner. Ihr war auch im Dezember die Idee für das Format gekommen, das sie dann gemeinsam mit den Dramaturgen und der Social-Media-Expertin beim Staatsschauspiel entwickelte. Für den ersten Durchlauf lernte sie nicht nur den Text, sondern hatte auch große kreative Freiheiten und Aufgaben: Die 25-Jährige überlegte sich Musik, Requisiten und wie der Bildausschnitt aussehen sollte - der, in dem sie gefilmt wurde. Denn nicht Zuschauer-Augen im Publikum, sondern eine Kamera verfolgte ihr Spiel.
Die Schnelligkeit, in der dieses Format entsteht, entlastet auch, findet die Schauspielerin. Da sie nur drei Tage Zeit hatte, den Text zu lernen, machte Aschenbrenner sich nicht so große Gedanken.
"Die Frage ist weniger 'Was zeige ich jetzt?', sondern eher 'Wo ist der Spaß?' und 'Wo sind wir wieder in der Fantasie vom Theater?'"
Luise Aschenbrenner, Schauspielerin / festes Ensemblemitglied Staatsschauspiel DresdenEtwa eine Woche, nachdem die Kommentare gepostet wurden, fand die Premiere dann digital statt: Auf Instagram, in einem Video, in einem Take gedreht, über acht Minuten lang.
Im diesem ersten Video von "Ihr schreibt, wir spielen" wird auch das Pandemie-bedingte fehlende Spielen vor Publikum thematisiert. Ein Vermissen, das viele Theater-Schauspielerinnen und -Schauspieler gerade fühlen. Denn es fehlt ein direktes Feedback auf ihre Arbeit. Sonst merke sie immer am Live-Publikum, ob ihr Spiel funktioniere, sagt Aschenbrenner, oder ob es eben in die Hose gegangen sei. Deswegen sei für die 25-Jährige das Publikum als Theater-Schauspielerin noch einmal wichtiger als bei Filmproduktionen. Durch "Ihr schreibt, wir spielen" gibt es für sie als festes Ensemblemitglied am Staatsschauspiel aber digital eine Art Ersatz-Live-Rückmeldung. "Es ist seltsam, aber ich finde, über die Kommentare, die dann relativ schnell kamen, gab es doch ein bisschen das Gefühl von einem Austausch mit dem Publikum, anders als beim Film", sagt Aschenbrenner, "und das fand ich toll".
Bis zum Sommer soll das Format "Ihr schreibt, wir spielen" alle zwei Wochen weitergeführt werden, mit wechselnden Schauspielern sowie Dramaturginnen. Der zweite Durchlauf mit Schauspieler Viktor Tremmel lief schon Ende Januar.
Unter den unzähligen Online-Formaten, die es momentan gibt, ist "Ihr schreibt, wir spielen" ein besonderes Format. Es wirkt wie ein digitaler Ort des pandemischen Theaters, wo interagiert wird, anstatt nur stumm und digital Kultur zu konsumieren.