Vor einem Jahr ist in dieser Rubrik mein Artikel „Krisen, Krisen, noch mehr Krisen: Die Zukunft für die ‚Generation Z' sieht düster aus" erschienen. Ein Titel, der auch heute noch aktuell ist. Was aber ist seit Juni 2022 passiert? Und wie sieht die Zukunft für die „Gen Z" heute aus? Vor allem aber: Was bedeutet das für uns als Gesellschaft?
Zuerst die schlechten Nachrichten vorab: Die Klimakrise ist noch da. Unser Gesundheitssystem wurde noch immer nicht ausreichend reformiert. Die Pandemie ist zwar offiziell für beendet erklärt worden, in unserer Gesellschaft gibt es aber mit Long Covid eine weitere Volkskrankheit. Und in Europa ist immer noch Krieg. Was soll man da noch sagen? Da ist die Stimmung doch gleich im Keller.
Aber mal langsam.
Als ich den Artikel letztes Jahr geschrieben habe, war mein Anliegen recht deutlich. Ich wollte auf die Ängste und Sorgen meiner Generation aufmerksam machen und appellieren, die jungen Menschen ernst zu nehmen. Es glich einem Tagebucheintrag, den ich aber mit der Öffentlichkeit teilen wollte. Mein Artikel sollte ein Weckruf sein, weil ich, neben vielen anderen Menschen, das Gefühl habe, dass wir unser Leben so leben, als könnte es immer so weitergehen. Egal, was kommt. Und blenden dabei zu oft aus, wie sehr sich die Welt heute schon verändert - die aktuellen Zustände geben lediglich einen Vorgeschmack auf das, was uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte erwartet. Diese Erkenntnis ist schwer, damit umzugehen nicht leicht.
Die Sache mit dem Klimaschutz ernst nehmen
Dennoch lohnt es sich zu kämpfen und für Klimaschutzmaßnahmen einzustehen. Das zeigt auch der Synthesebericht des Weltklimarats IPCC, der im März dieses Jahres veröffentlicht wurde. Darin wurde nochmals deutlich gemacht, welche Auswirkungen die Klimaerhitzung hat und welche Begrenzungsmöglichkeiten es gibt. Demnach ist die Klimakrise zwar noch zerstörerischer als bisher angenommen, verloren ist aber ganz sicher nichts. Zwar reichen die bisherigen Anstrengungen in Sachen Klimaschutz nicht aus, aber faktisch gesehen wäre es noch immer möglich, die Pariser Klimaziele von 2015 einzuhalten. Man muss halt nur mal anfangen, die Sache mit dem Klimaschutz wirklich ernst zu nehmen. Es ist wichtiger denn je, sich über Lösungen und Handlungsempfehlungen auszutauschen.
Deutlich wird das auch, wenn man sich mal vor Augen führt, was allein im letzten Jahr so passiert ist: Da wäre die Flutkatastrophe in Pakistan, bei der zeitweise ein Drittel des gesamten Landes unter Wasser stand. Die Dürre im Süden Europas in diesem Jahr, schon vor Beginn des Sommers - Einschätzungen der Weltwetterorganisation nach soll dieser Sommer noch schlimmer werden als der letzte. In Kanada wüten Waldbrände von bisher unbekanntem Ausmaß. Die dadurch in Rauch verhüllte Freiheitsstatue in New York diente wohl als perfektes Symbolbild der Klimakrise. Weltweit brennen Wälder, in Deutschland hatten Einsatzkräfte der Feuerwehr wochenlang mit Waldbränden rund um Jüterbog zu kämpfen. Der Mai 2023 war der zweitwärmste und trockenste Mai seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Und in meiner Heimatstadt Berlin sinkt der Grundwasserspiegel auch weiterhin. Alles Auswirkungen der Klimakrise. Im Hier und Jetzt. Weltweit. Und das sind nur wenige Beispiele des letzten Jahres.
Angst vor Krisen: Wenig Optimismus unter jungen Menschen
Wann handeln wir endlich entsprechend? Kein Wunder, dass die Krisen Folgen für die menschliche Psyche haben. Ich für meinen Teil spüre das deutlich. Ich mache mir Sorgen - um meine ganz persönliche und um unsere gemeinsame Zukunft als Gemeinschaft. Daran hat sich in dem einen Jahr definitiv nichts geändert. Und wie auch im letzten Jahr schon zeigen aktuelle Studien: Ich bin (mal wieder) nicht die Einzige. Dass vor allem junge Menschen betroffen sind, dürfte bei all den Krisen und den Lebensjahren, die noch vor uns liegen, keine große Überraschung sein. Einblick, wie die junge Generation so tickt, gibt unter anderem die Europäische Jugendstudie der Tui-Stiftung. Seit 2017 wird die Studie durchgeführt, erst am 15. Juni 2023 wurde die neueste Version veröffentlicht.
Thomas Ellerbeck, Vorsitzender der Stiftung, betont bei der Veröffentlichung direkt, dass der Zukunftsoptimismus, der bei den befragten 16- bis 26-Jährigen trotz zahlreicher Krisen in den vergangenen Jahren immer wieder belegt werden konnte, zunehmend unter Druck gerät. Knapp über 50 Prozent der Befragten halten es für unwahrscheinlich, dass es ihnen mal besser gehen wird als ihren Eltern. Zum Vergleich: 2017 waren es noch 64 Prozent, die optimistisch in ihre Zukunft blickten. Und das mag schon was heißen: ein Optimismus, der nach und nach verblasst. Laut Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin, der die Studie begleitet hat, sei eine Trendumkehr in diesem Fall sehr unwahrscheinlich.
Die Studie „Jugend in Deutschland 2023" beschäftigt sich auf nationaler Ebene mit diesem Thema. Auch hier sind die Ergebnisse erschreckend. Über die Hälfte der befragten 14- bis 29-Jährigen haben mit stressbedingten Belastungen zu kämpfen. Klaus Hurrelmann, Mitherausgeber der Studie, erkennt für das Ergebnis verschiedene Ursachen: die Nachwirkungen der Corona-Jahre, Erschöpfung, Gereiztheit, die Auswirkungen eines maroden Bildungssystems. Vor allem aber sagt er im Gespräch mit dem SWR, dass die jungen Menschen in dieser angespannten Zeit merken, dass überhaupt nichts mehr sicher sei.
So ist es der Studie zufolge vor allem die Generation Z, die sich Sorgen um ihre finanzielle Sicherheit macht. Eine Lebensplanung ist demnach kaum möglich. Auch Simon Schnetzer ist Herausgeber der Studie und fasst zusammen, die jungen Menschen seien in einem Dauerkrisenmodus, der weiter anhalte und psychische Narben hinterlasse. Nochmal zum Mitschreiben: Die Menschen, die so auf die nächsten Jahre blicken, sind die Zukunft Europas. Das muss man erst mal sacken lassen, oder?
Für mich persönlich: Ich erkenne mich darin wieder. Ich empfinde meine Ängste auch von Jahr zu Jahr intensiver. Das mag daran liegen, dass ich mich jetzt intensiver und noch mal länger mit der Klimakrise beschäftige, aber auch daran, dass wieder ein Jahr vergangen ist, in dem zu wenig gemacht wurde. Zu wenig, um daran zu arbeiten, unsere Lebensgrundlagen auch in Zukunft zu sichern. Und zwar nicht nur hier in Deutschland. Sondern überall auf der Welt. Denn auch wenn Staaten eine unterschiedliche Verantwortung haben, weil sie unterschiedlich viel zum Status quo beigetragen haben, eines muss die Klimakrise definitiv: global bekämpft werden. Und dafür ist die Unterstützung jedes und jeder Einzelnen gefragt. Daran aber scheitert es noch.
Kommunikation über die Krise: Zuhören und auf Augenhöhe begegnen
Ich bin zwar kein Fan davon, Dinge immer wieder aufzuwärmen, aber es ist leider ein allzu gutes Beispiel. Als Klimaaktivistin Carla Rochel in einer Talkshow des Moderators Markus Lanz zu Gast war, schien er sie ganz persönlich anzugehen und ermahnte sie schon fast, warum sie denn als so junger Mensch nicht hoffnungsvoll in ihre Zukunft blickte. Eine der beiden Personen scheint den Ernst der Lage begriffen zu haben. Und einer eben nicht.
Ich kenne solche Gespräche und Situationen, es ist fast schon ein Standardsatz. Ob es mit der Familie am Esstisch ist, mit Kommilitoninnen und Kommilitonen sowie Bekannten in lockerer Atmosphäre oder eben einfach so, mit Fremden, die einem einen „guten" Rat geben wollen. Das bin ich satt. Wann hat die Gesellschaft aufgehört, ihren Mitmenschen zuzuhören, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und sie ernst zu nehmen? Ich finde das schade. Positiv an der Sache: Es ist nie zu spät, damit (wieder) anzufangen. Auch wenn es nur in eurem kleinen Kreis ist, diese kleinen Veränderungen sind es, die am Ende Großes bewirken können. Das ist wirklich so. Und auch wenn ein Wandel oft nur schleppend vorangeht, es gibt ihn. Sich das vor Augen zu führen, ist in einer Zeit, die sich so unsicher und unkontrollierbar anfühlt, wichtiger denn je.
Wie die Medien mit dem Klimawandel umgehen sollten
Auch medial ist eine Menge passiert. Das hängt sicher nicht zuletzt damit zusammen, dass die Klimaveränderungen auch hier in Deutschland immer präsenter werden. Menschen vernetzen sich, in Redaktionen werden Diskussionen über den richtigen Umgang mit der Klimakrise geführt. Es werden Formate entwickelt, gute Bücher geschrieben, meine Timeline ist voll mit gut recherchierten und spannenden Klima-Podcasts. Selbst Joko Winterscheidt widmet sich in einer großen Amazon-Prime-Produktion dem Thema Klimakrise. Gut so! Es ist toll, dass es diese Formate gibt, und für den Moment wirklich hilfreich.
Vergessen wir aber nicht, dass damit nicht die breite Masse erreicht wird. Nachrichten über die Klimakrise lassen sich einfach wegklicken und ignorieren. Vielmehr sollte es doch darum gehen, die Klimakrise als das zu erkennen, was sie ist: eine Krise, die all unsere Lebensbereiche betrifft. Damit also auch jedes Ressort. Eben ein Thema, um das man nicht mehr herumkommt. Dass es Menschen gibt, die an dem Status quo etwas ändern wollen, weiß ich selbst aus erster Hand. Meine Kolleginnen und Kollegen vom Netzwerk Klimajournalismus arbeiten jeden Tag daran, die Klimakrise journalistisch als Dimension JEDES Themas zu verankern. So schwer dieser Realitätscheck, der damit einhergeht, manchmal sein mag, am Ende ist es vor allem schön zu sehen, wenn Menschen „einfach mal machen". Und Stück für Stück an Veränderungen arbeiten. Das zu sehen, zaubert mir ganz oft ein Lächeln ins Gesicht.
Anders als noch vor einem Jahr sage ich deshalb: Wartet nicht darauf, von anderen Menschen, speziell der älteren Generation, gehört oder verstanden zu werden. Verbündet euch mit denen, die schon heute etwas tun. Zeigt eure Gefühle und sprecht offen und ehrlich darüber. So schwer das auch sein mag. Vielen von uns geht es mit all den globalen Krisen ähnlich. Über alle Generationen hinweg. Sich darüber im Klaren zu sein und sich auszutauschen, das ist das, woraus wir am Ende vor allem zwei Dinge schöpfen können: Kraft und Hoffnung. Und die sind gerade verdammt wichtig.
Pia Pentzlin ist 21 Jahre alt und studiert Journalismus und Unternehmenskommunikation an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) Berlin. Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag freien Autorinnen und Autoren sowie jedem Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.