Philipp Woldin

Managing Editor WELT AM SONNTAG/Hamburg

17 Abos und 11 Abonnenten
Artikel

Salafisten in Hamburg: Kampf um die Herzen


Sie kamen mit 1500 Ausgaben des Koran, Fladenbrot und radikalen Botschaften zur Messehalle B6. Hier leben rund 700 Flüchtlinge in einer provisorischen Erstaufnahme, viele der Menschen sind gerade erst den Schergen des Islamischen Staats entkommen. Es war das vergangene Wochenende, als sich eine Gruppe junger Männer mit Kapuzenpullis und Vollbärten der Unterkunft nähert. Einige laufen in die Kleiderkammer und geben an, den Flüchtlingen Korane spenden zu wollen. Die Helfer weisen sie ab, die Messe soll eine "politik- und religionsfreie Zone" bleiben, wie ein Sprecher später sagt.


Andere mutmaßliche Salafisten sprechen Flüchtlinge an der Unterkunft auf Arabisch und Englisch an, reichen Bücher und Zettel über den Zaun, eine Unterstützerin reißt sogar eine Trennwand ein. Es kommt zu einem Gerangel mit dem Sicherheitsdienst, mehrere Streifenwagen müssen anrücken. So berichten es mehrere Augenzeugen, die Polizei hat den Vorfall bestätigt.


Radikale Muslime, die rund um Hamburger Flüchtlingsunterkünfte um neue Anhänger werben, das ist für die für Erstaufnahmen zuständige Innenbehörde ein "Einzelfall". Wirklich? Der Vorfall passt ins Bild, das sich vielen Hamburgern im Alltag bietet. Die salafistische Szene wird immer präsenter, an Koranständen in der Innenstadt, seit Kurzem auch rund um Flüchtlingsunterkünfte. Dagegen hat sich längst eine Allianz unter der Federführung der Sozialbehörde formiert. Es ist ein Kampf um die Herzen, der oft im Verborgenen stattfindet und deshalb nicht in den Zeitungsspalten landet.


Zum Original