Philipp Süßmann

Redakteur, Content-Manager, Berlin

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Top 5: Fünf Serienhelden 2014

Einmal blicken die Serien-Ninjas noch zurück und präsentieren euch eine kleine Best Of-Auswahl. Ninja Philipp stellt die fünf Serienhelden vor, die 2014 bei ihm am meisten Eindruck hinterlassen haben.

2014 war ein faszinierendes Jahr. Was die reale Welt und die Vorgänge darin betrifft, kann ich mich nicht erinnern, jemals ein deprimierenderes Jahr erlebt zu haben, sieht man mal von der Weltmeisterschaft ab. Von ISIS über Ebola bis zu den Ereignissen in der Ukraine - holy shit war das ein gigantischer Clusterfuck, der uns 2015 und darüber hinaus noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten wird. Aber wie das eben so ist: Ist die Realität deprimierend, blüht die Fiktion auf. Und so war 2014 das beste Jahr für TV-Serien, welches ich vielleicht jemals erlebt habe. Das Pay-TV dominierte US-Quality-Programming feuerte 2014 aus allen Rohren, dazu kamen noch etliche hochklassige Beiträge aus Ländern wie Großbritannien, Kanada oder Skandinavien (nur halt eben aus Tschörmanie mal wieder nicht, aber egal). Da ich endlose Top-Listen zu Jahresende eher mühselig und oft repetitiv finde, habe ich mich in dieser Hinsicht zurückgehalten, eine Aufzählung wollte ich mir abschließend aber doch nicht nehmen lassen. Eine knappe Beschreibung der Serienfiguren, welche im vergangenen Jahr am meisten Eindruck bei mir hinterlassen haben.

Manche dieser Figuren werden wir in den nächsten Jahren wiedersehen, einige davon haben bereits ihr Seriendasein (oder sogar ihr Leben) hinter sich. Aber erinnern werde ich mich vermutlich noch viele Jahre an jeden von ihnen. Deswegen ohne Umschweife - meine fünf größten Serienhelden 2014

Detective Rust Cohle (Matthew McConaughey) in "True Detective" (HBO)

2014 stand voll und ganz im Zeichen der "McConaissance". Nach Jahren als seichter RomCom-König mit gelegentlichen Drama-Ausflügen legte Matthew McConaughey in diesem Jahr einen Karriereboost hin, der eben direkt eine eigene Bezeichnung verdient hat. Dazu haben sein oscarprämierter Auftritt in Dallas Buyers Club und in Nolans Interstellar sicher auch beigetragen. Am meisten Eindruck hat McConaughey aber wohl mit seinem Auftritt als der hagere, getriebene Cop Rust Cohle in HBOs dreckiger Polizistenfabel hinterlassen. Die pathetisch vorgetragenen Sinnsprüche in hartem Texanisch, diese ausgemergelte Gestalt gepaart mit messerscharfen Intellekt und dem Hang zum Mystischen - Rust Cohle traut man alles zu. Er gab stets genug von sich preis, dass man als Zuschauer gefesselt war, aber nie genug, um die (Un)Tiefen seines Charakters zu entmystifizieren. Extrem cool, aber nicht unnahbar. Tödlich, aber verwundbar. Gefährlich, aber nicht bösartig. Oder vielleicht doch? Bis zum Ende der Staffel konnte man sich bei ihm nie sicher sein. Ein großartiger Antiheld, der seinen Platz im Olymp der besten Cop-Gestalten der TV-Geschichte bereits gefunden hat, irgendwo zwischen Twin Peaks' Dale Cooper und Jimmy McNulty aus The Wire.

Elizabeth Jennings (Keri Russell) in "The Americans" (FX)

Der Typus des zerbrechlichen, zuckersüßen Mädchens hat Keri Russell einst mit Felicity berühmt gemacht und es ist erstaunlich, wie sie diese vermeintliche Zerbrechlichkeit in ihrer Rolle als KGB-Spionen Elizabeth Jennings einsetzen kann. Mit Ende Dreißig ist sie attraktiver denn je, was vor allem an diesen kleinen, imperfekten Details liegt. Dem ersten Auftauchen einer grauen Spur in den Haaren, den ersten kleinen Fältchen um die Augen. Sie verleihen ihr eine Aura von gelebter Erfahrung, von einer Verletzlichkeit, die in der Vergangenheit ausgenutzt wurde und deswegen durch Härte ausgetauscht wurde. Wenn Elizabeth in „The Americans" Gegner umprügelt, die doppelt so groß und dreimal so schwer sind wie sie, dann glaubt man das. Der Killer steckt nicht im Bizeps, er steckt in den Augen. Und da steckt bei Elizabeth Jennings noch viel mehr: Die Härte einer Mutter, die ihre Kinder nicht einem System anvertrauen will, dass sie eigentlich hasst und bekämpft. Die Fokussiertheit einer Soldatin, die es zulässt, dass ihr Erzfeind vor ihren Augen ihr Protege ermordet, weil sie den größeren Zusammenhang im Blick hat. Die Trauer einer geschundenen Frau, die schwer daran trägt immer wieder ihre Seele und ihren Körper für garstige Lügen zu verkaufen muss. Und die Entschlossenheit einer Agentin, ihre Mission auszuführen, auch wenn sie und andere Menschen dafür einen verdammt hohen Preis bezahlen müssen. Was steckt noch alles in Elizabeth Jennings? Ich kann es kaum erwarten, das herauszufinden, wenn The Americans Ende Januar auf FX fortgesetzt wird.

Lester Nygaard (Martin Freeman) in "Fargo" (FX)

Martin Freeman hat in den letzten Jahren einen Karrieresprung hingelegt, wie wenige andere Schauspieler (abgesehen von der bereits gepriesenen "McConaissance"). Die Hobbit-Trilogie, Sherlock, Auftritte in Edgar Wrights The World's End und als Krönung folgte dieses Jahr der bisher beste schauspielerische Auftritt in der bisherigen Karriere des Engländers. Als missratener Windbeutel Lester Nygaard ist er gerade deswegen brillant, weil er so gottverdammt liebenswert ist. Man möchte als Zuschauer auf seiner Seite sein, aber immer wieder spielt Freeman gekonnt gegen diese Wahrnehmung an und weigert sich, der Held dieser Geschichte zu werden. Stattdessen wurmt sich Lester immer weiter in dieses Netz aus eilig improvisierten Lügen hinein und wächst dabei über sich hinaus, ohne jemals tatsächlich ein "besserer" Mensch zu werden, im Gegenteil. Oder ist er eigentlich gar kein so schlechter Kerl und wurde nur durch die ständige Schikane seines Umfelds zu diesem Verhalten getrieben? Nein. An die Wand gestellt offenbart er sich als skrupelloser Lügner, als amoralischer Bastard, der über Leichen geht um seine eigene Haut zu retten. Und dabei mehr Glück als Verstand hat, bis zum Schluss das Eis buchstäblich zu dünn geworden ist. Warum ist Lester also ein Held? Weil er sinnbildlich für uns Zuschauer steht, die wir uns insgeheim doch wünschen, dass er irgendwie davonkommt mit allem. Weil wir in ihm die geschundene Seele sehen wollen, die es jetzt endlich einmal allen Bullies dieser Welt heimzahlen kann. Keinen anderen Charakter habe ich 2014 so geliebt zu hassen und ihm trotzdem die Daumen zu drücken.

Mort/Maura Pfefferman (Jeffrey Tambor) in "Transparent" (Amazon)

Mort hat wirklich lange versucht, Maura zu ignorieren. Sie zu unterdrücken, nur heimlich freizulassen, wenn es niemand sehen kann, der Mort kennt. Und doch konnte er ihrer Anziehung nie widerstehen, nicht einmal wenn das bedeutet, dass es große Probleme für seine Ehe und seine Familie nach sich ziehen würde. Irgendwann (und eigentlich viel zu spät) beschließt Mort, dass jetzt Schluss ist mit dem endlosen Versteckspiel. Und dass er von nun an Maura sein möchte. Die Entschlossenheit mit der dieser Mensch im Herbst seines Lebens endlich seine Lebenslügen konfrontiert und mit Volldampf auf die Hörner nimmt, ist nicht das Einzige, was J ill Soloways Transparent so sehenswert macht, aber es ist das Herzstück dieser Serie. Und Jeffrey Tambor, der in Frauenkleidung wirklich keine attraktive Gestalt abgibt, ist das perfekte Gesicht für diese mutige Person. Was nicht passt, wird eben passend gemacht. Maura Pfefferman und ihre Findung zu sich selbst, hat etwas ungeheuer Inspirierendes, was nicht nur auf die übrigen Figuren in Transparent übergreift, sondern auch auf den Zuschauer. Mehr kann eine Performance eigentlich gar nicht leisten. Denn Maura könnte wohl noch den verbohrtesten Reaktionär bekehren. Und dazu müsste sie nicht einmal viel tun, sondern sich einfach mit diesen heruntergezogenen Mundwinkeln vor einen setzen, welche stets zu rufen scheinen: "Meinst Du wirklich, ich habe mir das rausgesucht? Das bin ich eben." Man möchte sie dafür umarmen. Und alle, die ihrem Beispiel folgen.

Valerie Cherish (Lisa Kudrow) in "The Comeback" (HBO)

Lisa Kudrow bringt in der zweiten Staffel von The Comeback etwas zustande, was für mich als die beste komödiantische Schauspielleistung gilt, die ich nicht nur 2014, sondern auch darüber hinaus gesehen habe. Jeder kennt diese Frau als Phoebe aus Friends und es ist fast undenkbar, dass man sich nach einem derartigen Monsterhit jemals wieder aus dieser Wahrnehmung befreien kann. Aber genau das schafft Kudrow in der Rolle als überkandidelter Ex-Star Valerie Cherish. Sie verschwindet komplett in der Figur, man sieht nur noch Valerie, die tatsächlich in seltsamer Art und Weise "zum Leben" erweckt wird. Die zweite Staffel von The Comeback ist deutlich interessanter als ihr zehn Jahre alter Vorgänger und das wegen der Ausarbeitung der Figur Valerie Cherish. In Staffel Eins war sie die Karikatur eines ruhmsüchtigen Fernsehstars, der bereit ist, nahezu alles zu opfern, nur um zurück ins Rampenlicht zu kommen. Maßlos von sich selbst überzeugt und dabei hinter ihrem Rücken von allen gehasst oder belächelt, auch von den Zuschauern. Eine Tatsache, die außerhalb ihres Wahrnehmungshorizontes zu sein scheint. Doch während es Lisa Kudrow und Serien-Produzent Michael Patrick King im ersten Comeback darum ging, diesen Charakter vorzuführen, wollen sie ihn in Staffel Zeit de-konstruieren. Kann sich Valerie aus diesem Teufelskreis der ständigen Inszenierung, der ihr gesamtes Leben langsam aber sicher zerstört, lösen oder bleibt sie gefangen in dieser öffentlichen Schauwelt, die sie nicht glorifiziert, sondern lächerlich macht, was sie selbst nicht in der Lage ist, zu erkennen? Am Anfang der Staffel ist Valerie noch genauso furchtbar, wie man sie in Erinnerung hat, doch über den Lauf der Folgen hinweg findet man sich plötzlich auf ihrer Seite wieder. Als sie schließlich im Finale der Staffel erkennt, was wirklich zählt im Leben, ist das ein großartiger Moment, der nicht forciert wirkt. Stattdessen freut man sich als Zuschauer, dass Valerie von ihrem Irrweg abgekommen ist und endlich diese immer-lächelnde, alles stets ins Positive verklärende Maske ablegen kann. Und darunter ein Mensch zum Vorschein kommt, der tatsächlich liebenswert ist. Auch wenn das wohl leider das endgültige Ende für The Comeback bedeutet - das war es wert.

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