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Auspressen und aufwerten

MieterEcho 389 / Juli 2017

Wie Immobilien-Aktiengesellschaften mit ihren Mieter/innen und ihren Beständen umgehen Immer mehr Mieter/innen von Wohnungen, die sich im Eigentum von Immobilien-Aktiengesellschaften (Immobilien-AGs) befinden, wehren sich gegen Mietsteigerungen, gegen die Verwahrlosung ihrer Häuser oder gegen die Umwandlung ihrer Mietwohnungen in Eigentum. Sie organisieren sich, informieren die Nachbarschaft und protestieren auf der Straße oder bei den Behörden. Viele von ihnen sind zum ersten Mal in ihrem Leben politisch aktiv. Die Erfolge des Protests sind häufig nur klein und die vermietenden Unternehmen versuchen, die Proteste einzuhegen. Dennoch wächst der Ärger über das Agieren der Immobilien-Aktiengesellschaften.

Es sind rund 180 Mieter/innen, die sich an einem Freitagmittag Anfang Juni vor dem Berliner Büro der Deutsche Wohnen AG, Mecklenburgische Straße 57, in Charlottenburg zu einer Kundgebung versammelten. Viele der zumeist schon etwas betagteren Protestierenden hatten Transparente und Schilder dabei, auf denen Forderungen geschrieben standen wie „Keine Rendite mit der Miete" oder „Wir bleiben alle". Während der Redebeiträge von verschiedenen Mieterinitiativen und -organisationen taten die Anwesenden ihren Unmut über die Praktiken der Deutsche Wohnen AG lautstark kund. „Die aggressiven Mietsteigerungen der Deutsche Wohnen zwingen uns aus unseren Häusern. Ob in Tegel, Kreuzberg oder Steglitz-Zehlendorf, wir sehen überall, wie die Deutsche Wohnen unsere Verdrängung in Kauf nimmt", sagte Christine Hahn, Mieterin in der Otto-Suhr-Siedlung in Kreuzberg.

Aufwertung der Otto-Suhr-Siedlung

Die zwischen Moritzplatz und Alte Jakobstraße gelegene und in den 1950er Jahren errichtete Otto-Suhr-Siedlung war das West-Pendant zur Heinrich-Heine-Siedlung in Mitte und gehörte früher der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Bewoge. Hahn, die seit 27 Jahren in ihrer Wohnung wohnt, hat sich gemeinsam mit etwa 50 anderen Mieter/innen aus der Otto-Suhr-Siedlung zu einer Initiative zusammengetan, um sich gegen die Deutsche Wohnen AG zu wehren. Der Aktiengesellschaft gehören in der Siedlung rund 1.500 Wohnungen, die nun energetisch modernisiert werden, wozu auch der Austausch der Fenster und Fassadendämmungen gehören. Die Mietsteigerungen durch die Modernisierungsumlagen können viele Mieter/innen nicht bezahlen, denn die Otto-Suhr-Siedlung liegt in einem der ärmsten Stadtviertel Berlins und die Mieter/innen verfügen nur über geringe Einkommen. Die Umgebung der Siedlung wurde in den letzten Jahren stark aufgewertet, die Mieten stiegen und die Start-up-Szene entdeckte den Kiez rund um den Moritzplatz (MieterEcho Nr. 385/ Dezember 2016). „Das Gros der Bevölkerung im Kiez profitiert nicht von der Aufwertung. Meine Lieblingsgegend war das nie, aber halt bezahlbar. Nun sind wir ein gallisches Dorf, eingekesselt von Luxuswohnungen", schildert Hahn die Situation gegenüber dem MieterEcho. Im November 2016 beriefen die Mieter/innen eine erste Versammlung wegen der Modernisierungsankündigungen ein. 140 Nachbar/innen kamen. „Es war das komplette Chaos, die Leute haben einander nicht ausreden lassen. Einige wussten bis zum Ende nicht, dass es keine Veranstaltung der Deutsche Wohnen war", berichtet die Mieterin. Dennoch gründete sich das „Bündnis Otto-Suhr-Siedlung und Umgebung" mit Arbeitsgruppen für Pressearbeit und für Recherche sowie einer Koordinationsgruppe. Die Aktiven vernetzten sich berlinweit mit anderen Betroffenen, zogen zum Kreuzberger Rathaus, schilderten in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ihre Situation und erstellten mehrsprachige Flyer, schließlich haben rund 60% der Menschen im Kiez eine Migrationsgeschichte. Erfahrungen mit Protesten hatten zuvor nur wenige gesammelt. „Man muss den Leuten die Scheu nehmen. Ich konnte vor meiner ersten Sitzungsleitung kaum schlafen, aber da wächst man rein", schildert Hahn die Situation. Dennoch haben sich im Verhältnis zur großen Zahl an Betroffenen nur wenige Nachbar/innen dem Protest angeschlossen, was die Mieterin ärgert. Sie erklärte dazu: „Viele Leute sagen: ‚Wir können ja doch nichts machen.' Es ist nicht nur die Lethargie der Leute, sondern auch der fehlende Mut."

Hahn vermutet, dass die energetische Modernisierung nur der Anfang einer Aufwertungsspirale in der Siedlung ist. Ein Blick in den Unternehmensbericht der Deutsche Wohnen AG bestätigt diese Annahme. Die Aktiengesellschaft setzt zur Erfüllung der Renditeerwartung ihrer Aktionär/innen auf unterschiedliche Strategien der Profitmaximierung. Das Unternehmen unterscheidet in seinem Wohnungsbestand zwischen den Kategorien „Bewirtschaften", „Entwickeln" und „Verkaufen". Bei bewirtschafteten Immobilien, die 77% des Bestands ausmachen, liegt der Fokus auf der Optimierung der Mieterlöse mittels Neuvermietungen und Erhöhungen der Mieten auf Mietspiegelniveau. Christine Hahns Wohnung gehört zur Kategorie „Entwickeln". 18% des Bestands, Wohnungen mit unterdurchschnittlicher Ausstattung und hohem Mietsteigerungspotenzial, sollen über umfassende Modernisierungen zum allgemein üblichen Standard „entwickelt" und energetisch saniert werden. 2016 investierte die Deutsche Wohnen dafür 244,5 Millionen Euro. Bis 2021 sind für die Modernisierung von 30.000 Wohnungen rund 1 Milliarde Euro vorgesehen (MieterEcho Nr. 387/ April 2017). Der restliche Bestand soll en bloc verkauft oder in Einzeleigentum aufgeteilt werden.

Leerstand und Modernisierung in Lichtenberg

Felix Tuchert* aus Lichtenberg hingegen wohnt in einer Wohnung, die die Deutsche Wohnen „bewirtschaftet". Seine Miete soll an den Mietspiegel angepasst werden, gleichzeitig senkt die Deutsche Wohnen auf Kosten der Mieterschaft ihre Ausgaben. In der Siedlung an der Hauptstraße in Rummelsburg mit rund 120 Mietparteien hat das Unternehmen Spielplätze, Tischtennisplatten und Sitzecken für die Nachbarschaft ersatzlos abgerissen. „Der Baulärm beginnt häufig schon ab sieben Uhr morgens", berichtet Tuchert. Für die Nutzung der Parkplätze wird seit einiger Zeit eine Gebühr erhoben. Die Einsparungen in der Siedlung sind kein Einzelfall. Tuchert ist aktiv in der Lichtenberger Bezirksgruppe der Berliner MieterGemeinschaft, die sich seit Längerem mit der Deutsche Wohnen beschäftigt. In Lichtenberg verfügt die Deutsche Wohnen über große Wohnungsbestände, die sie unterschiedlich bewirtschaftet. Im Kiez rund um die Metastraße lässt die Deutsche Wohnen ihre Häuser verfallen, die Fassade bröckelt und Fenster sind undicht. Einige Wohnungen sind unbewohnbar. Notwendige Instandsetzungsmaßnahmen wurden eingespart, um die Häuser für umfassende Modernisierungsmaßnahmen zu entmieten. Die ehemaligen Eisenbahnerwohnungen im Kiez sollen hingegen in Eigentum umgewandelt werden. 30 der 150 Wohnungen stehen teilweise seit über drei Jahren leer, was Mieter/innen dem Bezirksamt bereits im Jahr 2015 meldeten. Die Lichtenberger Bezirksgruppe ermittelte weiter zum Umfang des Leerstands und schrieb einen Brief an das Bezirksamt mit dem Hinweis auf den Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot und dem Verlangen, den Leerstand der Vermietung zuzuführen. Das Bezirksamt wie auch die Deutsche Wohnen ignorierten das Schreiben. Tuchert fordert angesichts der Wohnungsnot und der rein auf Renditelogik basierenden Unternehmenspolitik die Enteignung des zweckentfremdeten Wohnraums. Die Aktiven der Gruppe machen regelmäßig Aushänge und informieren darin über die Möglichkeiten, gegen Mieterhöhungen vorzugehen. Außerdem problematisieren sie den Leerstand im Kiez und den Verfall von Wohnraum. „Wir sind als Bezirksgruppe im Kiez präsent", so Tuchert.

Mieterprotest bei Vonovia im Lettekiez

Neben der Deutsche Wohnen AG, die mit einem Besitz von 110.000 Wohnungen der größte Wohnungsvermieter in Berlin ist, gehören vielen weiteren Immobilien-AGs Häuser in Berlin (MieterEcho Nr. 388/ Mai 2017). Vonovia ist der zweitgrößte private Bestandshalter in der Stadt (Seite 12). Laut erstem Quartalsbericht 2017 besitzt die Aktiengesellschaft in Berlin derzeit 38.609 Wohnungen im Wert von 4,2 Milliarden Euro. In einer dieser Wohnungen im Lettekiez in Reinickendorf wohnt Silke Lehmann. Ihre Wohnung soll neben 632 weiteren energetisch modernisiert werden. Eine neue Heizung will die Vonovia einbauen, Dachböden und Kellerdecken dämmen. Die Warmwasserversorgung soll zentralisiert werden. Die Energieeinsparungen belaufen sich nach kaum nachvollziehbaren Schätzungen des Unternehmens auf rund 50 Cent/m², die Modernisierungsumlage hingegen soll 1,50 Euro/m² betragen. Lehmann entschied, sich zur Wehr zu setzen. Sie organisierte zusammen mit anderen Mieter/innen die Initiative „Mieterprotest Lettekiez". Die Initiative führte Informationsveranstaltungen zu den rechtlichen Möglichkeiten der Betroffenen und zu sozialen Härteeinwänden durch. Bis zu 300 Nachbar/innen kamen zu den Versammlungen, richtig aktiv wurden nur wenige. Die Initiative Mieterprotest Lettekiez organisierte Stände bei Festen im Kiez, um zu beraten, und bot Basteln für Kinder an. Letzteres „ist ein gutes Mittel, um mit anwohnenden Eltern in Kontakt zu kommen", erklärt Lehmann. Zudem sammelte die Initiative Spenden für einen eigenen Gutachter, um die veranschlagten Modernisierungskosten und das Energiegutachten der Vonovia überprüfen zu lassen. Lehmann vermutet, dass viele der als Modernisierung veranschlagten Maßnahmen eigentlich der Instandhaltung der Gebäude dienen und damit nicht auf die Mieter/innen umgelegt werden dürften. Ob dies der Fall ist, lässt sich wohl erst nach Abschluss der Modernisierungen klären. Der Lettekiez ist kein Einzelfall im Bezirk Reinickendorf. Auf der firmeneigenen Website www.modmap.de finden Mieter/innen und Aktionär/innen der Vonovia eine grafische Übersicht von insgesamt 1.049 deutschlandweit abgeschlossenen Modernisierungsprojekten des Immobiliengiganten. Fein säuberlich aufgelistet sind Investitionssummen und Art der Maßnahmen. 38 abgeschlossene Modernisierungen sind in Berlin zu finden, 16 davon in Reinickendorf. Daneben bilden Steglitz und Zehlendorf weitere Aufwertungsschwerpunkte. Laut Portfolio-Management-Strategie haben 92,2% des deutschlandweiten Gesamtbestands der Vonovia ein „überdurchschnittliches Entwicklungspotenzial" und sollen möglichst renditeorientiert bewirtschaftet und durch Modernisierungen an den allgemein üblichen Standard angepasst werden.

Befriedungsmanagement der Vermietungskonzerne

Regt sich Widerstand gegen Modernisierungsmaßnahmen, reagieren die Immobilien-AGs häufig mit Gesprächsangeboten an die renitenten Mieter/innen. Oft vermitteln das Quartiersmanagement oder das Bezirksamt diese Gespräche. Die Deutsche Wohnen rühmt sich in ihrem Nachhaltigkeitsbericht damit, dass sie bei Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen Mieterversammlungen einberuft, Mietersprechstunden einrichtet und sogar persönliche Besuche durch Mitarbeiter bei denjenigen Mieter/innen durchführt, bei denen bauliche und finanzielle Themen besprochen werden sollen. In einer „Wesentlichkeitsmatrix" mit den Achsen Stakeholderrelevanz und Geschäftsrelevanz versucht die Deutsche Wohnen, ihren Aktionär/innen die Überlegungen hinter den sozial anmutenden Strategien zu vermitteln und ihnen ihre Wirkung vorzurechnen. Der Dialog mit Mieter/innen etwa soll nachhaltigen Neubau sichern und so die lokale Gemeinschaft stärken. Regelmäßige Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten sollen ein Verantwortungsgefühl für den Immobilienbestand zeigen und neben der indirekten wirtschaftlichen Wirkung die Kundengesundheit und Sicherheit der Mieter/innen verbessern. Hinter Schlagwörtern wie „Partizipation", „Transparenz" und „Dialog" stehen demnach klare Strategien der Unternehmen, um unter den Mieter/innen über das Gefühl einer Mitsprache Akzeptanz für die oft existenzbedrohenden Mietsteigerungen zu erwirken. Mieter/innen, die sich auf die Kommunikationsangebote der Aktiengesellschaften einließen, berichten häufig von niederschmetternden Erfahrungen.

Bei einem vom Bezirksamt vermittelten Gespräch stieß beispielsweise die Initiative Gontermannstraße auf taube Ohren bei der Buwog. Die Initiative Gontermannstraße aus der Fritz-Bräuner-Siedlung in Tempelhof hat sich gebildet, weil die österreichische Immobilien-Aktiengesellschaft Buwog 232 Wohnungen energetisch modernisieren will. Viele Mieter/innen kannten sich bereits zuvor über die gemeinschaftlich genutzten Nachbarschaftsgärten in der Siedlung und haben sich nun in der Initiative zusammengeschlossen. Die Initiative hatte eine eigene, mieterfreundliche und sozialverträglichere Modernisierungsvereinbarung erarbeitet und in das Gespräch eingebracht. Die Buwog weigerte sich zunächst, der Initiative mehr als nur minimal entgegenzukommen, trotz vieler sozialer Härteeinwände und Indexmietverträge und daraus resultierender Klagen. Die Buwog bestand auf ihre Renditeabsichten. Die Initiative rief daher zu Protesten auf, die die Buwog im Juni zu Zugeständnissen bewegten. „Eigentlich gibt es hier im Kiez wenig Offenheit für Protest. Viele alte Leute wohnen hier, die zuvor nicht dachten, dass sie in ihrem Leben nochmal demonstrieren müssen", erklärten Hannes Müller und Ina Stuhr* im Gespräch mit dem MieterEcho.

Vonovia-Mieterin Silke Lehmann aus Reinickendorf machte ebenfalls schlechte Erfahrungen bei Gesprächen mit ihrem Vermieter. Das Quartiersmanagement hatte ein Erstgespräch zwischen der Vonovia und der Initiative Mieterprotest Lettekiez vermittelt. Die Mitarbeiter der Aktiengesellschaft boten an, die Mieter/innen in die Planung der Maßnahmen miteinzubeziehen und führten eine gemeinsame Begehung der Heizungsanlage durch. Ein Mieter wies dabei auf sein Problem mit der dezentralen Warmwasserversorgung hin. „Man muss wirklich aufpassen, was man sagt", mahnt Lehmann. In der folgenden Modernisierungsankündigung tauchte die Zentralisierung der Warmwasserversorgung auf, ohne vorherige Absprache mit den Mieter/innen. Eine wirkliche Einbeziehung der Mieterschaft fand nicht statt.

Privatisierung sozialstaatlicher Aufgaben

Dabei legt die Vonovia viel Wert auf ein soziales Image. Laut eigener Website basiert „ein gutes Zusammenleben auf Verständnis, Rücksichtnahme und Raum zur Begegnung. Vonovia ist es wichtig, diesen Rahmen zu schaffen, um die Gemeinschaft in den Quartieren zu fördern". Die Vonovia wirbt beispielsweise mit der Investition in 1.500 Spielplätze in ihren Wohngebieten. Zudem verfügt sie über drei Stiftungen, die soziales Engagement und soziale Aktivitäten fördern sollen, um die „Quartiersentwicklung zu unterstützen". Dieser soziale Anspruch ist jedoch nichts als Fassade. Als das Quartiersmanagement Lettekiez anfänglich den Mieterprotest unterstützte, bewirkten Nachfragen der Vonovia, dass das Quartiersmanagement - weil aus Mitteln des Programms „Soziale Stadt" finanziert - nicht Partei ergreifen und fortan lediglich als Vermittlerin auftreten durfte. Die Deutsche Wohnen AG sucht ebenfalls den Kontakt zu Quartiersmanagements. Das Unternehmen finanzierte etwa in Kreuzberg das Nachbarschaftsnetzwerk „blog_huette", das mit der Polizei, der Bezirksverwaltung und dem Quartiersmanagement gegen die ansässige Drogenszene vorgeht. Im Falkenhagener Feld richtete die Deutsche Wohnen einen Fonds ein, bei dem sich lokale Initiativen und Vereine aus dem Bereich der Kinder- und Jugendarbeit bewerben können. Das Quartiersmanagement Falkenhagener Feld Ost verwaltet den Fonds, nimmt Aufträge entgegen und verteilt die Mittel in Abstimmung mit der Aktiengesellschaft. Der Konzern verfolgt mit diesen Investitionen eine Strategie der Quartiersentwicklung - verbunden mit der Hoffnung, mittel- bis langfristig höhere Mieten erzielen zu können. Inwieweit in diesen Fällen noch von einer Unabhängigkeit des Quartiersmanagements ausgegangen werden kann, ist fraglich.

Die Unabhängigkeit steht auch in der Politik infrage. In den Risikokalkulationen der Vonovia und der Deutsche Wohnen werden regulatorische Eingriffe wie etwa eine Veränderung des Mietrechts, die Abschaffung des § 559 BGB (Modernisierungsumlage), Verzögerungen bei der Genehmigung von Baumaßnahmen, beispielsweise durch wirksame Milieuschutzsatzungen, oder eine wirkungsvolle Mietpreisbremse gefürchtet. Die Unternehmen kalkulieren mit wesentlichen Verlusten im Wert von 25 bis 250 Millionen Euro, sollten wirksame Mieterschutzmechanismen eingeführt werden. Zudem sorgen sie sich um ihren Ruf. Die Vonovia beziffert in einer Risiko-Rechnung, dass bei einem drastischen Einbrechen ihres öffentlichen Images oder ihrer Reputation als Vermieter ein Verlust von 250 Millionen Euro und mehr möglich sind. Die Deutsche Wohnen betont zwar auch die Wichtigkeit ihres Images, stellt aber keine vergleichbare Rechnung auf.

Die Grundlage für das Geschäftsmodell der Immobilien-AGs liegt darüber hinaus in den angespannten Wohnungsmärkten und den viel zu geringen Neubauaktivitäten, die zu einer Verknappung von Wohnraum und zu steigenden Mieten führen. Die Politik versagt völlig, ausreichend Wohnungsneubau für breite Schichten zu bezahlbaren Mieten bereitzustellen. Die Wahrscheinlichkeit für Szenarien, die die Immobilien-AGs in die Schranken weisen würden, wird in den unternehmenseigenen Risikokalkulationen als gering eingeschätzt. Damit das auch so bleibt, betreiben die Aktiengesellschaften intensive Lobbyarbeit. Die Deutsche Wohnen AG sponserte etwa das Sommerfest des parlamentarischen Mittelstands in der CDU/CSU. Die Unternehmen führen laut eigenen Angaben regelmäßige Gespräche mit Staatssekretären, Abgeordneten und Ministerialbeamten auf Bundes- und Landesebene sowie mit Baustadträten und Mitgliedern lokaler Parlamente, wo sie über signifikanten Bestand verfügen. Politische Unterstützer für ihre Verdrängungsmodernisierungen finden die Immobilien-Aktiengesellschaften regelmäßig, etwa in der Person des Reinickendorfer Bezirksbürgermeisters Frank Balzer (CDU), der in der Morgenpost verkündete, er hoffe auf „eine Verbesserung der Sozialstruktur", mit anderen Worten, die Verdrängung der ärmeren Bevölkerung aus dem Bezirk.

Um diesem Bündnis aus Politik und Unternehmen etwas entgegenzusetzen und um sich gegen das ungleiche Machtverhältnis zwischen Mieter/innen und Vermietern zu stemmen, organisieren sich immer mehr Mieterinitiativen in größeren Bündnissen. In Berlin haben sich Betroffeneninitiativen der Deutsche Wohnen zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Die Kundgebung vor der Firmenzentrale war ihre erste Aktion. Vonovia-Mieter/innen haben ein bundesweites Aktionsbündnis gegründet. Alle gemeinsam unterstützen eine Petition bei change.org für die Abschaffung des § 559 BGB unter dem Titel „Soziale Gerechtigkeit: Weg mit BGB-Vorschriften über Mieterhöhungen nach Modernisierungen" und planen weitere Aktionen.

* Name geändert. * Bündnis Otto-Suhr-Siedlung und Umgebung E-Mail: gemeinsamgegenhohemieten@gmx.de Website:www.buendnisderottosuhrsiedlungundumgebung.wordpress.com Facebook: www.facebook.com/OttoSuhrSiedlung * Bezirksgruppe Lichtenberg der Berliner MieterGemeinschaft E-Mail: Lichtenberg@bmgev.de Regelmäßiges Treffen: Jeden 1. Montag im geraden Monat, 18 Uhr, Kiezspinne, Schulze-Boysen-Straße 38 * Initiative Gontermannstraße E-Mail: gontermanngarten@web.de Facebook: www.facebook.com/gontermannstrasse * Mieterprotest Lettekiez E-Mail: mieterprotest.lettekiez@gmail.com Website: www.mieterprotest-lettekiez.net Facebook: www.facebook.com/MieterinitiativeReinickendorf * Bündnis der Deutsche Wohnen MieterInnen Berlin E-Mail: info@deutsche-wohnen-protest.de Website: www.deutsche-wohnen-protest.de

MieterEcho 389 / Juli 2017

Schlüsselbegriffe: Immobilien-Aktiengesellschaften, Umwandlung, Deutsche Wohnen AG, Mietsteigerungen, Otto-Suhr-Siedlung, Leerstand, Modernisierung, Vonovia, Lettekiez, Mieterproteste, Buwog

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