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Artikel

15 Jahre GSW-Verkauf

MieterEcho 403 / Juni 2019

Ein Rückblick auf die Privatisierung und was sie für die heutige Wohnungspolitik bedeutet

Von Philipp Möller

Am 25. Mai 2004 privatisierte der damalige rot-rote Senat die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW). 65.700 Wohneinheiten gingen an ein Konsortium bestehend aus dem Whitehall-Fonds der Investmentbank Goldman Sachs und der Investorengesellschaft Cerberus. Der Private-Equity-Fonds wurde nach dem Börsengang im Jahr 2013 durch die Deutsche Wohnen übernommen. Wenige Tage vor dem 15-jährigen Privatisierungsjubiläum übergab Die Linke, aufwendig medial in Szene gesetzt, 10.243 Unterschriften an die Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen". Stehen wir vor einer Zeitenwende in der Berliner Wohnungspolitik?

„Privare" heißt aus dem Lateinischen übersetzt „rauben". Die Privatisierung der GSW symbolisiert wie wohl kein anderes Ereignis den neoliberalen Raubzug im Berliner Wohnungssektor, der in den 1990er Jahren zum Anlauf ansetzte und zwischen 2002 und 2011 unter der Wowereitschen Regierung aus SPD und PDS seinen Höhepunkt fand. 1990 befanden sich 482.000 Wohnungen in kommunalem Besitz, 2005 waren es noch rund 270.000. Der Durchmarsch der „globalen Enteignungsökonomie" (Christian Zeller) beschränkte sich nicht nur auf die Wohnungssphäre. Viele weitere, zuvor tendenziell dekommodifizierte Bereiche der öffentlichen Daseinsfürsorge wie der Verkehrs-, Bildungs- oder Gesundheitssektor wurden durch Privatisierungen der kapitalistischen Verwertungslogik unterworfen. Die Folgen sind überall spürbar (siehe S. 4 - 11). Für die GSW zahlte das Käuferkonsortium läppische 405 Millionen Euro und übernahm die Schuldenlast von 1,56 Milliarden Euro. Zustande gekommen waren die Schulden vor allem durch „In-sich-Verkäufe" in den 90er Jahren, bei denen eine städtische Wohnungsbaugesellschaft eine andere kaufen und den Kaufpreis an den Senat abführen musste. Als Gegenleistung für den Verkauf verlangte der Senat eine Selbstverpflichtung der Käufer, die sozial- und wohnungspolitischen Ziele der GSW weiterzuverfolgen und auf die Aufteilung der Bestände und Luxussanierungen zu verzichten. Mindestens 10 Jahre sollten die Investoren die GSW-Häuser halten. Es kam bekanntlich anders: Cerberus filetierte die Bestände bereits kurz nach dem Erwerb und rekapitalisierte innerhalb von zwei Jahren durch den Verkauf des Geschäftsstellenhauses und weitere Transaktionen rund ein Viertel des Verkaufspreises, was in etwa der Beteiligung der Anleger entsprach. Das Verbot der Weiterveräußerung der Investorenanteile hob das Abgeordnetenhaus 2010 mit den Stimmen von SPD, Linken und FDP auf. Wesentlicher Strippenzieher dieser Entscheidung war der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende und heutige Bürgermeister Michael Müller, der 2004 die Privatisierung der GSW als „politisches Projekt" feierte. Der Weg zum Börsengang war frei.

„Progressive Entstaatlichung"

Die Debatten jener Zeit muten heute grotesk an. Dietmar Bartsch, damals Generalsekretär der PDS, legitimierte Privatisierungen als „progressive Entstaatlichungen". Bartsch stellte die Frage in den Raum, „inwieweit der Staat Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge selbst erbringen muss und inwieweit er ihre Erbringung gewährleisten muss". Der GSW-Verkauf folgte dieser Logik. Heute steht die Eigentumsfrage wieder im Raum. Angesichts der Legitimationskrise der neoliberalen Wohnungspolitik übt sich so manche/r Politiker/in links der Mitte derzeit in verbaler Radikalität. Das sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es wesentlich schwieriger ist, dem Kapital seinen Besitz zu entreißen als ihm öffentliches Eigentum zu überlassen. Dementsprechend naiv sind Verhandlungsangebote seitens des Bürgermeisters über einen Rückkauf der GSW-Bestände. Gleichzeitig versucht die Politik über die Aushandlung von Kooperationsvereinbarungen die börsennotierten Wohnungsunternehmen auf einen sozialeren Kurs zu trimmen. Die gesellschaftliche Kontrolle über die Wohnungen erlangen sie dadurch noch lange nicht zurück, auch wenn sich das so manche/r Politiker/in wünscht. Das Beispiel der GSW-Privatisierung macht deutlich, wie leicht sich Investoren ihrer sozialen Vorgaben entledigen.

MieterEcho 403 / Juni 2019

Schlüsselbegriffe: Privatisierung,GSW

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