Die Unternehmensberaterin seufzte schwer, als sie die Nachricht hörte. Gerade als Helena Schönbaum auf ein wenig Ruhe im Land gehofft hatte, ließ die türkische Staatsführung die gesamte Führungsspitze der prokurdischen Partei HDP festnehmen. Schönbaum hatte ein Treffen für deutsche, österreichische und türkische Unternehmen vor Ort organisiert. Sie wollen eine Freihandelszone im Süden des Landes besuchen. Es soll Netzwerke pflegen und ausbauen - doch wozu eigentlich noch, seitdem endgültig offensichtlich geworden ist, dass in der Türkei die Demokratie Stück für Stück abgeschafft wird?
Schönbaum ist es leid. „Immer, wenn ein Lichtstreifen am Horizont auftaucht, passiert etwas Neues", sagt die 41-Jährige. „Und dann heißt es immer wieder: Sobald sich alles beruhigt, laufen die Geschäfte wieder."
Werden sie das wirklich? Die Türkei kommt nicht zur Ruhe. Und das liegt an Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Das „Geschenk Gottes", wie er den missglückten Putschversuch türkischer Generäle gegen ihn im Juli genannt hatte, nutzt er nach Belieben für seine Zwecke. Er hat den Notstand ausgerufen, mehr als 100 000 Beamte, Richter und Polizisten entlassen, Zigtausende Menschen verhaften lassen, außerdem die Universitäten und Schulen auf seinen Kurs gebracht. Schon 170 Redaktionen mussten schließen, darunter mehr als ein Dutzend kurdische. Und als in dieser Woche Abgeordnete der Oppositionspartei CHP offenbar regierungskritische Bemerkungen riskierten, zeigte Erdoğan sie an. Nicht einen oder zwei von ihnen, sondern gleich alle 133.