Mit den Verhaftungen der
Parteispitze der HDP hat Präsident Erdoğan erneut eine Grenze
überschritten. Die wirtschaftlichen Konsequenzen scheinen ihn ebenso
wenig zu interessieren wie die Reaktionen des Auslands.
Bis Freitagnacht hätte man es gut meinen können mit Erdoğan und der Türkei. Man hätte annehmen können, dass die über 100.000 verhafteten Lehrer, Beamten und Soldaten vielleicht tatsächlich Teil einer groß angelegten Verschwörung der Gülen-Bewegung sind. Man hätte annehmen können, dass die 14 Journalisten der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet bald wieder freikommen, und man hätte vermuten können, dass die Drohung des Präsidenten, die Todesstrafe wiedereinzuführen, zwar populistisches Getrommel ist, aber nicht weiter ernstgemeint. Man hätte meinen können, die Behauptung "Erdoğan schaffe die Demokratie ab", sei übertriebenes Geschrei seiner politischen Gegner. Und man hätte glauben können, der Ausnahmezustand würde im Januar beendet und die Türkei kehre zu politischer Normalität zurück.
Zum Original