Eine Bombe fällt auf chinesisches Gebiet, Peking schickt Kampfjets an die Grenze. Die Spannungen zwischen den ungleichen Nachbarländern reichen tief.
U Thein Thun steht auf einem staubigen Acker, der einst ihm gehörte. Er deutet auf einen Kreis aus Kreide. „Hier haben sie meine Cousine erschossen.“ Er trägt einen Longyi, den traditionellen Männerrock der Myanmaren, an seinem Hals hängt ein dicker Kropf. Auf dem Plateau hinter ihm ist ein Lastwagen zu erkennen. Stacheldraht und ein Stahlgitter umzäunen die Erhebung. Ein Soldat auf einem Wachturm blickt durch sein Fernglas.
Thuns Cousine starb im Dezember vergangenen Jahres. Damals versuchten die Bauern nahe der Letpadaung-Mine in Myanmar ein letztes Mal, gegen ihre Enteignung zu protestieren. Die Regierung schickte Militär, die Soldaten schossen mit scharfer Munition.
Als die drei Hektar noch Thuns zehnköpfiger Familie gehörten, baute diese darauf Tomaten, Sesam und Mais an. 350 Dollar verdienten sie so im Monat, wenig Geld, aber immerhin etwas im ärmsten Land Südostasiens, dem früheren Burma. Ende 2011 aber tauchten plötzlich die Chinesen auf, unterstützt vom myanmarischen Militär. „Sie gaben uns 450 Dollar und sagten, wir sollen verschwinden“, erzählt der 53-Jährige. So wie Thun erging es rund 4000 anderen Einheimischen. Das Joint Venture, bestehend aus dem chinesischen Unternehmen Wanbao und dem Militärunternehmen Myanmar Economic Holdings Limited, begann mit der Ausbeutung der Kupfervorkommen auf dem Berg.
Letpadaung liegt etwa 150 Kilometer westlich von Mandalay, der zweitgrößten Stadt Myanmars. Etwa ein Drittel der Einwohner dort sind Chinesen, viele leben schon seit Generationen in Myanmar. Die meisten aber kamen in den letzten Jahren. Es gibt chinesische Restaurants, chinesische Hotels und chinesische Fertignudeln. Im Norden, nahe der gemeinsamen Grenze, ist der Einfluss des übergroßen Nachbarn besonders ausgeprägt. Aber spürbar ist er überall. Vor zwei Wochen sind die Kämpfe mit den Kokang-Rebellen eskaliert. Die Rebellen sind Han-Chinesen, die bis 1989 mit Chinas Unterstützung gegen die Regierung Myanmars gekämpft haben. 60.000 Menschen sind auf der Flucht. Myanmar beschuldigt Peking, die Kämpfer zu bewaffnen und auszubilden. Die Lage erinnert an die Situation in der Ukraine. Als vor einer Woche eine Bombe auf chinesischem Gebiet explodierte, beorderte Peking Kampfjets an die Grenze.