Seit fast zwei Wochen gilt nun das Alkoholverbot in der Duisburger Innenstadt. Der Stadtrat hatte es mit einer Mehrheit von SPD und CDU am Montag, 8. Mai beschlossen, um die City attraktiver für Einkäufer*innen zu machen. Auch in anderen Städten wird nun über die Einführung eines solchen Verbotes debattiert. Während die eine Seite die Notwendigkeit beschwört, formiert sich auf der anderen Seite Widerstand - und geht den juristischen Weg.
Ein sonniger Tag in der Duisburger Innenstadt. Es herrscht geschäftiges Treiben auf der Einkaufsstraße, Passant*innen überqueren geschwind die König- und Kuhstraße im Herzen der Stadt. Auch an einem Brunnen, nahe eines Lebensmittelgeschäftes, tummeln sich wie gewohnt viele Menschen. In ihren Händen halten sie Bierflaschen - trotz des vor kurzem eingeführten Alkoholverbots, das die gesamte Einkaufsstraße miteinschließt. Nur noch in gastronomischen Bereichen oder bei Sonderveranstaltungen, wie dem jährlich im Spätsommer stattfindenden Weinfest, ist der Konsum alkoholischer Getränke in dem großräumigen Bereich gestattet. Erwischt das Ordnungsamt dennoch jemanden beim Trinken, soll es nach Vorstellungen der Stadt die Person zunächst ermahnen und den Alkohol konfiszieren. Ein Bußgeld sollen die Ordnungsbeamt*innen vorerst nicht verhängen.
„Das Verbot ist mir egal," sagt einer der anwesenden Trinker*innen. Einige haben sich dazu entschlossen, das Verbot zu ignorieren und an ihrem Stammplatz weiterhin Bier zu trinken. „Uns kriegen die hier nicht weg," führt er fort. Zwar könne er verstehen, dass manche Innenstadtbesucher*innen den Anblick der Trinkenden als unangenehm empfänden, doch sei ein Verbot übertrieben. „Wir tun ja niemanden etwas", pflichtet ein anderer ihm bei. Das sieht man bei der Stadt anders. Es sei mehrfach zu Vorfällen von öffentlichem Urinieren oder Belästigungen von Passant*innen durch die Trinkenden gekommen. Vor allem Einzelhandelsbetriebe hätten sich gestört gefühlt. Erklärtes Ziel ist es nun, die Innenstadt durch das Alkoholverbot attraktiver zu machen und das subjektive Sicherheitsempfinden zu erhöhen.
„Unverhältnismäßiges Verbot"
Ob das von der Stadt beschlossene Alkoholverbot mit dieser Argumentation überhaupt rechtsgültig ist, wird demnächst entschieden. Eine Duisburgerin besteht auf eine juristische Prüfung der Maßnahme. Die Übersetzerin Marion Wegscheider hat beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage gegen die Stadt eingereicht. „Das Alkoholverbot soll die sogenannte Trinkerszene aus der Innenstadt vertreiben. Dabei gehören diese Menschen genauso zu Duisburg wie alle anderen", findet sie. „Die Stadt gehört nicht nur denjenigen, die sich einen Gaststättenbesuch leisten können," führt sie fort. Wann genau der Fall behandelt wird, kann noch nicht gesagt werden - zwischen mehreren Monaten und fünf Jahren ist alles möglich. Es kann sogar sein, dass sich das Thema bis dahin erledigt hat. Das Alkoholverbot ist vorerst nur bis November diesen Jahres angesetzt. Dann soll eine Evaluation stattfinden und entschieden werden, ob es verlängert wird oder dauerhaft greifen soll.
Vertreten wird Klägerin Wegscheider durch Jasper Prigge, Rechtsanwalt und stellvertretender Landessprecher der nordrhein-westfälischen Linkspartei. „In der Beschlussvorlage für den Rat führt die Stadt Duisburg allgemeine Erwägungen wie das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung für das Alkoholverbot an. Vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf wird sie konkret nachweisen müssen, dass der Konsum von Alkohol eine abstrakte Gefahr darstellt", so Prigge. Vor allem zweifle er an, ob Alkoholverbote überhaupt geeignet seien, solch eine abstrakte Gefahr abzuwenden. Schließlich könne man sich immer noch in Gastronomiebetrieben betrinken und den Verbotsbereich dennoch durchqueren. „Wer es sich leisten kann, soll bezahlen, die anderen sollen vertrieben werden", beurteilt Prigge die Hintergedanken des Verbots. Das sei vor allem im Hinblick auf das Grundgesetz problematisch: „Damit würde die Gleichheit vor dem Gesetz, ein tragender Grundsatz des Rechtsstaates, in Frage gestellt." In vergleichbaren Fällen hätten die Kommunen das Verbot wieder kippen müssen. „Die Stadt Duisburg müsste vorher andere Maßnahmen ergriffen haben, bevor sie auch in die Rechte von Unbeteiligten eingreift", urteilt der Anwalt. Das Verbot bezeichnet er insgesamt als „unverhältnismäßig".
„Alkoholverbot soll nur bestimmte Menschen treffen"
Für Prigge ist klar, was die Stadt damit versucht: „Alkoholverbote sind problematisch, weil sie letztlich nur eine bestimmte Gruppe von Menschen treffen soll. Der Stadt geht es darum, dass sich die sogenannte ‚Trinkerszene' nicht mehr in der Innenstadt aufhält", so der Essener Rechtsanwalt. Innerhalb des Stadtrates gibt es jedoch Widerstand gegen das von CDU und SPD durchgesetzte Verbot. „Menschen an den gesellschaftlichen Rand und von öffentlichen Plätzen zu verdrängen, halte ich für falsch und für perfide Zwei-Klassen-Politik. Zugleich werden mit dem Alkoholverbot automatisch alle Menschen, die in der Innenstadt das eine oder andere Bier trinken kriminalisiert", so das Grünen-Fraktionsmitglied Andie Wörle. Die Duisburger Linksfraktion schließt sich der Ablehnung an und kritisiert zudem die Argumentation der Stadt, Trinkende würden andere Stadtbesucher*innen belästigen. „Sollten dabei andere Menschen zu Schaden kommen, ist die Behandlung durch das Strafgesetzbuch gedeckt beziehungsweise bereits als Ordnungswidrigkeit eingestuft", heißt es in einem offenen Brief.
Außerhalb des politischen Betriebs finden sich ebenfalls viele Gegner*innen des Alkoholverbots. MSV-Ultras von der Gruppe Kohorte hissten beim letzten Heimspiel am Samstag, 20. Mai, ein Transparent mit der Aufschrift ‚Wir saufen hier, wir saufen dort, scheißegal an welchem Ort - Alkoholverbot kippen!'. Auch bei einer Kurzumfrage in der Duisburger Innenstadt schließen sich einige Passant*innen schließen dem Urteil an. „Was die Stadt mit der Maßnahme versucht, ist nur Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, aus der Innenstadt zu vertreiben", findet ein junger Mann. Zudem löse ein Verbot nicht die Probleme der Menschen. Viele seien alkoholkrank und die Stadt verschließe mit dem Verbot lediglich die Augen vor deren Lage. „Die stören doch niemanden," meint eine andere Frau mittleren Alters. Sie fände den Anblick der Trinkenden zwar auch nicht schön, doch könne sie die offizielle Begründung der Stadt Duisburg für das Alkoholverbot nicht nachvollziehen.
„Duisburg soll kein Vorbild für andere Städte sein"
Seit das Alkoholverbot in Duisburg eingeführt wurde, entfachte in anderen Ruhrgebietsstädten wie Bochum und Essen erneut Diskussionen über ähnliche Maßnahmen. „Das war auch der Grund für meine Mandantin, das Duisburger Alkoholverbot vor Gericht anzugreifen. Duisburg soll kein Vorbild für andere Städte sein", erklärt Rechtsanwalt Prigge gegenüber der akduell. Einige Hoteliers in der Essener Innenstadt stehen einen möglichen Alkoholverbot auch in ihrer Stadt zumindest offen gegenüber. Sie beklagen sich über die Trinkenden am Willy-Brandt-Platz direkt am Hauptbahnhof. „Ich sehe als einzige Lösung ein komplettes Alkoholverbot in der Innenstadt," meint Novum-Hoteldirekter Bernd Bittkow gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.
In Reihen der CDU zeigt man sich zum Teil angetan von den Plänen, doch der Ordnungsdezernent der Stadt Essen weist sie in die Schranken. Es gebe zu wenig Personal, um Kontrollen durchzuführen - die Situation würde sich auch mit Verbot nicht ändern. Kommunen würden oft davon absehen, ein Alkoholverbot einzuführen, weil es rechtlich unsicher sei, sagt Prigge.
Nichtsdestotrotz lassen sich Städte auch über die Grenzen des Ruhrgebiets hinweg allerlei Maßnahmen einfallen, Alkoholkranke und Obdachlose aus ihren Zentren zu vertreiben: So möchte die Stadt Kiel künftig nur noch Wohnungslosen aus der Stadt selbst helfen; also Zugereisten den Zugang zum Wohnungsmarkt verwehren, und Hamburg konstruiert Mülleimer, aus denen man keine Pfandflaschen holen kann.
„Verbote sind der falsche Weg"
Kritiker*innen werfen der Stadt vor, die Augen vor Problemen zu verschließen und sich mit dem Alkoholverbot einer Lösung zu entziehen. „Statt zu Verboten zu greifen, wäre es sinnvoller, wenn die Stadt Duisburg mit mehr Sozialarbeit unterstützen würde", sagt Oliver Ongaro, Streetworker vom Straßenmagazin fifty fifty auf Prigges Homepage. Auch der Rechtsanwalt stimmt der Forderung nach mehr Sozialarbeit zu. „Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben, gehören zu einer Stadt dazu. Eine Stadtgesellschaft muss auch mit ihnen respektvoll umgehen und darf sie nicht nur als Problem wahrnehmen," fügt er hinzu.
„Verbote sind der falsche Weg", so Prigge weiter. Sinnvoller seien stattdessen öffentliche Toilettenanlagen oder Trinkcafés, in denen sich die Menschen aufhalten könnten. Der Stadt gehe es aber nur um Verdrängung und nicht darum, Suchtkranken zu helfen, meint auch Felix Banaszak, Vorstandssprecher der Duisburger Grünen: „Ginge es SPD und CDU wirklich um Suchtprävention, müsste sie die Anstrengungen im Bereich der Wohnungslosen- und Suchthilfe intensivieren. Stattdessen verfolgen sie das Motto ‚Aus den Augen, aus dem Sinn'." Bis das Alkoholverbot womöglich durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf gekippt oder ob es nach der halbjährigen Testphase weitergeführt wird, ist noch offen. Auf der Duisburger Einkaufsstraße werden bis dahin aber sicher noch viele Bierflaschen geöffnet. Verbot hin oder her.