Am regnerischen Samstagmorgen versammeln sich zirka 80 Menschen auf der Duisburger Kuhstraße mitten in der Innenstadt, um den Aktivst*innen des Friedensforums Duisburg zu lauschen. Neben Beiträgen zu Rassismus und dem Erstarken der AfD forderten sie vor allem eines: „Nein zu Krieg und Terror." Wenige hundert Meter entfernt nutzte Marcel Wojnarowicz von der verschwörungstheoretischen Duisburger Band Die Bandbreite das Feiertagswochenende, um eine Handvoll Passant*innen am Averdunkplatz über die Bösartigkeit des Westens zu informieren. Oder auch seinen Zweifel kundzutun, dass Anis Amri tatsächlich den Terroranschlag auf den Breitscheidplatz am 19. Dezember vergangenen Jahres verübt hätte. Mittlerweile unterstützt Wojnarowicz die Kleinstpartei Deutsche Mitte, dessen Gründer Christoph Hörstel Geflüchtete als eine Waffe der USA begreift und die Hamas nicht verurteilt. Der Bandbreite -Sänger nutzt vor allem seine Songs, um verschwörungstheoretische Aussagen zu verbreiten. So propagiert er beispielsweise, die Terroranschläge vom 11. September 2001 wären eine False-Flag-Operation zur Legitimation US-amerikanischer Interventionen gewesen.
Auch wenn die Demonstrationen unabhängig voneinander stattfanden, gibt es eine Verbindung zwischen der für musikalische Unterstützung. 2011 erschien ein Song der Bandbreite und der Band Bandbreite, der Fresh Game. Die sorgte auf der Veranstaltung des Friedensforums Duisburg das Buch Die geplanten Seuchen von Wolfgang Eggert als Vorlage nutzt. Der Autor behauptet, AIDS sei eine biologische Waffe US-amerikanischer Geheimdienste. Auftraggeber des Songs der Duisburger Band war der Fördervereins Neue Wege in der HIV-Therapie, in dem sich auch der Arzt und umweltpolitische Sprecher der MLPD, Günther Bittel, engagiert. Seine Freizeit verbringt er als Frontsänger der Band , unter anderem auf der Demonstration des Friedenforums Duisburg.
Antiwestlicher Diskurs
Das Bündnis Ostermarsch Rhein Ruhr, dem auch das Friedensforum Duisburg angehört, sieht vor allem die USA und die NATO als Hindernis für einen Weltfrieden. So mache die Zunahme militärischer Interventionen des Verteidigungsbündnisses - wobei die USA herausgehoben werden - eine Deeskalation unmöglich. Friedensdemo Watch widerspricht der Auffassung indes: „Sowohl die USA als auch die EU und Deutschland haben sich nahezu komplett der Diplomatie hingegeben, die USA ihre Rolle als ‚Weltpolizei' aufgegeben und militärische Interventionen wurden von Seiten des Westens im Wesentlichen im Rahmen von erweiterten Bündnissen gestaltet." Jahrelang hätte sich die NATO aus dem syrischen Bürgerkrieg herausgehalten, um eine Eskalation mit Russland zu verhindern und das Anti-IS-Bündnis nicht zu schädigen.
Dass die Friedensaktivist*innen die NATO und die USA für Kriege und Konflikte verantwortlich machen, überrasche nicht: „Die Sprachgabe der Beiträge und Forderungen bedient das traditionell antiamerikanische Ressentiment der deutschen Friedensbewegung, der Westen sei 'der eigentliche böse Aggressor' weltweit - angeführt von der NATO sowie den USA, die wiederum den Hegemon innerhalb des westlichen Militärbündnisses stelle", so Friedensdemo Watch. Deutschland trete immer in einer untergeordneten Position auf, das dem Diktat der USA und der NATO folge. Dabei sei die Pressemitteilung des Friedensforums Duisburg, das anlässlich des Ostermarsches zur Teilnahme aufrief, exemplarisch. Um das Weltbild zu untermauern, würden nur Konflikte aufgezählt, in denen westliche Staaten involviert sind. Dass die islamistische Gruppierung Boko Haram in Nigeria seit Jahren terroristische Anschläge verübt, stütze die These des aggressiven Westens nun mal nicht und finde daher keine Erwähnung.
Über Assad und Putin wird geschwiegen
Während westliche Organisationen und Staaten dämonisiert und als Kriegsauslöser beschrieben werden, schweigen die Aktivist*innen des Ostermarsch Rhein Ruhr über die Angriffe des syrischen Präsidenten Assad. Zwar werden die Giftgas-Anschläge angesprochen, doch wird auf eine Nennung der möglichen Täter*innen verzichtet. Auch Putins Unterstützung scheint für die Friedensaktivist*innen kein Problem zu sein. „Syrien interessierte die deutsche Friedensbewegung erst, als eine mögliche militärische Intervention der Weltgemeinschaft zur Sprache stand," urteilt Friedensdemo Watch. Die Auffassung der Friedensaktivist*innen korreliert dabei mit der der Linkspartei. Das sei laut Friedensdemo Watch nicht überraschend. Viele Linken-Politiker*innen unterstützen die Friedensbewegungen.
Innerhalb der Linkspartei spricht man sich ebenfalls gegen die Intervention in Syrien aus. Während die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen den US-amerikanischen Angriff auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt am 7. April als „verbrecherischen Angriff" bezeichnete, postuliert auch Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht Friedensgespräche mit den USA und Russland. Dass Putin einer der engsten Verbündeten des Assad-Regimes ist, bleibt dabei unerwähnt. Aus Sicht der Friedensaktivist*innen sei eine „neue Politik" nötig. Dazu gehöre eine Dialogbereitschaft mit allen Konfliktakteur*innen - auch müssten Verhandlungen mit der Terrormiliz Islamischer Staat gehalten werden. „Die Waffen nieder und miteinander sprechen ist das Gebot der Stunde", ist das Motto, unter dem auch Gespräche mit Terrorist*innen stehen sollen.
Verbindungen zur Querfront-Bewegung?
Die Friedensbewegung bietet immer wieder auch Querfront-Strateg*innen Ansatzpunkte, ihre Positionen unterzubringen. Besonders seit der Stopp Rammstein: Kein Drohnenkrieg- Kampagne versuchten Agitator*innen, ihre Narrative unter den Aktivist*innen zu verbreiten. An der Kampagne beteiligt sich etwa auch der Friedenskreis Wanfried, der von Unterstützer*innen der Mahnwachen für den Frieden wie Reiner Braun und Pedram Shahyar unterstützt wird. Braun initiierte im Dezember 2014 den Friedenswinter, der die alte und neue Friedensbewegung fusionieren sollte. Die Aktivist*innen gingen dort gegen einen befürchteten Krieg mit Russland auf die Straße und verteidigten die russische Annexion der Krim-Halbinsel. Kritiker*innen werfen den Mahnwachen für den Frieden antisemitische und antiamerikanische Verschwörungstheorien vor (). Unterstützung erhielt Braun dabei vom ehemaligen Radiomoderator Ken Jebsen, den er schützend von Antisemitismus-Vorwürfen freisprach und ihm lediglich „relativ scharfe Israelkritik" zuschrieb. Dass er in einem E-Mail-Wechsel behauptet haben soll, Jebsen wisse, wer den Holocaust als PR erfunden habe, schien ihn nicht zu stören. Ebenso wie Braun gab auch Shahyar dem Journalisten Jebsen in seinem Onlinekanal KenFM mehrere Interviews.
Seit der Stopp Rammstein- Kampagne seien zwar keine Aktivitäten des Friedenskreises Wanfried mehr zu beobachten. „Allerdings treten die Protagonist*innen nun offen im Umfeld der traditionellen Friedensbewegung auf. Weiterhin sind Teilnehmer*innen von den vielen neu gegründeten Initiativen aus dem Mahnwachen-Umfeld aktiv und treten bei Veranstaltungen auf", so Friedensdemo Watch. Im Nachgang des Netzwerkes Wanfried wurde etwa auch die Friedenstournee initiiert, wo neben Braun und Shayhar auch Die Bandbreite sowie weitere Bekannte des Mahnwachen-Umfeldes auftraten und Nazis von der Dortmunder Kleinstpartei Die Rechte anzogen. Auch Andreas Popp, unter dessen Leitung die verschwörungstheoretische Plattform Wissensmanufraktur steht, hielt im Rahmen der Friedenstournee Reden. Popp bezieht sich positiv auf das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des späteren nationalsozialistischen Wirtschaftsministers Gottfried Feder und ist fest im Glauben, Flugzeuge würden Chemtrails in die Luft sprühen.
Auf den Veranstaltungen der Friedenstournee würden Verharmlosungen und Relativierungen des Nationalsozialismus Usus sein, beurteilt Friedensdemo Watch. Am 8. August 2015 trafen sich in Dortmund Friedensaktivist*innen, darunter auch Die Bandbreite . Der Kommentar einer Aktivistin, die nationalsozialistische Propaganda sei nicht annähernd so schlimm wie die heutige, wurde von den Veranstaltenden ignoriert. „Die Veranstaltung der Friedenstournee in Dortmund steht exemplarisch dafür, wie die sich von den Mahnwachen distanzierenden Ehemaligen inhaltlich entfernten: gar nicht," urteilt Friedensdemo Watch.