
Adam Bodnar ist Polens Bürgerrechtsbeauftragter – und ein Hauptfeind der Regierungspartei PiS. | Quelle: Philipp Fritz
Adam Bodnar, Polens einflussreicher Bürgerrechtsbeauftragter, ist den Konservativen ein Dorn im Auge. Er ist das letzte unabhängige Organ der polnischen Justiz und wird deshalb immer öfter zum Opfer von Verleumdungskampagnen.
Eine Viertelstunde hört Adam Bodnar geduldig zu. Dann unterbricht der polnische Beauftragte für Bürgerrechte die Powerpoint-Präsentation. „Dauert das noch lange?", fragt er. Er möchte weitere Besucher zu Wort kommen lassen. In einem Konferenzraum seiner Behörde im Zentrum Warschaus trifft der 42-jährige Bodnar auf Aktivisten für die Rechte von Vätern.
Zwei Stunden haben sie Zeit, ihm ihre Sorgen mitzuteilen. Die acht Männer und fünf Frauen klagen darüber, ihre Kinder nur selten zu sehen. Es geht um Unterhaltszahlungen und angeblich unfaire Entscheidungen der zuständigen Gerichte. Bodnar erklärt die Gesetzeslage und verspricht, sich um die Anliegen der Anwesenden zu kümmern.
Seit mehr als vier Jahren reist er schon als Bürgerrechtsbeauftragter durch Polen und hört sich an, was die Menschen bewegt. Der freundliche Mann mit den gut sitzenden Anzügen ist eine Art Ombudsmann - ein Vermittler zwischen den Polen und ihren Gerichten und Behörden. Sein Amt ist in der polnischen Verfassung festgeschrieben. Bodnar hat mehr als 300 Angestellte. Sie prüfen neue Gesetzestexte und Beschwerdefälle von Bürgern.
Bodnar kann jedes Gesetz zur Prüfung vors Verfassungsgericht bringen. Sein Amt hat jene Befugnisse, die in Deutschland durch die Instrumente der Petition und der Verfassungsbeschwerde im Grundgesetz verankert sind. Das Amt ist nicht der Regierung unterstellt und wird ausschließlich von den gewählten Volksvertretern im polnischen Parlament kontrolliert. Bodnar bekleidet ein mächtiges Amt.
Aber seit ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen 2015 erschwert die nationalkonservative Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) dem Bürgerrechtsbeauftragten seine Arbeit. Zunächst besetzte die neue Regierung Posten am Verfassungsgericht mit ihr hörigen Richtern und nahm Bodnar damit sein wirksamstes Instrument.
Der Verfassungsjurist macht trotzdem unbeirrt auf Verfassungsverstöße aufmerksam. Bodnar verkörpert das letzte Justizorgan Polens, das der Reformeifer der Nationalkonservativen noch nicht zahnlos gemacht hat.
„An die Struktur meiner Behörde hat sich niemand getraut", sagt Bodnar, der sich bis 2015 in Nichtregierungsorganisationen für Menschenrechte eingesetzt hat. „Aber unser Budget wurde gekürzt. Das hat natürlich Auswirkungen darauf, mit wie vielen Fällen wir uns beschäftigen können."
Bodnar sitzt in seinem Büro hinter einem großen Schreibtisch. Darauf türmen sich Akten, an der Wand hängt eine Landkarte von Polen. Alle Orte, die er bereits besucht hat, hat er mit blauen und grünen Pins markiert. Es sind viele. In der kommenden Woche werden Nadeln in mehreren Kleinstädten im Nordosten Polens hinzukommen.
Die Menschen, die Bodnar während seiner Reisen trifft, berichten ihm meist von persönlichen Problemen, von Strafzetteln oder Streit mit Nachbarn. Die faktische Entmachtung der höchsten Gerichte des Landes interessiert die Bürger nur selten.
Was in Warschau passiert, ist für viele Polen weit weg, die Justizreform ein abstrakter Vorgang, der sie in ihren Augen nicht betrifft. „Die Älteren, die unter der Justizwillkür im kommunistischen Polen gelitten haben, verstehen besser, was die Reformen der PiS bedeuten", sagt Bodnar.
Ein so einschneidender Umbau des Justizwesens werde sich auf lange Sicht natürlich auch auf die Rechtsprechung auf unterster Ebene auswirken. Erst wenn politisch abhängige Richter also in einem Nachbarschaftsstreit entscheiden, dann wird vermutlich der Unmut derjenigen zunehmen, für die das Verfassungsgericht eine Einrichtung fernab von ihrem Leben ist.
Geehrt - und Hauptfeind der RegierungsparteiDie Gleichgültigkeit vieler Menschen mit Blick auf die Reformen der Regierung in Warschau hat Bodnar bisher nicht davon abgehalten, gegen etliche Gesetze der PiS zu klagen. So ging er nicht nur gegen den Umbau des Verfassungsgerichts vor, sondern auch gegen die Einführung des Mediengesetzes, das es der PiS in den vergangenen Jahren ermöglichte, das vormals öffentlich-rechtliche Fernsehen so umzubauen, dass ihre Politik in ein besonders helles Licht gerückt wird.
Wegen seines Engagements für Rechtsstaatlichkeit erhielt Bodnar im April dieses Jahres die renommierte Auszeichnung des World Justice Project, einer US-Nichtregierungsorganisation. Aus dem gleichen Grund jedoch ist er ein Hauptfeind der Regierungspartei und ihrer Anhänger. Beinahe täglich bekommt er Hassnachrichten und Drohungen in sozialen Netzwerken.
Regierungsnahe Journalisten sehen ihn als Mann der Opposition, nicht als neutrales Organ, das er laut der Verfassung sein soll. Sie verweisen darauf, dass er im Juli 2015, nur wenige Monate vor dem Wahlsieg der PiS, von einer Parlamentsmehrheit der liberalkonservativen PO (Bürgerplattform) in sein Amt gewählt wurde. Dass Bodnar auch Stimmen der linken SLD (Bündnis der Demokratischen Linken) erhielt und deswegen in der PO durchaus umstritten war, wird dabei nicht erwähnt.
Mit dem Staatsfernsehen TVP ist Bodnar im Konflikt. Das hatte ihn verklagt, nachdem er in einem Interview die Frage stellte, ob das Programm von TVP nicht Einfluss auf den Mann hatte, der im Januar den Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz ermordete. Der Fernsehsender hatte Adamowicz davor in mehreren Berichten verunglimpft. Erst vergangene Woche wies ein Warschauer Gericht die Klage von TVP ab. Es war ein Punktsieg für Bodnar.
Aber die nächste Hürde steht ihm bevor. Denn im kommenden Jahr endet seine fünfjährige Amtszeit. Dann entscheidet das polnische Parlament mit einfacher Mehrheit darüber, ob Bodnar im Amt bleibt oder ein Nachfolger bestimmt wird.
Somit entscheidet sich sein Schicksal bei den Parlamentswahlen im Herbst. Das Ergebnis der Europawahlen deutet darauf hin, dass die PiS ihre absolute Mehrheit wird verteidigen können. Wenn es so kommt, dann ist Bodnars Schicksal sicher besiegelt: Die verbliebenen freien Gerichte würden dann ihren bekanntesten Fürsprecher verlieren.
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