An einem Spätsommertag des Jahres 2016 hatte sich jemand am Gipfelkreuz des Schafreuters, eines Bergs an der Grenze zu Österreich, vergangen. Der Hauptstamm des Kreuzes, fünf Meter hoch, drei Meter breit, war bis zur Hälfte durchgehackt worden. Die Polizei musste das Kreuz fällen.
Der Gipfelkreuzhacker hatte zugeschlagen. Wieder einmal.
An Pfingsten hatte er das Kreuz von der Dudl-Alm erwischt.
Am 30. Juli das Kreuz vom Prinzkopf.
Am 1. August das Kreuz vom Lärchkogel.
Und jetzt den Schafreuter.
Der mutmaßliche Täter war von Zeugen beobachtet worden: ein Mann mit schwarzen Haaren und Kapuze. Möglicherweise ein Schweizer Freidenker, ein Christenhasser, so erste Recherchen der Polizei Bad Tölz. Doch der Täter wurde nicht gefasst.
Stattdessen stellte die rechtsextreme „Identitäre Bewegung" ein neues Gipfelkreuz auf und forderte auf Facebook „Respekt für unsere christlichen Werte und bayerischen Traditionen". Der Alpenverein nahm es ab, es war nicht wetterfest. Und stellte ein neues auf. Ein Unbekannter sägte dieses Kreuz an. Ein Unbekannter fällte es ganz. Der Alpenverein reparierte das Kreuz mit Stahlschienen. Seitdem ist Ruhe.
Früher war das Kreuz in Bayern eine Selbstverständlichkeit, als Feldmarterl stand es am Wegesrand, als Kruzifix hing es in Schulen und Gerichtssälen, keiner störte sich daran. Jetzt ist das Kreuz, vereinnahmt von Wanderern, Rechtsextremen, Atheisten und der CSU, Symbol eines Kulturkampfes geworden.
Am 24. April 2018 entschied die Staatsregierung, dass ab Anfang Juni in den Eingangsbereichen aller Landesbehörden des Freistaates Bayern gut sichtbar ein Kreuz hängen solle, als „Bekenntnis zur Identität" und „kulturellen Prägung Bayerns". Das Kreuz, so Ministerpräsident Markus Söder, sei „nicht ein Zeichen einer Religion", es stehe für elementare Werte wie Nächstenliebe, Menschenwürde und Toleranz. Söder hängte dann gleich am Eingang der Staatskanzlei ein Kreuz auf, gesegnet durch den früheren Kardinal von München, Friedrich Wetter. Überall waren Kameras. Söder sah dabei ein bisschen wie ein Vampirjäger aus, warf ihm später der ebenfalls gläubige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, vor.
Ziemlich viele Leute nördlich des Frankenwaldes und westlich der Donau fragen sich: Warum macht die CSU schon wieder so einen Schmarrn?