Erst als er seinen Sohn weinen hörte, ließ er von ihr ab. Ließ sie los, seine eigene Frau, und dachte sich: "Oh, Scheiße."
Timo war von der Arbeit nach Hause gekommen, schlecht gelaunt, ein paar Spielsachen lagen im Wohnzimmer herum. Nichts Weltbewegendes, sagt er heute. Eine Frechheit, dachte er damals. Timo raunte seine Frau Sarah an, die Mutter seiner drei Kinder. Sie diskutierten, stritten, wurden immer lauter - dann explodierte er.
Packte sie an den Haaren. Schüttelte sie. Schrie sie an. Holte aus. Schlug zu. Mit der Faust ins Gesicht.
Dann hörte er seinen Sohn schreien. "Oh, Scheiße." Wenig später klingelte die Polizei. Zum elften Mal in zwei Jahren.
Jede Stunde wird in Deutschland eine Frau Opfer von häuslicher Gewalt. Das geht aus dem Jahresbericht des Bundeskriminalamts hervor. 114.393 weibliche Opfer von Partnerschaftsgewalt sind dort für 2018 erfasst. Eine andere Zahl in der Statistik: 93.813. So viele männliche Tatverdächtige wurden im selben Jahr registriert.
Timo, 36, Lackierer bei einem großen Autohersteller, ist einer von ihnen. Im Videotelefonat mit bento hat er über eine Perspektive gesprochen, die selten öffentlich thematisiert wird: die der Täter.