Philipp Awounou

Journalist & Fotograf , Köln

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Protestbewegung im US-Sport: Nicht jeder kniet

Sie knieten, sie reckten die Fäuste gen Himmel, sie standen Arm in Arm zusammen: Mit symbolträchtigen Gesten begegneten zahlreiche NFL-Profis den jüngsten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump. Dieser hatte in der vergangenen Woche gefordert, NFL-Spieler, die während der Hymne nicht wie vorgeschrieben aufstehen, zu entlassen oder zu suspendieren und bezeichnete sie indirekt als "Hurensöhne".

Den viel diskutierten Worten stellten sich die NFL-Teams geschlossen entgegen. Selbst die Besitzer der Franchises, fast ausschließlich weiße, konservative US-Amerikaner, distanzierten sich klar von den Äußerungen ihres Präsidenten. Das war nicht unbedingt zu erwarten, schließlich gelten die Besitzer der Teams tendenziell eher als Befürworter Trumps, sieben von ihnen unterstützten seinen Wahlkampf gar aktiv mit Spenden und öffentlichen Auftritten. Einer von ihnen, Shashid Kaan, Besitzer der Jacksonville Jaguars, reihte sich demonstrativ ins Glied seiner protestierenden Spieler.

Sobald man den Blick vom Spielfeld abwandte, zeigte sich jedoch ein anderes Bild: Auf den Tribünen vieler Stadien wurde der Hymnenboykott der Teams lauthals ausgebuht, "Stand Up!" skandierten viele der Fans, einige Spieler wurden wüst beschimpft. Beim Spiel der Buffallo Bills hallten unentwegt USA-Rufe durchs Rund, sobald protestierende Athleten in Aktion traten.

"Es ist respektlos gegenüber den Vereinigten Staaten und gegenüber den Männern, die diesem Land gedient und dafür gekämpft haben. Es ist eine Schande. Sie sollten stehen", ereiferte sich etwa ein Fan der New England Patriots laut Associated Press. Und weiter: "Ich mag, was der Präsident gesagt hat. Wer nicht steht, sollte gefeuert werden."

Diese Haltung teilen nicht nur viele Fans, sondern auch die Teambesitzer der US-Rennserie Nascar. Richard Petty etwa, Nascar-Legende und Teilhaber des Rennstalls "Richard Petty Motorsports", sagte: "Jeder, der nicht für die Hymne aufsteht, sollte das Land verlassen, Punkt."

Es ist längst nicht die gesamte amerikanische Sportwelt, die den Protest gegen Trumps Äußerungen mitträgt. Vielmehr stammen die jüngsten Schlagzeilen überwiegend aus eben den Ligen, die von Rassismus und Diskriminierung hauptsächlich betroffen sind: aus der NFL und der NBA, deren Teams zu über 70 Prozent aus schwarzen Athleten bestehen.

Dort, wo die Mehrheit weiß ist, ist von Auflehnung wenig zu spüren: Stargolfer Davis Love III beispielsweise betonte zuletzt, dass gesellschaftliche Kontroversen in seinem Sport fehl am Platz seien.

Dass die Standpunkte bezüglich Trump auseinandergehen, zeigt sich auch am obligatorischen Besuch amerikanischer Meisterteams im Weißen Haus. So werden die Golden State Warriors als aktueller NBA-Champion geschlossen auf den Termin im Oval Office verzichten, während die Pittsburgh Penguins, aktueller Eishockey-Meister in der NHL, die Einladung des Präsidenten annahmen. Bei den Warriors sind derzeit 16 der 20 Spieler schwarz, unter den 24 Profis der Penguins ist es lediglich einer.

Freilich darf die Zusage des NHL-Champions nicht überbewertet werden. Vom Regierungschef der USA empfangen zu werden, gehört zu den größten Ehren, die einem Sportler in den Staaten zuteil werden kann. Diese Chance wahrzunehmen, ist nicht zwingend als ein Akt "pro Trump" zu verstehen, sondern auch als unpolitische Wahrung einer Tradition interpretierbar. Daran erinnerten die Penguins in einem offiziellen Statement.

Dennoch stellt sich die Frage, welche Positionen weiße Athleten und mehrheitlich weiße Teams in der hitzigen Debatte einnehmen. In der NFL waren es bislang ausschließlich schwarze Profis, die während der Hymne knieten. Ihre weißen Teamkollegen zeigten sich in der Öffentlichkeit zweifellos solidarisch. Selten hörte man jedoch so klare Worte wie die von Alex Smith, dem weißen Quarterback der Kansas City Chiefs, der Trumps Äußerungen als "alarmierend" bezeichnete. Schließlich sei das "derselbe Kerl, der es nicht fertigbrachte, gewalttätige Neonazis zu verdammen, aber er verdammt Jungs, die sich bei der Nationalhymne hinknien."

Inzwischen hat Trump nachgelegt - nach altbekanntem Prinzip: Er überhäuft seine (vermeintlichen) Unterstützer mit Lob; Nascar, die Pittsburgh Penguins, die buhenden Fans in den NFL-Arenen. Und er hetzt weiter gegen seine Kritiker, allen voran die knienden Football-Profis. Nicht Russland, Nordkorea oder Obamacare dominieren dieser Tage sein Twitter-Feed. Es sind die NFL, NBA, Nascar, die NHL.

Immerhin: Trumps Gebaren schafft Raum für eine Debatte, die in den USA gerne und lange verdrängt wurde. Der Weg zu konkreten Ergebnissen ist jedoch lang. Einen der ersten Schritte auf diesem Pfad machte Quarterback Colin Kaepernick, der den Hymnenprotest im vergangenen Jahr ins Leben rief. Für die aktuelle Saison hat ihm kein NFL-Team einen Vertrag angeboten.

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