Der eine: ein abgehalfterter Ex-Stasi- und CIA-Doppelagent, der sich mit einer schlecht laufenden Kaschemme in Kreuzberg über Wasser hält, Schulden bei einem moldawischen Stripclub-Betreiber hat und in regelmäßigen Abständen einen Schluck aus der Pulle braucht. Der andere: ein abgehalfterter Berliner CIA-Boss, der den klaren Fronten des Kalten Krieges nachtrauert, dem die Gegenwart fremd geworden ist und der doch seinen Platz nicht räumen will.
Ludwig Licht (Wotan Wilke Möhring) und GT Berner (Matthew Marsh) – es sind nicht gerade klassische Sympathieträger, aber zwei gut knarzige Antihelden, die "West of Liberty" da zusammenspannt.
Der Anlass dieser seltsamen Kooperation: Als in Marrakesch drei Amerikaner in einem Barbershop erschossen werden und eine dem Massaker entkommene Frau sich an die US-Botschaft in Berlin wendet, wittert Berner einen Fall – und reaktiviert seinen alten Freelancer-Partner Licht. Der muss zwar zum Ablesen des Verifizierungscodes am Laptop erst mal die Brille aufsetzen und schnauft schon leicht beim Treppensteigen, braucht aber das Geld und erinnert sich dann doch noch, in welcher Kiste seine Knarre liegt. Er zieht die Plane von seinem alten Range Rover, bringt die Zeugin in Sicherheit – und siehe da, sie hat tatsächlich etwas zu erzählen.
Die Amerikanerin Faye Morris (Michelle Meadows) war Rechtsberaterin der Whistleblower-Organisation Hydraleaks, deren IT-Chef zu den Opfern von Marrakesch zählt und deren Anführer Lucien Gell (Lars Eidinger) seit Monaten untergetaucht ist. Im Tausch gegen eine Liste mit allen geheimen Quellen der Organisation will sie Immunität erlangen, um in ihre Heimat zurückkehren zu können. Berner wiederum erhofft sich, über sie an den in seinen Augen verachtungswürdigen Verräter Gell heranzukommen und einen letzten großen Coup zu landen.
Relikte aus dem analogen Zeitalter
Es ist der Kontrast zwischen dem aktuellen Whistleblower-Thema und der versunkenen Welt der Protagonisten, der den Reiz dieser internationalen Koproduktion nach Thomas Engströms 2013 erschienenem Roman ausmacht. So wirken die ungleichen Männerfreunde Licht und Berner mit ihren überkommenen Codes und Ritualen wie Relikte aus einem vergangenen analogen Zeitalter.
Einmal versucht der CIA-Mann seine neue Europachefin gar mit einem Chruschtschow-Zitat zu beeindrucken. Als sie ihm auf einer Konferenz in Kopenhagen seine Demission ankündigt, fließen Tränen auf dem Männerklo.
Hydraleaks-Kopf Lucien Gell dagegen ist sehr gegenwärtig angelegt: Lars Eidinger, exzentrisch mit blondiertem Haar und blau getönter Brille, erinnert nicht nur von Ferne an Wikileaks-Gründer Julian Assange. Wie er, im Keller einer Botschaft hausend, zwischen Yogaübungen und Schlagzeugspielen langsam dem Wahnsinn anheimfällt, gehört zu den eindrücklichsten Szenen des Zweiteilers.
Mit düsteren Neo-Noir-Bildern und kernigen Dialogen schafft die österreichische Regisseurin Barbara Eder eine Atmosphäre alter Pulp-Geschichten, die insgesamt recht erfolgreich überdeckt, dass der zweimal 100 Minuten umspannende Plot (in der Mediathek ist eine noch längere sechsteilige Fassung verfügbar) doch auch gewisse Längen hat.
Und selbst wenn die Synchronisation an manchen Stellen etwas holpert: Eine eigentümlich-melancholische Aura lässt sich "West of Liberty" nicht absprechen. Die bleibt auch in Teil zwei bestehen, der nicht nur mit einer beachtlichen Action-Eskalation, sondern auch einigen wirklich überraschenden Wendungen aufwartet.
"West of Liberty", Sonntag und Montag, jeweils 22.15 Uhr, ZDF; außerdem schon jetzt in einer sechsteiligen Fassung in der Mediathek
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