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ZDF-Comedy-Experiment "Fett und Fett": Voll schön, voll nice

Als studentische Webserie gestartet, erzählt die Comedy "Fett und Fett" nun im ZDF aus dem Alltag eines Münchner Hängers um die 30 – so lebensnah und launig, dass es richtig erfrischend wirkt. Von Peter Luley


Vielleicht hätte Jaksch (Jakob Schreier) am Vorabend seines Bewerbungsgesprächs doch nicht ausgehen sollen. "Es stinkt so nach Aftershave", erklärt der Intendant (Matthias Lilienthal), während er das Fenster aufreißt, "nach so richtig billigem, schlechtem Aftershave." Um dann zu präzisieren: "Du hast gestern rumgesoffen und billiges Aftershave draufgeknallt."

Da ist der Zug schon abgefahren für den Theaterwissenschaftler, der doch eine Stelle als Regieassistent ergattern wollte. Dass Jaksch seine Entscheidungsfreudigkeit auf einer Skala von eins bis zehn mit "fünf" bewertet, hilft ihm jedenfalls auch nicht mehr weiter.

Jaksch, 29, kräftige Statur, die Haare leicht zu Berge stehend, ist ein Gewächs des Münchner Glockenbachviertels, ein sympathischer Hänger, dem – "ah, hey, krass!" – einfach ständig was dazwischenkommt. Und er ist die Hauptfigur der sechsteiligen Comedy "Fett und Fett", deren Titel neben dem deutschen "dick" auch das österreichische Slangwort für "betrunken" meint. Die rund 20-minütigen Folgen, die das ZDF schon vor der linearen Ausstrahlung in der Mediathek bereitstellt, spielen im (post-)studentischen Milieu – und beziehen ihren Charme aus Lebensnähe, lakonischem Humor und einer fast dokumentarischen Anmutung. Letztere hat mit der Vorgeschichte des Formats zu tun.

"Fett und Fett" basiert auf einer gleichnamigen Webserie, die die Filmhochschüler Jakob Schreier und Chiara Grabmayr als Head-Autoren, Hauptdarsteller (Schreier) und Regisseurin (Grabmayr) zunächst frei finanziert mit kreativen Komplizen, Schauspielern wie Laien, auf die Beine stellten. Es ist ihre Lebenswirklichkeit, die hier gezeigt wird: ein Kosmos Um-die-30-Jähriger, die keine Hipster und schon gar keine Yuppies sind, eher eine feierfreudige Boheme im Abendrot der ausklingenden Jugend. Bis die ZDF-Redaktion "Das kleine Fernsehspiel" Ende 2017 anbiss, hatten die beiden bereits fünf Episoden realisiert, die nun als Prequels firmieren und ebenfalls in der Mediathek abrufbar sind.

Für die sechs neuen Folgen haben die Macher die Geschichten um den verstrahlten Lebenskünstler fortgeschrieben und aus dem Münchner Szenebiotop herausgeführt. Weil Jaksch sich beim Abholen einer Waschmaschine in die Musikerin Hannah (Isabella Wolf) verliebt, die im Begriff ist, nach Berlin zu ziehen, unternimmt bald auch der Protagonist besuchshalber einen Ausflug in die Hauptstadt.

Und siehe da: Jaksch' Mischung aus Überforderung und Urvertrauen verfängt auch dort. Gleich seine erste Begegnung mit einem arabischen Kleingangster am S-Bahnhof Sonnenallee mündet in eine lehrreiche, wenn auch nicht ganz billige Führung durch die Neuköllner Gastroszene.

So sehr die Hänger-Attitüde und Jaksch' Konsum selbstgedrehter Zigaretten an frühere Dekaden denken lassen, so absolut heutig ist die digitale Mediennutzung. Wenn Jaksch und Hannah nach durchgefeierter Nacht im Bett chillen, sind Laptops und Smartphones mit am Start. Da werden Meme vom Kopf- ans Fußende geschickt, und auch die Tücken permanenter WhatsApp-Kommunikation sowie gefährlich niedriger Akkustände kommen nicht zu kurz. In den Dialogen wiederum spielt das Wörtchen "voll" eine wichtige Rolle – denn beneidenswerterweise sind die meisten Ereignisse als "voll nett", "voll schön" oder auch "voll nice" einzustufen.

Als Hannah die Nähe irgendwann trotzdem zu viel wird und Jaksch sich notgedrungen auf den Heimweg macht, leisten sich die Autoren noch einen Ausflug ins Surreale: Nach einer Art angetäuschter Apokalypse findet sich Jaksch in Fell gehüllt in der Obhut eines Eremiten (Wolfgang Flatz) wieder, der ihn nur widerwillig in die "kaputte Welt" entlässt. "Alles vorbei" heißt die finale Folge – aber das muss ja nicht gleich für die ganze Serie gelten.


"Fett und Fett", Montag, 14.10., ab 0.15 Uhr, ZDF (alle Folgen am Stück). Und ab sofort in der Mediathek.


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