Was daraus bloß werden sollte? Die völlig verunglückte ZDFneo-Serie "Dead End" um einen alternden Forensiker und seine moderne Tochter lässt den Zuschauer ratlos zurück. Von Peter Luley
Manchmal wüsste man schon gern, wie so ein Serien-Pitch abläuft beim schicken jungen Digitalkanal ZDFneo. "Wir hätten da ein Crime-Format: Alter Leichenbeschauer wird allmählich dement, aber dann kommt seine Tochter CSI-mäßig geschult aus den USA zurück, und die beiden werden ein Dream-Team, das mysteriöse Todesfälle aufklärt." - "Klingt gut, und die Tonality?"- "Och, so'n bisschen düster und skurril, das kann man hier- und dahin drehen. Soll übrigens in Mittenwalde spielen, ist ja total unterrepräsentiert, das Städtchen." - "Stimmt, da gibt's noch keinen Regionalkrimi. Super, machen wir!"
Ähnlich wurschtig könnte es zugegangen sein bei der Beauftragung des Sechsteilers "Dead End", der seinem Titel alle Ehre macht - "dead end" heißt auf Deutsch Sackgasse. Eine stringente erzählerische Idee oder irgendeine künstlerische Vision jenseits von fahler Farbgebung sind bei der jüngsten Eigenproduktion des Senders (Buch: Magdalena Grazewicz, Thomas Gerhold, Christopher Schier; Regie: Christopher Schier) jedenfalls nicht erkennbar.
Auf geradezu frappierende Weise sind die 45-minütigen Folgen weder lustig noch spannend noch psychologisch tiefschürfend - einfach gar nichts. Wenn es eine Frage gibt, die den ratlosen Zuschauer dieses Debakels umtreibt, dann die: Was hätte das bloß werden sollen? Oder allenfalls noch: Was hat die renommierten Schauspieler zur Mitwirkung getrieben?
Der große Michael Gwisdek tapert als alleinstehender Forensiker Peter Kugel leicht verwirrt durch seine verwunschene Villa und bewahrt schon mal Menschenknochen im Lebensmittel-Kühlschrank auf. Weit jenseits des Rentenalters, obduziert er immer noch im Polizeiauftrag Leichen in seinem altertümlichen Privatlabor. Antje Traue verkörpert seine in den USA lebende Tochter Emma, die zum 75. Geburtstag des Vaters nach Brandenburg reist und als hochqualifizierte Rechtsmedizinerin feststellt, dass dem Senior ein paar Nachlässigkeiten unterlaufen.
Also bleibt sie einfach da, erschreckt den Greis mit modernen Methoden (Tablet! 3D-Scan! Datenbankabgleich!) und mischt von nun an ganz selbstverständlich bei den Ermittlungen mit. Was die schroffe Einzelgängerin antreibt, bleibt ebenso vage wie die offenbar kriselnde Beziehung zu ihrem Freund in Amerika. Sicher ist nur, dass sie gern joggt.
Laientheaterhaft und betulich
Zum Figurenkosmos gehören außerdem ein unbedarft-lustloses Polizistenduo (Victoria Schulz, Lars Rudolph) sowie der großspurige Bürgermeister (Fabian Busch). Zur Anteilnahme laden sie genauso wenig ein wie die Kriminalfälle selbst. Zum Auftakt geht es um einen Unfall in einem Fitnessstudio, der auch ein Anschlag gewesen sein könnte, und um den schon länger zurückliegenden Tod eines Obdachlosen, der vielleicht doch eine andere Ursache hatte als angenommen.
Wie die beiden Stränge dialogisierend zusammengeführt werden, das ist so laientheaterhaft und betulich, dass Vorabendsoaps daneben wie Actionreißer wirken. Selbst als Emma und die Studiobetreiberin in der Sauna eingesperrt werden, stellt sich keinerlei Bedrohungsgefühl ein: Dezent transpirierend plaudern die beiden seelenruhig ihrer Rettung entgegen.
In diesem Kontext versteht es sich von selbst, dass die teils absurden Todesfälle, die in der Region in erstaunlicher Frequenz auftreten, in jeder Folge sauber aufgeklärt und abgeschlossen werden. Lediglich die Beziehungen der Protagonisten entwickeln sich fortlaufend, wenn auch schleppend.
Neue Erkenntnisse? Fehlanzeige
Gerade als man beschlossen hat, sich nicht mehr zu fragen, wie lange Emmas vermeintlicher Kurzbesuch noch erklärungslos andauern wird, mietet sich in Folge drei ihr mysteriöser amerikanischer Freund (Nikolai Kinski) in der örtlichen Herberge ein. Neue Erkenntnisse bringt allerdings auch das nicht, denn als Emma ihn im Gespräch mit ihrem Vater antrifft, sagt sie grußlos: "Ich geh schlafen." Stattdessen kommt sie später der scheuen Polizistin näher.
Ganz am Ende liegen keine Knochen mehr im Kühlschrank, aber dafür ein abgetrennter Finger - und Emmas US-Hintergrund ist immer noch ungeklärt. Bei einer saisonübergreifenden Hitserie wäre das ein klassischer Cliffhanger. Bei diesem Sechsteiler, der den Gedanken an eine Fortsetzung vermessen erscheinen lässt, ist es nichts als prätentiöses Spekulieren und dem Zuschauer gegenüber schlichtweg eine Unverschämtheit.
"Dead End": Ab Dienstag, 26.2., 21.45 Uhr, ZDFneo; ab 26.2., 10 Uhr, sind alle Folgen in der Mediathek verfügbar.
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