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DOK.fest München: Endlich wieder im Kino

Das DOK.fest München startet dieses Jahr vor Publikum und zwar mit geheimen Aufnahmen aus einem Flugzeug. Es ist die Maschine, in der der russische Oppositionelle Alexej Nawalny im August 2020 mit dem Nervengift Nowitschok beinahe getötet wird. Anschließend nimmt der Film die Zuschauenden mit in die Berliner Charité, wo der Putin- Gegner Nawalny aus dem künstlichen Koma erwacht. Nach Nawalnys Entlassung aus dem Krankenhaus begleitet der bulgarische Journalist Christo Grozev ihn für einen längeren Aufenthalt in den Schwarzwald. Dort kommt Nawalny wieder zu Kräften. Gemeinsam mit seiner Familie und Grozev gelingt es ihm schließlich, den Giftanschlag als Mordversuch zu entlarven.

Der Eröffnungsfilm "Nawalny" ist ein Dokumentarfilm des Kanadiers Daniel Roher, der auf dem DOK.fest München Deutschlandpremiere feiert. "Der Film erzählt sich wie ein Politthriller", sagt Festivalleiter Daniel Sponsel der DW. "Das ist nicht so oft der Fall im Dokumentarfilm, dass wir so nah dran sind und die Ereignisse so unmittelbar erzählt bekommen können." Der Film sei außerdem äußerst relevant, weil er einen Eindruck von den Hintergründen der russischen Politik vermittele. "Nawalny" kommt zur richtigen Zeit nach Deutschland.

Leben im Krieg: Filme aus dem Donbass

"A House Made Of Splinters": Seit in der Ostukraine 2014 der Krieg ausbrach, gibt es dort deutlich mehr zerrüttete Familien

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine bleibt auch über den Eröffnungsfilm hinaus präsent. Vier weitere Produktionen veranschaulichen den jahrelangen Krieg um den Donbass, der dem aktuellen Krieg vorausgegangen war. "Trenches" zeigt zum Beispiel das Leben junger ostukrainischer Soldatinnen und Soldaten zwischen Schützengräben und vermeintlichem Alltag, den sie versuchen weiterzuleben. "Donbas Days" handelt von dem 19-jährigen tschechischen Zirkusartisten Kuba, der in die Ukraine reist, um die Kinder mit Jonglierunterricht von den Schrecken des Krieges abzulenken.

"A House Made Of Splinters" erzählt von den Folgen des Krieges in der Ostukraine aus Sicht von Heimkindern: Sie berichten von ihren alkoholkranken Müttern und prügelnden Vätern. Und "Pushing Boundaries" begleitet fünf Sportlerinnen und Sportler, die versuchen weiter zu trainieren, nachdem ihnen 2014 mit der Annexion der Halbinsel Krim ihr Trainingszentrum genommen worden war. "Das Wichtigste, was man aus diesen Filmen lernt, ist gleichzeitig das Naheliegendste", sagt Festivalleiter Sponsel: "Eine Gesellschaft, die sich in Kriegen oder kriegsähnlichen Zuständen bewegt, ist eine zutiefst unglückliche und zerrissene Gesellschaft."

Gastland Spanien: Francos Vermächtnis

In "Franco On Trial" werden noch lebende Täter der Franco-Diktatur vor Gericht gestellt

Das eigentliche Gastland des diesjährigen DOK.fests ist jedoch Spanien - wie auch auf der Frankfurter Buchmesse. Das Land wird in der Reihe DOK.guest 2022 aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. "Magaluf Ghost Town" dokumentiert, wie die Party-Exzesse britischer Touristen das Leben der Menschen in einem kleinen Küstenort auf Mallorca prägen. In "El Círculo" sinniert eine Runde Männer über Feminismus und wundert sich, was aus dem guten alten "Machismo" geworden ist.

"Spanien ist tatsächlich ein sehr spannendes Land", sagt Daniel Sponsel. "Es ist uns lange nicht so vertraut wie zum Beispiel Italien oder Frankreich, da gibt es wirklich etwas zu entdecken." Bis in die 1970er-Jahre hinein, solange wie in keinem anderen europäischen Land, wurde Spanien vom Diktator Francisco Franco regiert. Ein Film, der sich dem Vermächtnis der Franco-Diktatur annimmt, ist "Franco On Trial: The Spanish Nuremberg". Der Film dokumentiert einen Prozess vor einem argentinischen Gericht gegen noch lebende Täter des Regimes.

Themenreihe: "Brave New Work"

In "Pornfluencer" nutzt ein junges Pärchen die Gunst des Internets, um mit selbstgedrehten Pornos reich zu werden.

Die diesjährige Themenreihe "Brave New Work" widmet sich mit sieben Filmen der modernen Arbeitswelt. "Pornfluencer" erzählt etwa, wie ein junges Pärchen schnelles Geld machen will und Pornos der Kategorie "Real Couple" ins Netz stellt. "The Happy Worker" ist eine Persiflage auf den modernen Büroalltag: Szenen von endlosen Meetings, sinnlosen Debatten, dauergestressten Angestellten halten der neoliberalen Gesellschaft den Spiegel vor.

Einen besonderen Schwerpunkt legt das Festival auch in diesem Jahr wieder auf Dokumentarfilme aus Afrika. Das Special "African Encounters" betrachtet das Thema Migration aus afrikanischer Perspektive. Der Film "African Moot" dokumentiert den gleichnamigen Wettbewerb, zu dem sich jährlich die besten Jurastudierenden aus ganz Afrika treffen. In dem Film von Shamila Seedat wird eine simulierte Gerichtsverhandlung vor dem Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte begleitet.

Nach Corona: Endlich wieder Kino

"African Moot": In einer simulierten Gerichtsverhandlung geht es um die Rechte von Flüchtlingen in Afrika

Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause, zeigt das DOK.fest München die Festivalfilme in diesem Jahr wieder auf der Kinoleinwand. Aber auch online können die 124 Dokumentarfilme aus 55 Ländern gesehen werden. Das DOK.fest München wird erstmal dual stattfinden. "So können wir ein größtmögliches Publikum erreichen", sagt Festivalleiter Daniel Sponsel. Durch eine zeitversetze Ausstrahlung können die Filme vom 4. bis 9. Mai vorerst nur im Kino gesehen werden, danach dann auch für begrenzte Zeit online.

Trotz der Corona-Pandemie habe es in diesem Jahr so viele Einreichungen gegeben wie noch nie zuvor, sagt Sponsel. "Wir waren zuletzt bei 1050 Einreichungen, dieses Jahr waren es rund 1150." Von einem Corona-Knick sei noch nichts zu spüren. "Das macht Hoffnung, dass es an guten Dokumentarfilmen nicht mangelt.".

Das DOK.fest München läuft vom 4. Mai bis 15. Mai im Kino und vom 9. Mai bis 22. Mai digital.
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